Bergstolz Issue No. 44 - page 43

EISSEE
BERGSTOLZ Ski Magazin Dezember 2013 | Seite 43
Was für ein Erlebnis, sich nach so einer schneidig kalten Nacht in aller Herrgottsfrüh aus dem
mollig warmen Schlafsack zu quälen. Doch die Entschädigung folgte, als man den
Reißverschluss des Zeltes aufmachte, einem die schneebedeckten Berge ins Gesicht lachten
und man wusste, dass noch der ganze Tag vor einem lag. Mit den ersten Sonnenstrahlen saßen
wir alle gemeinsam bei einem heißen Kaffee aus unserer Espressomaschine mit dem Luxus von
einem Schuss frischer Milch. Währenddessen schmiedeten wir den Plan für den ersten
Tourentag. Mit unseren eigenen Augen sahen wir, was für unerschöpfliche Möglichkeiten die
Berge vor unserer Nase boten. Mit einer topographischen Karte gingen wir gemeinsam ans
Werk um abzusprechen, was wir heute fahren wollten. Unsere erste Tour führte uns zuerst in
südlicher Richtung eine steile 400 hm Flanke hinauf. Die anschließende sehr lange und dank
guter Lawinensituation begehbare Querung weiter zu den Eisseen. Die Abfahrt zog sich in
westlicher Richtung entlang des steilen Felsabbruchs, welcher mit seinen mächtigen
Wasserfällen schon vom Camp aus stark beeindruckte. Die steilen Traumhänge unterhalb des
imposanten Massivs des Großen Wilden Richtung Basislager, waren das Paradies schlechthin.
Die Erfahrungen des Tages noch immer in den Köpfen, hieß es jetzt wieder ran an die Arbeit.
Hier oben reduziert sich alles auf das Lebensnotwendigste. Wasser für den Abend herbeischaf-
fen, benutzte Kleidung so gut es geht trocken bekommen und Essen zubereiten. Es war sehr
schön zu sehen, mit wie wenig wir so zufrieden waren. Kein Handy, kein Internet, kein Licht
einer Stadt.
Als wir am zweiten Morgen Jojos Stimme hörten: ,,Ihr könnt alle liegenbleiben, es hat Nebel!“,
schwankte die Stimmung. Sollten wir raus und demWetter trotzen, oder ausschlafen, ohne das
Gefühl zu haben etwas zu verpassen? Der Wettergott nahm uns diese Entscheidung sehr
schnell ab. Ehe wir weiterschlafen konnten, drückten die Sonnenstrahlen den Nebel aus dem
Tal und Jojos Weckruf hallte durch unser Camp. Nach einer gefühlten Viertelstunde war dann
doch der größere Teil der Gruppe vor dem Zelt zu sehen, um gemeinsam das Frühstück her-
zurichten. Kaffee aufsetzen, Haferbrei zubereiten und alle Tagesrucksäcke zu packen. Zu guter
Letzt überreichte man sich noch kollegial die Lawinenschaufel für den täglichen Ausflug auf
unsere Panorama-Toilette mit Blick auf das Rauheck. Dieser Gipfel war das Tagesziel. Es lag ein
langer und sehr anstrengender Vormittag vor uns. Der Aufstieg führte uns an den Eisseen vor-
bei, weiter über einen steilen Nord-Ost Hang hinauf zum Seichereck, dem Grad folgend
Richtung Süden bis zum Gipfel. Yeah! Was für eine Aussicht von hier oben, man sieht über die
ganzen Allgäuer und Lechtaler Alpen. Dieses Gipfelerlebnis in absoluter Ruhe mit guten
Freunden zu teilen, ist jede Anstrengung wert. Sehr oft ist die große Gipfelwechte am Rauheck
problematisch. Denn die darunterliegenden Nordhänge verlangen eine äußerst sichere
Lawinensituation. Die konstante Setzung der Schneedecke in den letzten Tagen ermöglichte
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