Bergstolz Issue No. 103

46 TRAUMBERUF HEL IGUI DE Bergstolz Ski & Bike Magazin • 01 | 2022 das an die hundert Powderfundays in etwa? Aber privat wirst du dann keine Lust mehr verspüren loszuziehen, oder?“ „Oh doch! Gerne eine Skitour oder auch der eine oder andere Pistenskitag in Whistler oder Kicking Horse. Somit komme ich auf etwa HUNDERTZWANZIG!“ „Es reicht, es reicht!“ winke ich ehrfürchtig ab. Bohre aber masochistisch weiter: „Im Ernst. Wie ist der Werdegang, um bis zu diesem Punkt zu kommen?“ Mit Unterstützung seiner Finger zählt er murmelnd auf: „Canadian Avalanche Association in Blue River (Wiegele Resort), Canadian Skiguide Association in Whistler. Canadian Ski Instructor in Sun Peaks. So was solltest du Intus haben. Natürlich fängst du nicht gleich als Guide vorne an der Spitze einer Gruppe an, sondern als sogenannter Tailguide.“ Also Schlussfahrer oder Besenfahrer wie der Volksmund sagen würde. „Und freilich ist es nicht erforderlich, sich an jedem Kicker mit einem Seventwenty rauszulassen. Ein Threesixty genügt vollkommen. Nein, nein“, winkt er sofort lachend ab. „Solche Leute sind hier gar nicht so gern gesehen. Viel wichtiger ist es neben dem alpinen Wissen ein guter, einfühlsamer Kamerad gegenüber den Gästen zu sein. Ja klar, manchmal auch ein Therapeut. Und natürlich verlangt die Koordination mit den Guides der anderen Gruppen und dem Hubschrauberpiloten einen wachen Geist. Wir sind ständig per Funk miteinander verbunden, um einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten.“ Die Gehaltsfrage umgeht der sympathische Kanadier mit der Antwort, er habe sich heuer gleich hier ums Eck ein Haus und einen Ford F 150 Pickup Truck gekauft. Seine Frau bekommt nämlich bald ein Baby. Da braucht es Platz. Nun gut. In den „grünen Monaten“ arbeitet er zusätzlich als Glaser auf Vancouver Island. Später erfahre ich, dass sein Boss oder Lead Guide, der gebürtige Neuseeländer Bill Mark, die Sommermonate rein zur Regeneration nutzt und die Seele baumeln lässt. Er ist einer der wenigen Ausländer im Team. Mittlerweile ist es nämlich schwierig, die Hürden bei der Immigration zu überwinden. Könnte ja jeder kommen. Mit einem „Ski Heil“ beenden wir schon am frühen Abend unsere Unterhaltung. Der Deutschstämmige kann ein wenig unsere Sprache und wendet diese hie und da an. „Morgen früh um acht Uhr fünfzehn am Landeplatz!“ ruft er noch abschließend. Ein Grüppchen von gut zehn Personen kniet tief gebückt im Schnee und hält sich den Ellbogen schützend vor Mund und Nase. Das Stampfen und Dröhnen wird lauter und der peitschende Schneesturm erbarmungsloser. Geschützt durch meine Goggle erkenne ich zwischen wirbelnden Schneekristallen schemenhaft einen roten Körper, der sich dem rüttelnden Ungetüm unerschrocken nähert. Schnell schließt dieser die Schiebetür, der Daumen geht nach oben und das Dröhnen wird unerträglich laut. Noch ein kurzes Schlagen und der Hubschrauber verschwindet flugs am Horizont. Ein kleines Schneefontänchen staubt von den Kufen zum Abschied am stahlblauen Horizont. Als der Schneewirbel sich legt entpuppt sich das Rot als der Anorak des Tailguides Emma. Ohne eine Sekunde zu verlieren, reicht sie jedem der Gäste die am Tag zuvor ausgewählten

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