bergstolz

ALASKA | Volle Hosen in AK


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von Sandra Lahnsteiner

"In Alaska haben alle die Hosen voll, wenn sie da oben stehen, egal ob Männlein oder Weiblein". Naja – damit hat der liebe Bernd – Berni Krainbucher – das Multitalent aus der Steiermark, bekannt für seine unterhaltsamen und überlangen Moderationen bei diversen Shades of Winter Premieren (gemeinsam mit Freeski Papa Nico Zacek), Gründer, CEO und CFO der legendären und berühmt berüchtigten Schneesportschule Zirbitzkogel (wo auch immer der sein soll) und angehender Papa von Zwilligen wohl recht. Jene Athleten, die er im Rahmen seines Brotberufs acht Monate pro Jahr als Projektmanager von Red Bull Cliff Diving betreut, kann er ja wohl nicht meinen, deren Hosen sind doch sehr knapp.

Jene der Freeskier aber seien voll, wenn sie da oben in Alaska stehen, egal ob Männlein oder Weiblein. Ich kann mich noch gut an meine erste "Big Line" in Alaska erinnern. FFAA hat sie geheissen, 700 Höhenmeter. Bernd stand oben am Drop-in neben mir. Was man wissen muss: Kraini liebt den Powder mindestens so wie jeder Profiathlet – wahrscheinlich kommt er ob seines Organisationstalents sogar mindestens so oft zum powdern wie unsereins und nicht selten bleibt von ihm nur eine fette Staubwolke über, wenn man es mit ihm auf den Berg schafft.

Jedenfalls hat der gute Kraini vor Jahren beschlossen, Alaska zu erkunden und hat sich durch die "Guideschool" gekämpft: "Da komme ich in AK an als österreichischer Skischulbetreiber und denke mir, die haben sicher nur auf mich gewartet, dem war nicht so…;-) Die ersten zwei Wochen habe ich in einem Haus - die Bude heisst "plywood palace", da sie eigentlich nur aus Schaltafeln besteht und genau gar nicht isoliert ist, bei -25 C Aussentemperatur ein Traum - ohne warmes Wasser und einer Dieselheizung gewohnt, die geleckt hat und dementsprechend hats im Haus gestunken, wie auf einer Tankstelle… Neben mir hat Pep Fujas mit seiner damaligen Freundin gewohnt und wir drei waren die Plywood Palace Gang!"

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Jeder, der in AK guiden will, muss durch die Guideschool. "Einen Teil dieser zweiwöchigen Ausbildung haben sie mir erlassen, gewisse Teile musste ich jedoch erledigen… Gleich nach der Ankunft war ich drei Tage krank und verbrachte die im Bett. Dann mein erstes Erlebnis: eine Skitour mit 35 mehr oder weniger erfahrenen Guideschoolern. Bedingungen im Tal innerhalb der Bäume waren absolut horrend, und die Skitour führte bezeichnenderweise zum "guideschool drop out" durch Urwald in einem Matsch - Bruchharschgemisch für das es im deutschen nicht einmal einen Namen gibt. Als der Kollege vor mir seine Felle auf einen Ski ohne Tourenbindung aufgezogen hat und mit fixierter Ferse von dannen gezogen ist (Zitat: er macht das immer so…) habe ich mir schon gedacht, dass ich möglicherweise falsch bin…" Nach den ersten Eindrücken gings dann aber steil bergauf: "Kollege Fujas war ja schon des Öfteren in AK unterwegs und mit ihm konnte ich während der Guideschool (dann auch mit Heli Access) viele Runs auf eigene Faust fahren, während die restliche Gruppe etwas konservativer am Weg war. Ab diesem Zeitpunkt war mir klar, dass ich doch nicht falsch war und das genau jenes Geläuf ist, von dem ich immer geträumt habe… Den ersten drop in am Old Faithful und das Aussteigen dort oben aus dem Heli habe ich noch sehr intensiv in Erinnerung… beim ersten Mal bist du einfach so überwältigt und erschlagen bzw. glaubst am Mt. Everest gelandet zu sein, auch wenn der Run als Einsteiger- und Testrun gilt… etwas später, beim ersten Toe in Landing und dem Aussteigen auf einem Bierbank grossen Gipfelplateau bist du dann endgültig angekommen und weisst warum du hier immer her wolltest..."

Kraini hat mittlerweile 7 Saisonen in Haines, Alaska auf dem Buckel, will heissen, damals als wir 2013 mit Shades of Winter zum ersten Mal nach Haines sind (es war das zweite mal Alaska für mich, nachdem ich zuvor in Girdwood mein Glück versucht hatte) war es immerhin bereits seine 4. Saison im 50. Bundesstaat der USA.

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Also zurück zu meiner ersten Big Line in Alaska, Berni am Drop-in neben mir. Wir (Matilda Rapaport, Lorraine Huber und ich) hatten uns die Lines von gegenüber angesehen. Am Vortag waren wir bereits über diese Zone (genannt FFAA) drüber geflogen, allerdings hatte die Konkurrenzheliskicompany, SEABA zu dem Zeitpunkt dort "geparkt", was soviel bedeutete wie: die Crew in diesem Heli hatte ein Auge auf diese Zone geworfen.
Doch als wir am Abend beim Rückflug zur Base von Alaska Heliskiing bei 33 Miles wieder vorbei flogen war die Zone unberührt, entgegen unseren Erwartungen war keine einzige Spur in dieser Area zu sehen. Die Crew hatte scheinbar andere Pläne gehabt.

Und wie es halt so ist, tauschen sich diverse Filmcrews und Heliskigäste und Guides am Abend in der berühmten Funny Farm in Haines, die Unterkunft und Meeting Point ist, aus. Kraini konnte es natürlich nicht lassen seine Verwunderung auszudrücken, dass noch niemand FFAA gefahren war und tat im gleichem Atemzug kund, dass er morgen mit "seinen girls" diese Zone in Angriff nehmen würde. Quasi Besitzanspruch meldend für uns. So läuft das nämlich. Für "seine girls" die 2013 Geschichte geschrieben haben in Haines Alaska - waren sie doch die "first-ever-all-femaleathletes" Crew mit einer der beiden Heliskiunternehmen vor Ort. EVER. Die Antwort eines anderen Guides kam prompt und deutlich: "Well, THIS (FFAA) is NOT a girls line!" ....

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Und da stand ich nun – an dieser not-a-girls-Line. Kraini hatte uns wohlweislich nicht von der Kommunikation informiert, sondern war ganz solide und zielstrebig mit uns in diese Zone geflogen, der Heli geparkt, Besitzanspruch für die Filmlines klar ersichtlich für alle anderen herumschwirrenden Crews (das kann in Haines nämlich manchmal ganz schön hektisch werden). Was ich sagte? "Das ist Lawinenstufe 7 von 5!" Ich sag genau – nichts, naja gut – ok – ich sah die ersten 50 Meter, dann rollte der Hang weg und alles was mir blieb war ein Foto und die Erinnerung an das "Face".. doch irgendwie war das ausgelöscht... wohin nur? Volle Hose? Definitiv!

Die Kunst ist nur, diese volle Hose vor dem Loszufahren auszuziehen, dann fährt es sich nicht nur rein physikalisch besser, sondern auch tatsächlich! Im Ernst: Respekt vor jeder Line ist wichtig – Herausforderungen können Höchstleistungen in uns auslösen, Überforderungen aber lähmen, und genau das ist es nicht was du braucht, wenn du eine AK Line fahren willst. Hochkonzentriert, aufmerksam, wachsam, demütig aber bereit. Bereit zu sein ist ganz wichtig. Bereit für Neues, bereit für die Herausforderung. Ich habs bei dieser einen Line geschafft die volle Hose auszuziehen – auch drei Jahre später eine meiner absoluten Lieblingslines in Haines und jene mit der Fotograf Patrik Orton ins Finale von Red Bull Illume gekommen ist. Auch Sven Kueenle, seineszeichen bereits 2008 zum ersten Mal in Haines Alaska hat so seine Erfahrungen mit Alaska gemacht und beschreibt sie ganz authentisch. Im Nachhinein gesehen hätte er wohl anfangs lieber die Hosen etwas voller gehabt. "Bereits meine allererste Filmline war mehr als der crazieste Rodeo meiner Karriere. Ohne wirklich zu wissen, was ich da machte, ließ ich mich am Berg absetzen. Sofort war ich "lost" und wusste nicht, wo meine Line verläuft und wo ich hin muss. Es dauerte lediglich bis zur zweiten Line, bis meine Arroganz und meine leichtsinnige Art mit dem Risiko umzugehen nahezu mein Leben kosteten. Ich sah die Jungs in den Filmen und wusste genau was ich machen werde, wenn ich nach AK komme, ich werde diese Lines fahren. Ich dachte ich nehme die Überholspur und lasse so einige Schritte aus und fahre dort, wo die Besten der Besten fahren."

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Mit dieser Einstellung schafft man es vielleicht an anderen Plätzen der Welt für eine Weile länger zumindest zu überleben, aber nicht in Alaska. "Und somit bezahlte ich diesen Preis teuer. Und zwar mit einem 400 Meter Absturz über Felsen und steilstes Gelände. In dem Moment, als die Wächte unter meinen Füßen wegbrach und mir der Teppich unter den Füßen weggezogen wurde, schloss ich mit meinem Leben ab. Ich wusste wo ich war und in diesem Moment wusste ich auch, dass ich nicht überleben würde. Nie zuvor hatte ich ein emotionales Erlebnis wie dieses. Da ich heute diese Worte schreiben kann, ist klar, dass ich überlebt habe, auf mir unbegreifliche Weise. Es war sogar so, dass ich 4 Wochen nach dem Unfall bereits wieder auf Skiern stand."

So schlimm dieser Augenblick war, so sehr überwiegt die Dankbarkeit für diese Erfahrung: "Von diesem Tag an veränderte sich mein Leben grundlegend. Es würde den Rahmen dieser Geschichte an dieser Stelle sprengen, aber ohne das Erlebnis in Alaska, wäre ich heute nicht der, der ich bin. Als ich letztes Jahr zum letzten Mal in Alaska war, durfte ich zudem erfahren, welchen Prozess ich absolviert hatte. Ich kam jetzt an diesen Ort zurück mit einer Einstellung, die grundlegend anders war. Aus dem arroganten Fratzen wurde ein respektvoller junger Mann und es war eines meiner schönsten Erfahrungen nun tatsächlich in der Lage zu sein, die anspruchsvollsten Lines fahren zu können und dies gewissenhaft und mit sehr großem Respekt zu tun. Für mich hat Alaska seither eine große Bedeutung. Es ist ein Ort, der mich nicht nur sportlich gefordert, sondern mein Sein grundlegend geprägt hat." Wir können keine Berge bezwingen und in Alaska kannst du erst recht nicht dem Berg deine Linie aufdrücken. Du musst demütig und dankbar dafür sein, welcher Spielplatz dir angeboten wird am jeweiligen Tag. Dass es manchmal einen Tritt in den Allerwertesten braucht durfte ich auch jedes Mal mindestens einmal erfahren – und dass es meist Berni (eigentlich Bernd aber die Amis haben tatsächlich ein Problem BERND auszusprechen, deswegen ist er eben der Berni, zumindest da drüben) war ist, auch kein Geheimnis. Ohne ihn hätten wir in den vergangenen Wintern definitiv nicht so tolle Lines in Alaska fahren können. a) weil wir sie nicht gefunden hätten und b) weil keiner der anderen Guides uns von Line oder Minute 1 eben auf diese Berge / Drop-offs hinauf gestellt hätte.

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Kraini hat uns Shades of Winter Athleten im ersten (Lorraine, Matilda und ich) und in den darauffolgenden Jahren (Janina Kuzma, Matilda und ich) verteidigt in allen GuideMeetings, war überzeugt davon was wir können (und was eventuell nicht), hat uns vertraut. Und dabei war es ihm egal ob Männlein oder Weiblein, ganz genau wie er auch bei der Premiere gesagt hat. Darum geht es nämlich nicht. Jeder sucht sich seine Herausforderung in Alaska, ganz genau wie überall sonst auch. Und da ist es tatsächlich nicht entscheidend, ob weiblich oder männlich. Alaska ist groß, weit, unbeschreiblich beeindruckend, großartig, wunderschön, gigantisch –da macht das männliche Auge keinen Unterschied zum weiblichen Pendant. Deswegen gibt es so was wie eine "girls line" oder "not-a girls" line für Kraini und für uns zum Glück nicht. Das haben wir bewiesen und somit den Weg für zum Glück viele nachfolgende Girls- Crews ein wenig geebnet, und für uns auch.

Letztendlich lieben wir alle Skifahren und das am liebsten mit weiten Hosen, obwohl – der Tom Leitner hat mit seinen skinny Pants Haines auch ganz schön gerockt... also kann man das so auch wieder nicht sagen... Egal – lassen wir das mal so stehen. Es ist etwas besonderes. Nicht nur für Girls. Genauso wenig wie eben auch Shades of Winter: Between nicht nur für Frauen ist – ich mein – ja, VOR der Kamera schon – aber HINTER der Kamera und für alle die den Film sehen wollen eben nicht.

Einen guten Winter uns allen, in nicht-vollen-Hosen.

INFOBOX:

SHADES OF WINTER.

• Flugmeilen: zu wenig um Senatorstatus zu erreichen :-)
• Shooting Locations: offiziell 7, inoffiziell mehr als 15
• Crew: 7 Athletinnen, 8 Ski- und Bergführer (der Kraini allein davon in AK, Schweden und in den Alpen), 11 Piloten, 14 Fotografen und noch viele mehr - neben DoP (director of photography) Mathias Bergmann waren zusätzlich noch 15 weitere Filmer für Bilder im Film verantwortlich
• Schnitt: 14 Wochen Schnitt in München; 85% der Tage im Schnitt, die Thomas Kohler (Film Editor) und Sandra gemeinsam im Schnittraum in München verbracht haben länger als 12 Stunden gedauert; 10% der Tage im Schnitt haben länger als 20h gedauert; 5% der Tage (Schichten) haben 36h gedauert
• ca. 36TB Footage wurde in den 2 Jahren gedreht
• die längste Anreise für den Dreh: Neuseeland
• die spontanste Reise: Skifahren auf Hawaii
• der meiste Schnee war in Kanada at Monashee Powder Snow Cats
• Email-Rekord auf einem Flug: 57
• die größte Crew waren wir in Abisko: 3 Athleten (Mancuso, Rapaport, Lahnsteiner), 2 Filmer (Bergmann, Ryden), 1 Dronenfilmer (Sjören), 2 Fotografen (Fredriksson, Hargin), 2 Guides (Palm, Krainbucher) plus Filmer & Soundguy eines Behind the Scenes Teams für ServusTV.

ONLINE.
Shades of Winter: Between ab 13. Dezember
2016 auf iTunes und anderen VOD Plattformen
www.shades-of-winter.com

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FOTOS von:
Patrick Orton
Justin Q. McCarty
Pally Learmond 

SKIER von:
Sven Kueenle
Matilda Rapaport




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