Bergstolz Issue No. 133

WINTER-SPECIAL auch dankbar: dafür, dass man dann irgendwann doch wieder gehen kann – und in meinem Fall sogar springen. Es heißt immer „Come back stronger“, wenn sich ein Sportler verletzt hat. Kann man durch eine Verletzung wirklich stärker werden? Ich glaube schon. Die positive Folge der Verletzung war, dass ich meinen Körper viel gründlicher verstanden habe, viel ganzheitlicher. Ich habe meine Reha hier im Red Bull Athlete Performance Center gemacht, neun Monate lang, mit demselben Physio, mit dem ich auch heute arbeite. Weil ich eh schon so viel hier war, habe ich auch gleich noch das Pflichtpraktikum meines BWL-Studiums im Zentrum erledigt. Ich bin ja Langzeitstudent. Es war also eine sehr lehrreiche Zeit. Der Austausch mit den anderen Athleten hat mir auch viel gebracht. Zum Beispiel? Es ist einfach faszinierend, zu sehen, wie hart andere an sich arbeiten, wie gut sie in ihren Sportarten und Disziplinen sind. Ich war ziemlich fasziniert von Sebastian Kienle, dem Ironman-Hawaii-Sieger von 2014. Sebastian hat mal gesagt, dass er niemanden mit einem besseren Last-KraftVerhältnis kennt als mich. Wir Springer sind leicht und müssen trotzdem kräftig abspringen. Ich habe ihm erwidert, dass ich seine Ausdauerleistungen viel krasser finde. Dennoch war der Weg zurück in die Spitze lang. Erst 2023 hast du wieder einen Weltcupsieg errungen. Das lag aber weniger an der Verletzung, sondern eher daran, dass ich meinen intuitiven Sprungstil verloren hatte. Ein Problem von mir in der Zeit waren eben Regeländerungen, an die ich mich anpassen musste. Nur wusste ich nicht, wie. In gewisser Weise habe ich auf der Schanze und in der Luft Dinge gemacht, die nicht zu mir gepasst haben. Ich war fremdbestimmt und musste erst zu meinem persönlichen Stil zurückfinden. Wie sieht der aus? Ich bin von der Anfahrtsposition und von der Absprungbewegung her recht aggressiv. Meine Flugparabel ist weniger Eine Saison voller Highlights wartet auf Andreas. Erster Höhepunkt ist die legendäre Vierschanzentournee während des Jahreswechsels. hoch, ich springe also weniger nach oben, sondern stärker nach vorne, wie ein Pfeil. Und ich komme nicht damit zurecht, wenn ich „zu viel Ski habe“, wenn also die Ski in der ersten Flugphase zu steil gestellt sind. Als junger Starter im Weltcup habe ich das alles richtig gemacht, ohne überhaupt drüber nachzudenken. In den Jahren nach der Verletzung musste ich es mir wieder erarbeiten. Und hast du jetzt diese jugendliche Leichtigkeit wieder zurück? Nein, das geht nicht. Man kann ja nicht alle Erfahrungen vergessen, die man im Leben gemacht hat. Man muss die Leichtigkeit eher auf einer anderen, bewussteren Ebene neu finden. Klingt kompliziert Ist es auch. Beim Skispringen spielt sich viel im Kopf ab. Bundestrainer Stefan Horngacher bezeichnet dich als „brutalen Denker“. Kann man auch zu viel denken? 42 THE RED BULLETIN

RkJQdWJsaXNoZXIy Mzk0ODY=