Bergstolz Issue No. 44 - page 29

ARLBERG
BERGSTOLZ Ski Magazin Dezember 2013 | Seite 29
Es war einer dieser Tage, die man als Freerider nicht oft erlebt. Den ersten April 2013 verbrachte ich,
wie so viele Tage zuvor und hoffentlich auch viele, die noch kommen werden, dort wo ich am lieb-
sten meine Zeit verbringe, dort wo ich mich nicht erklären muss, weil so vieles selbstverständlich ist
- am Berg. Irgendwo auf einem Nebenkriegsschauplatz der berühmten Skirouten am Arlberg.
Eigentlich gar nicht so weit draußen wie man es auf den ersten Blick vermuten würde. Für jene, die
ihren Blick jedoch nicht von den Spuren des Vordermanns lösen können, für jene, die ein Zöpferl nach
dem anderen in die weiten Hänge zaubern, ist es zu weit entfernt von den traditionellen Routen und
so ist man den ganzen lieben langen Tag ungestört. Ihr lest richtig, man kann am Arlberg einen Tag
verbringen, wie es diesen wohl kein zweites Mal geben wird, ohne Zuschauer, Spurenfahrer und
Zwischenrufer. Man benötigt lediglich ein klein wenig Erfahrung und den Willen diese auch einzu-
setzen und eine gehörige Portion Geduld.
Ich selbst habe noch nie einen dieser unbeschreiblichen Tage in Alaska erlebt. Nicht weil das nötige
Glück nicht auf meiner Seite gewesen wäre, sondern weil ich schlichtweg noch nie dort war. Ein Profi
Freerider der noch nie in Alaska war – ja so etwas gibt es, ich bin der lebende Beweis.
Vor einigen Jahren haben der Stefan und ich unsere Strategie, um die wenigen Big Days, die uns in
den europäischen Alpen für das Abfilmen von schönen, ästhetischen Freerideaufnahmen geschenkt
werden, ein klein wenig adaptiert. Anstelle von vier oder fünf herkömmlichen Aufnahmen, richtet sich
unser Fokus auf spezielle Linien, die nicht so ohne weiteres vom Skigebiet aus erreichbar sind.
Ungemütliche, kalte Nächte am Berg und lange, anstrengende Aufstiege gehören für uns mittlerwei-
le dazu, sind quasi integraler Bestandteil unserer Idee vom Freeriden. Wir begnügen uns somit mit
lediglich einer oder zwei Linien pro Filmtag. Diese heißt es dann ordentlich zu planen, sich darauf
vorzubereiten, um diesen einen Tag auch bestmöglich zu nutzen und natürlich geht’s auch darum,
dass man diese Linien nicht verkackt um den ganzen Aufwand, den natürlich auch unser
Kameramann Hanno Mackowitz auf sich nehmen muss, nicht in den Wind zu schießen. Wir haben
uns somit auch entschlossen nicht in die globale Jagd nach Schnee mit einzugreifen, wir warten bis
der Schnee zu uns kommt, um die Suche danach in den heimischen Bergen voranzutreiben – man
möchte gar nicht glauben, was man mit ein bisschen Motivation und Schweiß alles findet, in den
Bergen abseits der ausgetretenen Pfade.
Wir schreiben also den 1. April 2013. Der Winter bisher war äußerst schneereich, etwas über dem
langjährigen Durchschnitt. Lediglich das Wetter spielte nicht immer so mit, wie sich das zwei
Freerider, die sich zum Ziel gesetzt haben einen Film zu drehen, der die ganze Bandbreite ihres
Skifahrens zeigen soll, im Vorfeld gewünscht hatten. Ganze zehn! Sonnentage hatte die Saison 2013
bislang aufzuwarten. Nicht immer waren die Bedingungen optimal. Oftmals war es schlichtweg zu
gefährlich um etwas Größeres anzugehen, ein anderes Mal waren die Schneebedingungen nicht
ideal und allzu oft spielte ein voller Terminkalender dem Team nicht unbedingt in die Karten. Als wir
in den frühen Morgenstunden des 1. April unsere Felle aufzogen, um die gut zwei Stunden Aufstieg
in Angriff zu nehmen, die Uhr hatte gerade eben die sechste Stunde des Tages angezeigt, brachen
wir nach einer weiteren, ungemütlichen Nacht, die wir am Berg verbracht haben, in einen Tag auf,
den wir in dieser Form wohl nicht so schnell wieder erleben werden. 30 cm perfekten
'Frühjahrspulver' hatte es den vergangenen Tag über auf eine ideale Unterlage gelegt. Es ist dieser
ganz besondere Schnee im Frühjahr, der oftmals ein klein wenig mehr Feuchtigkeit aufzuweisen hat,
der auf den steileren Hängen kleben bleibt. So gut wie kein Lüftchen hatte geweht, als dieser vom
Himmel fiel. Somit war die Neuschneeauflage äußerst spannungsarm, die Lawinensituation also
überschaubar, das Restrisiko mehr als vertretbar. Nach ungefähr einer Stunde standen wir auf einer
Erhebung des Hanges, von der aus wir den besten Blick auf die Aufgaben des Tages hatten. Diesen
Standort sollten Hanno und Hansi Heckmair, dem wir die aufregenden Photos dieses Tages verdan-
ken, für mehrere Stunden nicht mehr verlassen. Kurze Absprache, wer fährt wo und vor allem wie,
Funkgeräte funktionieren, ein letztes 'Servas' und der Stefan und ich machen uns weiter auf dem
Weg. Eine weitere Stunde sollte es dauern, bis wir die Spur zum Einstieg der Lines gelegt hatten. Eine
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