bergstolz

IALAKHA - Mit Skiern durchs georgische Kaukasusgebirge


// Foto & Text: Sammy Theurer

Der Wecker klingelt. Viel zu früh für meinen Geschmack. Ich bin müde und mir ist kalt, die erste Nacht im Zelt war wirklich beschissen. Trotzdem beschließe ich, mich zusammenzureißen und strecke den Kopf aus dem Zelt. Die Größe und Dimension dieses Orts lässt sich kaum in Worte fassen. Wir befinden uns auf einem Bergrücken auf knapp 3000 Höhenmetern. Bisher konnte ich mir nur vorstellen, was es heißt, umgeben von den gigantischen Berggipfeln des georgischen Kaukasus aufzuwachen. Um uns herum herrscht Stille. Lediglich ein leichter Windhauch erzeugt ein leises Geräusch, während die ersten Sonnenstrahlen die umliegenden Berge in ein rosarotes Licht tauchen. Was uns an diesen Ort gebracht hat?

Die Antwort auf diese Frage streckt in Form von Helis Lockenmähne just in diesem Moment ihren Kopf aus dem Zelt. Er ist die treibende Kraft hinter unserer Mission - eine Skitraverse durch einen Teil des georgischen Kaukasus.

Eva colored 23

Unsere Reiseroute hangelt sich an einer Reihe von Bergen mit potenziellen Abfahrten entlang. Die meisten von ihnen sind nach unserer Kenntnis bisher noch unbefahren. Kein Wunder, denn wir befinden uns in einer der abgelegensten Regionen Georgiens. In der Region Racha.
Von Ghebi – dem letzten bewohnten Ort in der Region – sind wir vor drei Tagen Richtung Ushguli – unserem Zielort in der Region Svaneti - aufgebrochen. Wegen des milden Winters zuerst mit Pferden, mit immer tiefer werdendem Schnee schließlich zu Fuß. Was uns erwarten würde, wusste zu dem Zeitpunkt noch keiner. Klar war nur: Nach den ersten Kilometern werden wir keinen Empfang mehr haben und auf uns allein gestellt sein. Für die nächsten 6-10 Tage.
Während ich meinen Blick über die Landschaft schweifen lasse, strecken auch die restlichen Mitglieder der Gruppe die Köpfe aus ihren Zelten. Levi und Eva verbringen die gesamte Wintersaison in Georgien und das schon seit mehreren Jahren. Heli und die zwei kennen sich aus dem Skigebiet Gudauri. Zura hat Heli – wie in Georgien nicht unüblich – in einer Bar kennengelernt. Er ist in der Region Svanetien aufgewachsen und schon sein ganzes Leben im georgischen Kaukasus unterwegs.
Damit bleiben noch Yessica und ich. Wir beide waren noch nie in Georgien und sind ebenfalls über Heli zu diesem Vorhaben dazugestoßen. Als mich Heli im Sommer 2022 fragte, ob ich nicht Lust hätte mitzukommen, war ich direkt hooked und motiviert, einen Film darüber zu drehen. Ohne genau zu wissen, auf was ich mich da einlasse.
Denn während wir alle uns mit den Ungewissheiten einer solchen Expedition zurechtfinden müssen, habe ich nebenbei als Filmer das Privileg, alle Eindrücke, Gefühlslagen und besondere Momente auf Kamera festhalten zu dürfen. Auch wenn ich nach den 1000 hm gestern am Zweifeln bin, ob sich das noch ein Privileg nennen lässt - ich merke die Kameraausrüstung in meinem Rucksack mehr als deutlich, auch wenn ich schon einen Großteil davon an die anderen verteilt habe. An dieser Stelle hilft es vielleicht, kurz klarzustellen: Wir sind alle keine Profisportler. Dementsprechend ist es für uns auch nicht selbstverständlich, einfach mal eine 10-Tägige Skitraverse durch die abgelegensten Ecken des georgischen Kaukasus zu versuchen. Alles, was wir hier probieren, ist für uns absolutes Neuland und eine Lernerfahrung. Mit allen Sonnen- und Schattenseiten. Auch habe ich noch nie einen gesamten Dokumentarfilm allein gefilmt und produziert.

IALAKHA Interview EOFT Freiburg 4

Inzwischen stehen alle auf dem Hügel neben unserem Zelt und schauen der Sonne zu, die als orange-roter Ball über den weißen Gipfeln erscheint. Sogar die Hunde sind für einen kurzen Moment ruhig. Richtig: Zwei Straßenhunde aus dem Dorf folgen uns seit Beginn unserer Durchschreitung und machen bisher keine Anstalten, umzudrehen. Dass sich Straßenhunde auf Skitouren anschließen, ist hier in der Region keine Besonderheit. Und doch sorgen wir uns ein bisschen um die beiden, da wir sie nicht füttern können und noch ein paar Tage vor uns haben.

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Für heute ist unser Ziel die Nordwestwand des „Lukhunistsveri“ – der Berg auf dessen Rücken wir heute Nacht geschlafen haben. Eine 500 hm hohe Wand bestehend aus Spines soweit das Auge reicht. „Spines“ sind Bergrücken, welche sich vom Gipfel Richtung Talboden immer weiter verästeln und so ein Labyrinth aus fahrbaren Linien bilden. Wenn die Bedingungen passen, hält der Schnee auf ihnen und schafft einzigartige Formationen zum Abfahren. Doch mit unseren 35 kg schweren Rucksäcken macht des weder Spaß, noch ist es sicher. Also müssen wir die Rucksäcke erst einmal ins Tal bringen, bevor wir wieder mit leichterem Gepäck aufsteigen und die Hänge genießen können.
Gar nicht so einfach, eine relativ flache Line zu finden, die wir – beladen wie die Packesel – runterkommen. Nach ein wenig Aufstieg finden wir einen geeigneten Rücken, welcher sich bis in Tal zieht. Über ihn rutschen wir langsam, aber stetig Richtung Rucksack-Depot. Unten angekommen, ziehen wir unsere leichten Lawinenrucksäcke auf, packen das Nötigste ein und Fellen wieder auf. Ein surreales Gefühl.
Das erste Mal seit drei Tagen habe ich das Gefühl etwas zu tun, was ich kenne und in dem ich mich sicher fühle. Routinen stellen sich ein, von welchen ich mir bis zuletzt nicht mehr sicher war, ob ich sie auf der Tour überhaupt noch erleben werde. Nach zwei Tagen Laufen und uns Quälen mit den schweren Rucksäcken fliegen wir jetzt förmlich den Berg hinauf. Vor uns eine schneebedeckte Wand, die perfekter nicht sein könnte.
Unsere Blicke wandern über das Face. Versuchen herauszufinden, was fahrbar ist und was nicht. Hier draußen bestimmt nicht nur unser Fahrkönnen die Line-Auswahl, sondern auch die Lawinenlage. Klar, so wie auch in den Alpen. Einziger Haken: Einen Lawinenlagebericht gibt es in Georgien nicht. Hier müssen wir also selbst einschätzen, was sicher zu fahren ist und was nicht. Und im Zweifelsfall uns für die sichere Option entscheiden.

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Denn ein Unfall oder eine Verschüttung hier draußen wäre fatal. Eine offizielle Rettungs-Institution gibt es hier nicht. Zwar haben wir den Kontakt von einem privaten Heli-Unternehmen, doch auch da wäre alles andere als gesichert, dass wir rechtzeitig Hilfe bekommen würden. Dazu können wir nur über unsere Satellitentelefone kommunizieren. Alles Optionen, auf die wir besser nicht zählen sollten. Inzwischen sind wir am letzten steilen Stück unseres Aufstiegs angekommen. Ab hier müssen die Skier auf den Rucksack und es geht zu Fuß weiter. Oben angekommen wird mir einmal mehr die Dimension dieses Ortes und der Wand, welche vor uns liegt, bewusst. Viel Zeit zum Überlegen bleibt jedoch nicht. Es ist schon Mittag und die Sonne wirft die ersten Strahlen in die Wand. Wenn wir noch etwas von dem bisschen frischen Pulverschnee abbekommen wollen, sollten wir schnell abfahren. Ah Moment…und natürlich auf mich als Filmer warten. Schließlich drehen wir ja auch immer noch einen Film. Für die nächsten drei Stunden hoffe ich einfach, dass ich alle Abfahrten mit der Drohne und meiner Kamera parallel eingefangen bekomme. Die Runs sind für heute die einzigen, die wir bekommen werden.

 




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