20 I SLAND Bergstolz Ski & Bike Magazin • 08/2024 Pierre, unser erfahrener Svalbard-Dinosaurier, der schon über zehn Expeditionen in dieser Region hinter sich hat, bringt es auf den Punkt: „I hate that fucking rifle! You always have to carry it – but you never need it!“ Nach den zwei Tagen Eiszwangpausen genießen wir heute einen langen Skitag mit mehreren herrlichen Abfahrten. Der nächste Tag begrüßt uns mit trüben, windigen Wetterverhältnissen. Tiefhängende Wolken und kräftiger Wind machen unsere geplante Tour unmöglich – also ist einmal mehr Improvisationsgeschick gefragt. Doch eine Alternative ist schnell gefunden: Heute wagen wir uns in den wilden Gletscherbruch des Esmarch-Breen und durchqueren ihn von West nach Ost. Während wir uns vorsichtig durch die zerklüftete Eislandschaft bewegen, wird der Einfluss des Klimawandels spürbar. Besonders hier, wo die Erwärmung 6-mal höher ausfällt wie auf dem restlichen Planeten, sind die Gletscher spürbar betroffen. Spitzbergen beherbergt zwar noch rund 34.000 Quadratkilometer Gletscherfläche, was etwa 6 % der globalen Gletscherfläche ausmacht, doch diese faszinierenden Eismassen schrumpfen auch in dieser entlegenen Region unaufhaltsam dahin. Am letzten Tag unserer Reise hat der Wettergott ein Einsehen mit uns. Über Nacht sind 20 cm frischer Pulverschnee gefallen, und die Sonne blitzt ab und zu hinter den Wolken hervor – ein perfekter Abschluss. Nach einem herzhaften Frühstück wechseln wir noch schnell hinüber in die Trygghamna-Bucht. Schon bei unserer Ankunft fällt auf, dass wir nicht die Einzigen sind, die den Wetterbericht verstanden haben: In der Bucht ankern noch drei weitere Boote. Doch wir haben die fittesten Gäste an Bord, und so ziehen wir bald eine einsame Spur durch die frisch verschneite Szenerie, hinauf in Richtung Protektorfjellet. Die Sonne verstärkt das Funkeln des frischen Schnees und verleiht der Landschaft etwas Magisches. Oben angekommen, genießen wir eine herrliche Abfahrt im unberührten Pulver. Auf halber Höhe fellen wir noch einmal auf und nehmen einen benachbarten Gipfel ins Visier. Hier werden wir mit einem atemberaubenden Ausblick belohnt – hinunter auf den Fjord und weit hinaus in die Barentssee. Es ist ein Moment voller Zufriedenheit und Staunen über die wilde, ungezähmte Schönheit Spitzbergens, die wir hier erleben dürfen. Dass es den Eisbären rund um Spitzbergen wohl doch gibt, sehen wir an eindeutigen Bärentatzen auf einer Eisscholle kurz bevor wir wieder sicher im Hafen von Longyear-byen einlaufen. Wieder keinen Bären live gesehen - macht nix. Wir kommen wieder und dann wird es klappen. I N F O BOX Ulrich „Ulli“ Steiner Dr. med. Ulrich „Ulli“ Steiner ist Notfallmediziner in der Flugrettung und Facharzt für Anästhesie. Als staatlich geprüfter Berg- und Skiführer sowie Mitinhaber der Bergschule steile:welt verbindet er seine Leidenschaft für Medizin und Berge. Zusätzlich ist er Kursleiter für Berg- und Expeditionsme-dizin und Experte für den medizinischen Teil der Bergführerprüfungen. Sein Lebensmotto: „Intensiv und dankbarer - Leben jeden Tag.“ @steilewelt Ich packe meinen Koffer: • Neben einer bärentauglichen Büchse z.B. 300 Win Mag habe ich folgendes Material für Skitouren in Svalbard am Start: • ZAG UBAC 95 mit ATK - Bindung ATK Crest 10 und Harscheisen für alle Schneearten. • Scarpa F1 XT - leicht und trotzdem stabil. • Lawinennotfallausrüstung von Pieps (Pro IPS, Shovel C720 und I-Probe) für den Fall der Fälle. • Skibrille von Julbo Quickshift reactiv für den richtigen Durchblick im Sturm. • Patagonia DAS-Parka zum Überleben, wenn ungeplant biwakiert werden muss. • Petzl Gletscher-Rettungsset mit RAD Line ANREISE: Svalbard ist mit dem Schiff und aus der Luft erreichbar. Es gibt zur Saison Linienflüge mit Lufthansa/SAS ab München über Oslo nach Longyearbyen.
RkJQdWJsaXNoZXIy Mzk0ODY=