Bergstolz Issue No. 44 - page 30

Seite 30 | BERGSTOLZ Ski Magazin Dezember 2013
ARLBERG
weitere Stunde imWindschatten der Linien, eine weitere Stunde ohne einen weiteren Blick
auf das Gelände werfen zu können. Leichte Zweifel kommen immer auf. Hat man sich alles
gemerkt? Springe ich den ersten Fels eher ein bisschen mehr nach links oder eher gerade
raus? Kann ichs unten raus laufen lassen? Wir werden es sehen...
Der Aufstieg dauerte 2 Stunden, die eigentliche Action dann etwas mehr als 50 Sekunden
– ist es das wert? Ja, Ja und nochmals Ja! Immer wieder wird uns bewusst, wie sehr uns
der Aufstieg auf die Abfahrt vorbereitet. Wir haben Zeit die Schneesituation einzuschätzen.
Man fühlt die Temperatur und die Windverhältnisse sehr intensiv und nicht zuletzt fühlt
man sich in die Schneebedingungen hinein. Knirscht der kalte Schnee beim Gehen oder ist
dieser eher klebrig? Wir sammeln beim Aufstieg laufend Informationen, die wir dann brau-
chen, um die Abfahrt richtig einschätzen zu können. An diesem Tag ging alles ganz leicht
von der Hand. Die Stunden, die für den Aufstieg verbraten wurden, vergingen wie im Flug.
Mit jedem Schritt, der uns näher zu unserem Ziel führte, stieg die Vorfreude, die die
Erschöpfung in den Hintergrund drängt.
Am langen, stark überwechteten Grat, der den Einstieg zu den Linien markiert, stehen wir
dann vor der schwierigsten Aufgabe des Tages, dem Finden der Linien. Das Gelände rollt
unerbittlich ins Leere, lediglich die ersten Meter sind einsehbar. Offensichtliche
Anhaltspunkte erweisen sich aus dieser Perspektive als nutzlos, alles sieht ähnlich aus.
Ohne die Hilfe und die Erfahrung vom Hanno und vom Hansi, die uns von gegenüber bei
unserer Suche assistieren, hätten wir wahrscheinlich keine Chance den richtigen Einstieg zu
finden. Einmal gefunden, spürt man dann die Aufregung, eine eigenartige Nervosität. Es
gilt kühlen Kopf zu bewahren, auf seine innere Stimme zu hören und auf seine Fähigkeiten
zu vertrauen, schließlich sind wir keine Anfänger mehr.
Ich war noch niemals in Alaska, ich spüre auch nicht das brennende Verlangen danach.
Warum? Weil ich die Berge in 'meinen' Alpen liebe. Weil ich warten kann, bis die
Bedingungen bei uns ähnlich sind wie jene im Nordwesten des amerikanischen Kontinents,
auch wenn ich, mit ein wenig Glück, nur einmal pro Saison in diesen Genuss komme. Man
muss dann lediglich DASEIN, bereit sein für diese Tage, vollkommen bei sich sein in diesen
Momenten und ein Team um sich haben, das von Vertrauen in die Fähigkeiten des jeweils
anderen lebt. Der 1. April war einer dieser Tage. Selbst auf den steilsten Passagen klebte
der Schnee wie Spritzbeton. Links und rechts der Linien donnerte der Sluff in einer atem-
beraubenden Geräuschkulisse an einem vorbei. Jeder Schwung, jeder Sprung eine Welt für
sich. Zwei Linien bekamen wir an diesem Tag in den Kasten. Beide schafften es in voller
Länge in unseren Film DASEIN. Und ja, wir konnten es unten raus laufen lassen! – über-
zeugt euch selbst:
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