Bergstolz Issue No. 117

44 RIDERPROFILE Bergstolz Ski & Bike Magazin • 07 |2023 „Mein Bruder und ich wurden schon recht früh von unseren Eltern auf die ersten Skitouren mitgenommen.“ Bis zu ihrem 17. Lebensjahr war Flurina aber eher auf der Piste unterwegs und übernahm schon die ersten Stunden in einer regionalen Skischule. „Ab 17 begannen wir zunächst neben dem Lift, dann auch weiter davon entfernt, über jeden Felsen zu springen.“ Neben dem Studium shreddet Flurina große Big Mountain Lines zusammen mit ihrem Bruder. „Als die erste große Lernphase im Bachelor anstand, verbrachte ich mehrere Monate in Disentis und "lernte“, sprich Skifahren, bis 12:00 Uhr und danach lernen bis spät in die Nacht. In dieser Zeit hatte ich wahnsinniges Glück, dass mich ein wenig ältere, erfahrenere Freerider mitnahmen, zu denen wir früher immer aufschauten. Für mich war das ein Riesenprivileg und ich konnte viel von ihnen lernen, auch bezüglich Risikomanagement und natürlich Senden.“ Irgendwann entschloss sich Flurina bei Contests mitzumachen und ergatterte die ein oder andere Trophäe. Kurz vor Corona beendete sie allerdings ihre Contest-Karriere und konzentriert sich seitdem auf Big Mountain and Steep Skiing. „Zurückblickend war dies super, um gleichgesinnte Leute kennen zu lernen und den Berg lesen zu lernen, um die beste Line auszuwählen und sich dann auch im Hang orientieren zu können. Wenn man nicht langfristig das Ziel verfolgt, sich für die Freeride World Tour zu qualifizieren, ist die Qualifier Tour nach einigen Saisons relativ teuer und viel Herumgereise für wenig Skifahren.“ Parallel zu den Contests hat Flurina gemeinsam mit ihrem Bruder Andri an ihren ersten Filmprojekten gearbeitet. Am Anfang waren die Aufnahmen „noch recht Amateur massig“, doch ihre Filme wurden dank dem Kauf einer Drohne professioneller und ihre Skills im Backcountry besser und die ersten professionelle Shooting Anfragen trudelten ein. Zum Beispiel in Andermatt mit dem ehemaligen schwedischen Skilangläufer Mathias Fredriksson, der neben seinem Gesamtweltcup-Sieg 2002/03 vier Weltmeisterschaftsmedaillen gewann. „Diese Welt des Skisports gefällt mir sehr: Der kreative Prozess, gemeinsam mit Filmer oder Fotografen den perfekten Shot zu erreichen und wenn nötig dafür 5-mal den ähnlichen Spot hochzuhiken. Ein angenehmer Nebeneffekt sind abgedruckte Bilder in Magazinen als Erinnerung. Nach den Competitions kam auch unser erstes Professionelleres Filmprojekt "Moinsa" welches ein guter Freund von uns, Remo Thommen filmte und mit dem wir es 2021 zum If3 Filmfestival schafften.“ Mittlerweile war die junge Schweizerin mit ihrem Master und der Zusatzausbildung zur Lehrerin im Bereich Wirtschaft und Recht fertig und nahm sich einen Winter Zeit, um sich komplett aufs Skifahren zu konzentrieren und ihre Skills weiter auszubauen. Ihre Berufswahl beschreibt sie als „gute Option für viel Ferien und Flexibilität später irgendwann.” In Engelberg lernte sie dann 2020/21 Henry Tof kennen und bald trafen sie sich regelmäßig in der Region Disentis/ Andermatt für die ersten Couloirs und steile Nordfaces. „Er eröffnete eine noch neue Dimension des Skifahrens für mich - möglichst schnell und flüssig steile Faces zu fahren und solche Hänge überhaupt erst zu erreichen, durch klettern/abseilen und Sluff Management. Durch ihn kam ich auch in Kontakt mit Armada, meinem jetzigen Sponsor.“ Das Ende der Saison 2021 ging für Flurina leider nicht so glimpflich aus. Durch einen unglücklichen Sturz auf einen Stein brach sie sich ihren Oberschenkel. „Die Heilung dauerte sehr lange und auch in der darauffolgenden Saison musste ich immer noch angepasst fahren und konnte nicht voll Gas geben. Das absolute Highlight dieser Saison war aber der zweiwöchige Armada Trip auf die Lofoten, um den neuen Skitourenski "Locator" zu shooten. Insgesamt blicke ich aber positiv auf die Verletzung zurück - sie erlaubte es mir, ein positives Mindset auch trotz vieler Setbacks durchzusetzen, gezielt zu trainieren und auch in kleinen Dingen das Positive zu sehen und vor allem Geduld.“ Doch so sehr Flurina das Skifahren auch liebt und nicht ohne es leben könnte, wurde ihr klar, dass ihr etwas neben dem Sport fehlen würde nach dem Studium. „Nun fühle ich mich privilegiert, einen spannenden Job gefunden zu haben, der doch einiges an Flexibilität zum Skifahren bietet. Wenn man "Weekend Warrior" wird ist es zunächst hart, nicht mehr so viel draußen zu sein wie während dem Studium. Auch das Einschätzen der Bedingungen am Berg wird schwerer. Ist man konstant draußen unterwegs, hat man den Aufbau und Veränderung der Schneedecke mitverfolgt. Ist man Mo bis Fr im Büro, kann sich einiges verändert haben. Obwohl man sich gerne ins nächste Abenteuer, in den nächsten steilen Hang stürzen würde, lernt man sich in Geduld zu üben und sich Zeit zu nehmen, die Bedingungen einzuschätzen und erst dann die Hänge zu fahren, wenn die Bedingungen wirklich passen - auch wenn das heißt, dass man einige Wochen warten muss.“ Die Schweizerin erklimmt auch gerne immer weiter und höhere Gipfel aus eigener Muskelkraft, um am Wochenende guten Schnee und coole, stabile Faces zu ergattern. „Insgesamt ist es mein Ziel, Lines zu fahren, wo nicht jeder hinkommt. Diese Saison werden wir ein Video produzieren, welches die wilde Seite der Alpen zeigt, und spektakuläre Lines zu hiken. Eine andere Option wären die Pyrenäen, je nach Bedingungen. Sofern die Bedingungen passen, geht es Ende Winter noch nach Norwegen. Langfristig ist mein Ziel, mit einer Gruppe Freunden einmal Alaska zu erleben, mit Gear Drop auf einen Gletscher und danach verschiedenen Missions rund ums Basecamp herum. Auch Südamerika bleibt ein Traum. Wobei wir in den Alpen ja schon das goldige Los gezogen haben - irgendwo finden sich immer gute Conditions durch die unterschiedlichen Wetterlagen.“ Alter: 28 Homespot: Disentis, Schweiz Beruf: Business Consultant focusing on customer centric Innovation Sponsoren: Armada Skis, Scott Sport, Disentis Bergbahnen, Tecnica Highlights: Armada Locator Trip nach Norwegen ENGADINSNOW Invitational Podiums in FWQ Film Screenings an Freeride Film Festival Stopps und if3, European skier of the year Nominierung Flurina BIEGER „Genauso wie im Job ist es am Berg mein Ziel, etwas Cooles mit Sinn zu machen." Fotos: Daniel Ronnback Foto: Daniel Ronnback @flurinaskis

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