18 NORWEGEN Bergstolz Ski & Bike Magazin • 06/2024 war ich auch an diesem Tag allein unterwegs und diesmal hielten meine Kanten nicht – ich rutschte die Flanke einfach hinunter. Glücklicherweise kam ich kurz darauf zum Stillstand und schaffte es sicher zurück zum Parkplatz, nachdem ich mich durch den Wald nach unten kämpfen musste. Ich war zu diesem Zeitpunkt natürlich überhaupt nicht happy, denn genau diese Situation wollte ich eigentlich vermeiden, als ich Røldal eine Woche zuvor verlassen hatte. Ich war nun fast am Ende meiner Reise und musste nur noch über einen weiteren Pass, bevor ich Hemsedal, mein letztes Ski-Ziel, erreichte. Auf den am meisten befahrenen Bergpässen in Norwegen gibt es Webcams, über die man die Bedingungen prüfen kann. Der Hemsedal-Pass ist einer davon, und als ich mich dem Fuße näherte, checkte ich online die aktuellen Bedingungen, die mir überhaupt nicht gefielen. Ein Teil von mir hoffte, dass der Pass gesperrt wäre, weil ich den Anstieg fürchtete, aber als ich all die Autos sah, die hoch- und runterfuhren, wusste ich, dass das nicht der Fall war. Es war ziemlich windig und es gab viele Schneefelder oben auf dem Pass hinunter nach Hemsedal. Mit starkem Verkehr, einer brutalen Steigung und schwierigen Bedingungen wurde mir alles auf einmal abverlangt. Ich ging in einen örtlichen Supermarkt, packte so viel Schokolade und Snacks ein, wie ich tragen konnte, und machte mich auf den Weg. Es war brutal, aber ich sagte mir einfach, dass ich die Beine in Bewegung halten musste. Irgendwann würde ich den Gipfel schon erreichen. Dies war eine der wenigen Male, in denen ich an mir zweifelte, aber am Ende wurde die Straße flacher und ich konnte mich für ein paar Minuten ausruhen, in dem Wissen, dass der harte Teil geschafft war. Jetzt musste ich nur noch heil nach Hemsedal hinunterkommen. Während ich nach Hemsedal hinunterfuhr, war die Straße größtenteils mit Schnee bedeckt, und starke Seitenwinde drückten gegen mein Fahrrad. In diesem Moment war ich mehr als nervös als ich mich dafür entschied, die Bremsen loszulassen, das Rad möglichst gerade zu halten und einfach hinunterzurollen. Kurz bevor ich die Stadt erreichte, geriet mein Vorderrad auf den Schotter am Straßenrand, ich verlor das Gleichgewicht und stürzte, was zu einem Platten am Vorderrad führte. Nach einem schnellen Reifenwechsel kam ich endlich in Hemsedal an, wo mich mein Freund Alex mit einem warmen Bett empfing. Genau das, was ich nach einem langen und anstrengenden Tag auf dem Rad dringend brauchte. Inzwischen war es Mai und ich hatte nur noch einen Skitag vor mir, bevor ich mein Fahrrad wieder Richtung Heimat lenkte. Ich musste nur noch einen Berg mit Schnee finden, den ich befahren konnte. Am Ende entschied ich mich für einen Klassiker in Hemsedal: den Svarthetta. Er schien die beste Option zu sein, und ich entschied mich, über die Ostflanke des Berges abzufahren. Normalerweise eine Flanke, die aufgrund der Lawinengefahr wirklich stabile Schneeverhältnisse braucht, aber der Schnee war inzwischen so vom warmen Wetter durch weicht, dass es nichts war, worüber ich mir besonders Sorgen machte. Ich lief den gleichen Weg zum Gipfel hinauf, den ich auch abfahren wollte, um mich diesmal nicht zu verirren. Das Wetter war an diesem Tag unvorhersehbar: Schlechte Sicht und ordentlicher Wind empfingen mich, als ich den Gipfel erreichte. Vielleicht nicht das Ende, das ich mir erhofft hatte, aber ich sammelte noch ein paar schöne Abfahrten und war nun fast auf der Zielgeraden. Der Ski-Teil war geschafft und ich begann entspannt in Richtung Oslo und Heimat zu rollen. Es waren noch zweihundert Kilometer bis nach Hause und es würde der längste Abschnitt auf dem Rad ohne große Zwischenstopps sein, aber es gab keine weiteren Anstiege. Es ging einfach leicht entlang der Hauptstraße Richtung Oslo. Zwei Tage später erreichte ich das Dach von Oslo, den Parkplatz meines HeimatSkigebiets, wo ich vor etwa 30 Jahren Skifahren gelernt hatte. Es fühlte sich an wie ein passender Abschluss und ein wirklich stolzer Moment, dass ich geschafft hatte, was ich mir 18 Tage zuvor vorgenommen hatte. Es war die Reise meines Lebens und etwas, das mich für immer begleiten wird.
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