Bergstolz Issue No. 133

Funk Tribu Text Anne Waak Foto Alex Patrican Eine eingängige Melodie in g-Moll, sich überlagernde flächige Klänge und der sphärische Gesang einer Frauenstimme: Als Funk Tribu im Oktober 2024 sein „Boiler Room“-Set mit dem Track „Azul“ eröffnet, gab es endgültig keinen Zweifel mehr: Trance ist zurück auf den Dancefloors dieser Welt. Boiler Room ist das weltweit einflussreichste Format für elektronische LiveMusik, dessen DJ-Sets im Livestream und als Aufzeichnung überall auf der Welt angeschaut werden. Das erste Stück eines jeden Sets setzt nicht nur den Ton für den Rest des Abends, es muss die Menge umstandslos zum Tanzen bringen. Genau das gelang Funk Tribu mit seinem eigenen Track „Azul“. Der 24-jährige Kolumbianer ist maßgeblich mitverantwortlich für das derzeitige Trance-Revival und hat in den vergangenen Jahren einen rasanten Aufstieg hingelegt. Italo Disco als Erweckung Aufgewachsen in einer Mittelschichtsfamilie in Bogotá, kam Eduardo José Montañez Sanchez das erste Mal im zarten Alter von elf Jahren in Kontakt mit elektronischer Musik. Sein Vater, damals Angestellter einer Bank, betrieb eine Zeit lang eine sogenannte Miniteca, einen kleinen Club, in dem er meist mit Freunden Musik auflegte. Funk Tribus früheste musikalische Erinnerung ist das Italo-­ Disco-Stück „How Old Are You“ von Miko Mission aus dem Jahr 1984. „Es ist superkitschig“, sagt er, „hatte aber einen bleibenden Einfluss auf mich. Das Stück hat eine starke Melodie – und für mich ist die Melodie in der Musik alles.“ Funk Tribu fing an, zu Hause mit Freunden aufzulegen: „Ich war neugierig, wie das funktioniert. Irgendwann wollte ich wissen, wie Musik gemacht wird.“ Mithilfe von YouTube-Videos brachte er sich das Produzieren bei, mit fünfzehn organisierte er mit Freunden erste Partys. Sobald er volljährig war, begann er, in den Clubs in Bogotá zu spielen. Der erste, in dem er jemals auflegte, war „Radio Berlín“ – bis heute einer der wichtigsten Clubs für elektronische Musik in der kolumbianischen Hauptstadt. Der Name scheint im Rückblick fast wie eine Prophezeiung. Im Jahr 2021 nämlich veröffentlichte Funk Tribu seinen Track „Phonky Tribu“ bei dem damals noch recht jungen Berliner Label Speedmaster Records. „Daraufhin riefen mehrere Major-Labels dort an“, erzählt er. Von Bogotá nach Berlin Das Interesse an dem damals gerade Zwanzigjährigen war groß. Das Label lud ihn ein, nach Berlin zu kommen, und nahm ihn unter Vertrag. Weil schnell deutlich wurde, dass die Stadt die bessere Basis für Funk Tribus beginnende internationale Karriere sein würde als Bogotá, brach er sein Sound-Ingenieurs-Studium ab und zog vor drei Jahren nach Deutschland. Heute gibt es kaum ein Wochenende, an dem er nicht in Amsterdam, New York City oder auf Ibiza spielt. Im Oktober 2024 erschien Funk Tribus Album „Against All Odds“, jüngst kehrte er nach Hause zurück, um die Gründung seines eigenen Labels „Tribe“ mit zwei ausverkauften Arena-Shows zu feiern. „Phonky Tribu“ wurde allein auf Spotify inzwischen nahezu 102 Millionen Mal gespielt. Funk Tribus Erfolg verdeutlicht, dass Trance zurück ist. In den späten 1980er- und frühen 1990er-Jahren entwickelte sich das Genre vor allem in Deutschland, den Niederlanden und Belgien aus Techno und House heraus. Typisch sind ein Viervierteltakt, ein mit bis zu 150 Beats pro Minute schnelles Tempo, fließende Arpeggios – also Töne eines Akkords, die nicht gleichzeitig, sondern nacheinander gespielt werden – und hypnotische Synthesizer-Melodien. Überhaupt: Melodien. Während dieses musikalische Element in den meisten anderen Genres elektronischer Musik eher keine Rolle spielt, ist es für Trance bestimmend – und macht es vergleichsweise zugänglich. Der Schlüssel liegt in der Melodie „Trance ist ein Genre, das große emotionale Macht besitzt“, sagt Funk Tribu. „Es kann dich glücklich machen oder zum Weinen bringen. Viele Leute suchen momentan eine tiefere Verbindung zu dem, was sie hören.“ Das Geheimnis dieser Verbindung liegt in der Melodie und dem Zusammenspiel von „Build“ und „Drop“. Die Melodie verleiht einem Track das Eingängige und Wiedererkennbare. „Mit einer Melodie kannst du so viel erzählen, ohne Worte zu benutzen“, so Funk Tribu. Der „Build“ bezeichnet die sich im Verlauf des Tracks aufbauende Spannung durch anziehende Percussion-Elemente, zunehmende Filter und eine ansteigende Tonhöhe, bevor sich schließlich alles im „Drop“ entlädt. Auf Anspannung folgt Entspannung. Und während es auf dem Dancefloor schon immer darum ging, tanzend in der Menge aufzugehen, erlaubt Trance zusätzlich diese nahezu körperlich spürbare Erfahrung. Es ist diese Formel, die Funk Tribu wie kein Zweiter beherrscht, und damit hat er dazu beigetragen, dass die Lebensfreude zurück auf dem Dancefloor ist. On point Geboren in Bogotá, Kolumbien; Alter 24; lebt in Berlin; bürgerlicher Name Eduardo José Montañez Sanchez; Spotify-Abrufe seines Hits „Phonky Tribu“: rund 102 Millionen; produziert seine Musik im Schlafzimmer; Name seines Hundes Teddy Play it like Funk: Anlässlich des globalen Gaming-Contests Red Bull Tetris produzierte Funk Tribu einen Song mit der Melodie des Nintendo-Klassikers. Erleb im Stream, wie von 11. bis 13. Dezember die besten Spieler das Weltfinale in Dubai ausspielen: redbull.com/tetris erobert aktuell die Tanzflächen der Welt. Hier erklärt der Trance-DJ, warum seine Songs große Emotionen freisetzen – und weshalb sich so viele Menschen danach sehnen. HEROES 20 THE RED BULLETIN

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