Bergstolz Issue No. 80

AOSTA Bergstolz Ski & Bike Magazin • 12 | 2018 43 Der Hubschrauber Landeplatz ist tatsächlich eine unscheinbare Lichtung im Wald. Einen Steinwurf von unserem Hotel entfernt. Kaum legen wir unser Gepäck ab, dür- fen wir es schon in den zurückgekehrten Riesenvogel verstauen. An einer der Kufen befindet sich ein Gitterkäfig. Der Gepäckträger für Skier und Stöcke. Die Rucksäcke kommen ins Cockpit. Aber nicht ohne das ABS- System zu sichern. Ein versehentli- ches öffnen gar während des Fluges könnte fatale Folgen haben. Im Nu schrauben wir uns aus dem Valgrisenche Tal empor und Sekunden später eröffnet sich ein gi- gantischer Blick auf die hochalpine Bergwelt der Westalpen. Jedes Augenpaar klebt auf den Gipfeln und versucht sie zu entziffern. Nicht weit von uns befindet sich zum Beispiel der Grand Combin und das Matterhorn dominiert wie immer die West- alpenkulisse. Jedoch wirklich interessant sind die leckeren unberührten Hänge mit cremigem Pulverschnee. Hie und da sind ein paar Skispuren zu erkennen. Auf meine Frage, ob das Tourengeher waren grinst Marco und erwidert: „Nein, die sind alle von uns!“ Darüber bin ich erfreut. Meine Angst, selbst Tourengeher, ständig auf verächtlich guckende „Artgenossen“ zu stoßen, ist somit unbegründet. Das Ressort ist noch so unberührt, dass man unter Umständen Wölfe und Bären anfindet. Eigentlich ist der Flug schon spannend genug. Aber bereits nach wenigen Minuten setzen die Kufen auf einem Grad ab. Schon springen wir Fünf, der Guide zuerst, aus der Kabine. Es geht Ruckzuck. Skier aus dem Korb und Gesicht nach unten auf die Knie. Das tut man gerne, da die Rotorblätter gefährlich nah über unseren Köpfen wirbeln und zudem einen partiellen Sturm erzeugen. Warum denke ich jetzt an meine Yogaübungen? Mit steifen Gliedern können wir uns schließlich vollends auf- richten. Der weiße Vogel ist schon wieder am Abflug. Ein Raumwunder ist so eine Kerosingondel nämlich nicht und die angeschnallten Rucksäcke machen ein sitzen nicht gerade bequemer. Eine kleine Schneefontäne wirbelt noch kurz hinter ihm im blauen Himmel hinterher und endlich ist es ruhig. Kein Lüftchen, kein Ton, soweit das Auge reicht: Natur. Die Bindungen schnappen nach sämtlichen Skischuhen. Nur beim Guide nicht. Ty- pisch Pinbindung halt. Während er versucht, mit den Schuhspitzen den Dorn zu treffen, erklärt er uns wie’s läuft. Er fährt zuerst, stoppt und winkt. Einzeln sollen wir folgen, um den Sicherheitsaspekt zu steigern. Die Schneedecke wird durch einen Skifahrer weniger belastet, als wenn alle zur gleichen Zeit fahren. Falls wirklich eine Lawine abgehen sollte, sind noch genügend Kameraden wohlauf, um den Verschüt- teten zu orten und auszugraben. Wir befinden uns übrigens auf der Ruitor Abfahrt. Was wohl jedem von uns ziemlich Wurst ist, da alle Hänge hier vielversprechend aussehen. Schon kippt er in die Falllinie, um nach vier oder fünf ausladenden Schwüngen gut hundert Höhenmeter unter uns zum Stehen zu kommen. Das Gelände ist moderat steil. Vielleicht 30 bis 35 Grad. Klar, er will ja erstmal checken mit was für Nasen äh, Skifahrern er es zu tun hat. Großzügig lassen wir den Nordlichtern den Vortritt. „Macht ja auch Sinn“ lästere ich zu Phil mit einem Grinsen. „Dann können wir fol- gen und ihnen hoch helfen, wenn sie stürzen“. Frank ist der Erste. Tja, was soll ich sagen? Macht der eigentlich was Anderes als Skifahren das ganze Jahr? Auch Jahn kommt gut zurecht. Ich schaue Philipp an ohne ein Wort zu sagen. „Hach ja“, winkt dieser ab. „Der geht doch das ganze Jahr Kiteboarden auf seiner Insel. Da hat er Skifahren auch gut drauf.“ Ohne zu antworten drücke ich meine Skispitzen in das Gefälle. Schnell beschleunige ich nach wenigen Metern, um nach ein paar herrlichen Schwüngen im Pulverschnee bei den Dreien unten anzukommen. Auch Philipp stößt zu uns. Flache Hände klatschen jubelnd in der Luft zusammen. Unser erster Run im italienischen Ski- paradies! Es folgen ein paar weitere genussvolle Abfahrten. Jedoch schon am frühen Nachmittag pfeift uns Marco zurück ins Hotel. Der Schnee würde zu weich werden. Meine Sorge, dass durch den strahlenden Sonnentag über Nacht eine fiese Bruch-

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