Bergstolz Issue No. 112

18 SÜDINDIEN Bergstolz Ski & Bike Magazin • 02 |2023 CÉDRIC TASSAN, Mountainbike-Abenteurer, reist um die ganze Welt und ist auch für extreme Soloabenteuer bekannt. Cédric ist auch ein Filmregisseur. Insta @cedrictassan83 ANREISE: Mit dem Flugzeug, Landung in Kerala am Flughafen Cochin. Obligatorisches Visum für Indien, das online beantragt werden kann. REISEFÜHRER: Wir empfehlen Mike! Mike kennt Indien gut, seine Reisen sind gut konzipiert und bieten guten Komfort. Wir hatten keinen einzigen Zwischenfall zu beklagen. www.mountainbikekerala.com ZU SEHEN / ZU TUN: Wer nach Kerala kommt, muss eine Teefabrik besuchen. In Kuttikkanam, neben Mikes Lieblingslodge, gibt es einen Betrieb zu besichtigen. Sehr interessant. Die Begegnung mit wilden Tieren wie Elefanten sollte im Nationalpark gesucht werden, um sicher zu sein, sie zu sehen. Aber Vorsicht, an der Biegung eines Weges kann man sehr wohl auch zufällig auf einen Dickhäuter treffen! BUDGET: Das teuerste bleibt das Flugzeug. Vor Ort ist das Leben nicht teuer, Essen kostet nur eine Handvoll Euro. Dazu kommen dann noch Kosten für Unterkunft und Guide. CHARITY: Während dieser Reise wollte ich der lokalen Bevölkerung helfen, die wir bei unseren Ausflügen rund um Kuttikkanam kennengelernt haben. Mike und Khila gründeten die Green Frog India Foundation, eine Wohltätigkeitsorganisation, die Dorfkindern durch die Bereitstellung von Sportgeräten und den Bau von Bibliotheken zu einer gesunden Entwicklung verhilft. http://greenfrogindiafoundation.org I N F O BOX Es geht mehr als eine Stunde ausschließlich bergab. Der Trail ist felsig, technisch, mit Spines gespickt. Unten kommen wir an einem märchenhaften Wasserfall heraus, der von den Felswänden herabstürzt. Wir klettern durch den Urwald, um eine Steinplatte zu erreichen, die über den Wasserfall hinausragt. Ich kann nicht widerstehen, ich muss einfach runterrollen! Sie ist nicht besonders steil, aber lang. Und das letzte Stück stürzt praktisch direkt in ein Bassin. Es gibt keinen Notausstieg - wenn ich zu schnell bin, dann folgt zwangsläufig der große Sturz. Ich konzentriere mich, dosier meine Geschwindigkeit. Der Grip ist super, nur an den Stellen, an denen das Wasser den Stein überspült, ist es etwas kniffliger. Ich löse die Bremse ein wenig, während die Felskante näherkommt. Ich orientiere mich am Wasserbassin, bremse konstant und vor allem ohne das Hinterrad zu blockieren, und trotzdem nehme ich rasant Tempo auf. Der Puls steigt, das Adrenalin rauscht durch meinen Körper. Wenige Zentimeter vor dem Wasserfall halte ich an. Rush hour in meinen Adern! Wir beenden unseren Downhill und erreichen schließlich unser Ziel für den Tag. Es fühlt sich an, als ob wir durch Raum und Zeit geflogen wären: Wir befinden uns nicht mehr länger in Kerala, der reichsten Region Indiens, sondern in Tamil Nadu, einem wesentlich ärmeren Bundesstaat. Die Häuser sind nur kaputte Hütten, überall stapelt sich Müll, die Kinder spielen auf dem Boden, die Abflüsse werden als Kanalisation genutzt. Wir verwöhnte Europäer haben so etwas noch nie gesehen, fühlen uns beinahe ins Mittelalter versetzt. Trotzdem schaut uns die Bevölkerung immer noch gleich an, überrascht, aber freundlich. Wir kehren nach Munnar zurück und versuchen, bei Sonnenuntergang eine letzte Runde zu drehen, um Elefanten zu sehen. Wir entdecken ein wunderschönes Tal, in das sich ein paar Häuser schmiegen. Es fühlt sich ziemlich gut an. Wir fahren bis in die Nacht, ohne Tiere zu sehen. Am Ende sitzen wir am Feuer und tauschen uns mit den Einheimischen aus. Letzter Tag in Indien und was für ein Tag! Der schönste. Wir verlassen Munnar um 7:30 Uhr, um ins Silent Valley zu fahren, eine der schönsten Landschaften, die wir in Kerala gesehen haben. Nach fast zweieinhalb Stunden Uphill erreichen wir eine Höhe von 2.200 Metern. Wir tragen unsere Fahrräder noch weitere 400 Höhenmeter bis auf 2.600 Meter. Dort oben ist die Aussicht unglaublich. Im Norden strömt der feuchte Nebel den Bergrücken hinunter. In dieser alpinen Atmosphäre nehmen wir den letzten Tag unserer Radtour in Angriff. Wir sind verloren, weit weg von allem, zwischen Almwiesen, Flüssen, Wasserfällen, Riesenrhododendren und Eukalyptuswäldern. Das ist unsere letzte Erinnerung an Kerala. Auf unserer Rückreise sind wir uns schnell einig, dass Kerala ein außergewöhnliches menschliches Abenteuer war – und das Fahrrad beinahe zweitrangig…

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