22 1000 DAYS Bergstolz Ski & Bike Magazin • 07/2024 Höhen und Tiefen, Licht und Schatten, ungerade Linien – der Blick vom Gipfel erzählt einiges über den Weg, welchen wir dorthin zurücklegen müssen. Über die kleinen Glücksmomente, aber auch die großen Herausforderungen, denen wir dabei begegnen. Für manche wird der Weg dadurch unmöglich, für manche dauert er Jahre und manche benötigen dafür genau 1000 Tage. 1000 Tage. So lange ist es her, seitdem Chris Ebenbichler, passionierter Skifahrer und Trainer am Olympiazentrum Tirol, einen folgenschweren Unfall erlitt. Und nun steht er hier, erstmals wieder auf Skitour und auf einem „richtigen“ Gipfel. „So müssen sich meine SportlerInnen wohl bei einem großen Sieg fühlen“, beschreibt Chris das Erleben seines ganz eigenen Erfolgs. Auf Skitour zu sein – das Unmögliche möglich gemacht Am 21. März 2021 verändert sich Chris‘ Leben auf einer ganz normalen „Sonntagsskitour“, wie er sie nennt, jäh. Mit vollem Speed kracht er bei der Abfahrt gegen einen Baum. Und bricht sich dabei nicht nur seinen linken Unterschenkel. Er reißt sich jedes Band im Knie und erleidet massive Gewebeschäden, die schließlich zu Transplantationen führen. Auch in ihm selbst zerbricht in diesem Moment etwas. Der Mensch, der er mal war, ist von nun an nicht mehr existent. Was folgt, sind schwierige Zeiten. Über eine Woche lang lebt Chris in der Ungewissheit, ob sein Unterschenkel amputiert werden müsse. Schließlich behält er das Bein. Doch Skifahren, so sind sich seine ÄrztInnen einig, wird er von nun an nicht mehr können. Es vergehen Wochen des Grübelns, des Haderns und immer wieder die Frage nach dem „Warum“. Während auf Instagram FreundInnen und Bekannte weiterhin Bilder von Skitouren posten, liegt Chris im Krankenhaus – ausgebremst vom Schicksal. Ein Physiotherapeut erzählt ihm bei einer seiner Behandlungen beiläufig von seinem Skitourentag – ihm, der den ÄrztInnen zufolge nie wieder auf Ski stehen wird. Ihm, der als Dreijähriger, statt in den Kindergarten zu gehen, lieber den ganzen Tag am Berg beim Skifahren verbrachte. Ihm, für den die Berge „einfach alles“ bedeuten. Wenn er eines den ganzen Tag machen und davon leben könnte, so wäre es das Skifahren. Die Ruhe, die er dabei verspürt, ist nirgendwo sonst zu finden. Diese Ruhe im Kopf – die fehlt. Gerade jetzt, wo er sie am meisten braucht. In diesem Moment im Krankenhaus ist er zu 100 Prozent überzeugt, dass er nie wieder mit Ski auf einem Gipfel stehen wird. Stattdessen steht Chris an seinem ganz persönlichen Abgrund im Leben. Trotzdem gibt er nicht auf. Langsam beginnt er, seine Situation zu akzeptieren und seine Energie für die Rehabilitation einzusetzen. Für das Weiterkommen, nach vorne, Schritt für Schritt. Zunächst ins Ungewisse hinein. Doch mit den Fortschritten wächst auch die Zuversicht. All sein Wissen als diplomierter Sportwissenschaftler und die Erfahrung als Trainer helfen ihm in dieser Zeit. Text: Regina Mayer / Foto: Max DraegerM 1000 DAYS
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