COURMAYEUR
BERGSTOLZ Ski Magazin Dezember 2013 | Seite 23
Die erste Abfahrt hat auch gleich 1300m. Weite Hänge, steile Flanken, Rinnen – es ist alles
dabei. Leider dürfen wir nicht so, wie einige in der Gruppe wollen. Die Lawienensituation ist
angespannt und Frank deshalb sehr nervös. Zu Recht, wie sich Minuten später zeigt, als
Christopher – unser italienischer Bergführer ein massives Brett lostritt. Professionell versuchte
er es als „geplanten Abgang“ zu beschwichtigen. Sein Gesichtsausdruck und die Tatsache,
dass er einen Stock im Schneebrett verloren hat, sprechen aber eine andere Sprache. Da ist er
wieder, der ewige Zwiespalt: Die Hänge sehen für uns alle gut aus, der Drang, eine schöne Spur
reinzulegen ist sehr, sehr hoch, aber wie heißt es so schön: „Nichts beendet einen schönen
Skitag nachhaltiger als ein Unfall“. Also begraben wir (vorerst) unsere Sehnsüchte und folgen
weiterhin brav den Anweisungen unsere Guides.
Der zweite Flug bringt uns auf den Mont Fortin, der uns einen super Ausblick auf den alles
beherrschenden Berg gegenüber eröffnet. Nach demWarnschuss von gerade ist deutlich weni-
ger Hektik in der Gruppe. Alles läuft ruhiger, jeder hat irgendwie mehr Zeit für’s Schauen,
Genießen und Fotos machen. Was sich aber auch wirklich rentiert! Auch unsere Guides mer-
ken, dass wir beeindruckt sind, was aus Ihrer Sicht ein gutes Fundament für den weiteren
Skitag ist. Sie vertrauen uns, dass wir keine Lines fahren, die nicht vorher besprochen sind und
sie zeigen uns einen Wahnsinnshang nach dem nächsten. Und die Möglichkeiten sind massiv!
Die Mittagspause fällt natürlich aus bzw. wird auf den späten Nachmittag verschoben. Auch
hier beweisen unsere Guides Ortskenntnis und führen uns in eine urige italienische Hütte. Das
Bier und der Rotwein schmecken wie selten zuvor. Die Vorspeisenplatte ist üppig, die drei
Nudelgerichte in der großen Schale „al dente“ und sehr lecker. Natürlich versäumen wir den
Lift, der uns zurück in den Ort bringen würde und so sind wir auf unseren Hüttenwirt ange-
wiesen, der uns mit seinem Skido zurück nach Courmayeur zieht.
Am zweiten Tag ist wieder Carlo mit von der Partie. Er ist Eigentümer des Heli-Unternehmens,
Bergführer und Schnee-Genießer mit eine besonderen Nase für Tiefschnee. Er liest den Berg
förmlich und hat immer wieder Tipps für uns. Er läßt uns auch etwas mehr Spielraum, gibt
ganze Hänge mit „Go wherever you want“ frei und schwelgt in seinem altruistischen
Glücksgefühl. Dass wir saumäßig Spaß haben und Ihm für jede einzelne Hammerline dankbar
sind, macht auch ihn sichtlich glücklich und spornt ihn zu immer neuen Tipps an. Schon beim
Transport werden Hänge diskutiert und Lines besprochen, kurzfristig Landepunkte gewechselt
um noch bessere Runs zu bekommen. Nach drei unglaublichen Runs vom Ouille runter nach
Les Barmettes lädt uns der Heli am Mont Miravidi ab. Die strahlende Sonne hat dem Schnee
in den Südhängen etwas zugesetzt, und da das scheinbar Carlos Ansprüchen nicht mehr
genügt, schlägt er einen Run nordseits vor. Anfänglich geht’s super, doch von einem auf den
anderen Meter ändert sich der Schneedeckenaufbau. Ein harter Deckel, der bei jeder Belastung
einbricht und alle Fahrer unweigerlich stürzen lässt. Ich bin ziemlich am Ende der Gruppe und
sehe das Drama vor mir bzw. auf mich zukommen. Zum Abbremsen ist’s zu spät, viel Gefühl