SHEREGESH
BERGSTOLZ Ski Magazin Dezember 2013 | Seite 57
Nach einem kurzen Aufenthalt am Bahnhof stiegen wir
gegen halb zehn in unseren Zug. Der Schaffner fuchtelte mit
den Händen und zeigte immer auf unser Gepäck, das ihm
anscheinend zuviel war. Wir hingegen versuchten ihm non-
verbal mitzuteilen, dass wir ihn a; nicht verstehen und b; das
Gepäck schon irgendwie verstauen werden. Am Ende wurde
es dann doch ganz schön eng, aber bis auf einen Skisack
den wir im engen Korridor ließen, passte es für uns soweit.
Weitere Forderungen der Schaffners, wie zum Beispiel die
Tickets für das Skigepäck oder das anfänglich energische
Verlangen, dass der Skisack nicht im Korridor bleiben kann,
ignorierten wir achselzuckend, der Schaffner wusste dies zu
verstehen, drehte er sich um, ging und ließ uns in Ruhe.
Im gut geheizten Schlafwagon, „rollende Sauna“ würde es
besser umschreiben, das Thermometer zeigte 30 Grad plus,
verbrachten wir schlecht schlafend die Nacht. Da der Skizug
nur am Wochenende verkehrt, endete unsere Zugreise in
Nowokusnezk. Beim Verlassen des Zuges setzten wir uns
einem Temperaturunterschied von 55 Grad aus, da zieht
es einem die Arschbacken ganz schön zusammen. Hier
erwartete uns schon ein weiteres Shuttle das uns die rest-
lichen 150 Kilometer durch die sibirische Tundra nach
Sheregesh brachte.
Abgesehen von atemberaubenden Fahrmanövern erreichten
wir gegen acht Uhr in der Früh unser Appartement in einem
der Häuser von „Alpen Resort Village“. Im Moment besteht
die Anlage aus drei Häusern, Zermatt, Chamonix und Monte
Rose, wir waren im ersten untergebracht, der Name war
Programm. Überall im Haus hingen Bilder auf denen das
Matterhorn abgebildet war.
Jetzt begannen die Herausforderungen ohne russische
Sprachkenntnisse durch den Tag zu kommen. Mit dem Kauf
der Skipässe meisterten wir die erste Hürde. Wir konnten
ohne Probleme erkennen wieviele Rubel die Karten kosten,
aber der Dame an der Kasse, unser Begehren zu vermitteln
misslang. Also Plan B, Lisa und Verena sprachen jeden der
sich der Kasse näherte an ob er englisch spreche. Nach eini-
gen Versuchen landeten wir einen Treffer auf der Suche nach
einem temporären Dolmetscher. Wir nutzten den Sessellift
hinter der Kasse um auf den Berg zu kommen. Je näher wir
uns der Kuppe näherten desto kälter wurde es. Es fiel auf,
dass der Schlepper der parallel zum Sessellift verläuft, viel
schneller ist und ich wünschte mich vergebens dort hin. Auf
den letzten Hundert Metern trieb der Wind die Eiseskälte
durch jede einzelne Membrane meiner Skibekleidung, total
durchkühlt verließen wir den Lift und es ging erstmal in die
Hütte, um die Kerntemperatur etwas nach oben zu schrau-
ben. Bei dieser Gelegenheit entschlossen wir uns, die näch-
ste Fahrt mit den Schlepper zu nutzen. So erkundeten wir bis
zum Nachmittag die Gegend und fanden stellenweise noch
unverspurten Pulverschnee. ZumAbschluss legten wir an der
Talstation einen Einkehrschwung ein, um unsere Russisch-
kenntnisse zu erweitern. Wir begannen mit dem was wir
kannten, Tee und Vodka. Die Bestellung des Essens war da
schon eher ein Fall für die Lotterie. Wir schlugen die
Speisekarte auf und zeigten mit den Fingern auf das Wort,
welches unseren Appetit entsprach. Es war nicht immer das
was wir uns vorgestellt hatten, dennoch hat es geschmeckt
und den Magen gefüllt. Da erst in zwei Tagen mit
Neuschnee zu rechnen war, entschlossen wir uns am näch-
sten Tag das Backcountry zu erkunden. Um die Spannung zu
halten wechselten wir die Skihütte, neue Speisekarte, neues
Glück. Am Abend begann der angekündigte Schneefall und
es schneite die ganze Nacht durch. Um halb neun standen
wir an der Kasse, die Verkäuferin kannte uns bereits, das
erleichterte den Kauf allgemein. Wir mussten nur das Geld
in die Schublade stecken um unsere Karten zu erhalten. Was
dann kam bedarf keiner Worte, jeder der auf Powder steht
weiß, was bei hüfttiefen Fluffy Stuff abgeht. Das Gelände ist
wie geschaffen für Downdays, der lichte Wald schützte den
Schnee vor Wind und sorgte für ausreichend Sicht, deshalb
waren wir ja schließlich hier.
Da wir beim Buchen des Appartements etwas zu spät dran
waren, konnten wir es nicht für den gesamten Aufenthalt
nutzen. Man bot uns etwas Vergleichbares außerhalb der
Skiresorts in der Kommune Sheregesh an. Im „Alpin Village
Resort“ hatte man schon Erfahrung mit Gästen die kein rus-
sisch sprechen und so kommunizierte man mit uns, als
währe es das normalste der Welt – mit dem
Googletranslater. Das Gepäck hatten wir am Morgen schon
zur Abholung bereitgestellt. So mussten wir nur noch nach
dem Skifahren in das neue Appartement.
Doch ganz so „vergleichbar“ war es dann doch nicht, dies
stellten wir fest als uns Anton, unsere Kontaktperson für die
neue Bleibe, vor einem Haus der Bergbausiedlung ausstei-
gen ließ.Wir folgten ihm ins Treppenhaus, wir spaßten noch,
dass wir wohl bei ihm einziehen werden. Das bestätigte sich
dann in der vierten Etage. Es war der 30. Dezember, drau-
ßen hatte es -20 Grad und die Agentur, bei der wir das
Apartment gebucht hatten, war nicht zu erreichen. Der ein-
zige Weg die Situation zu meistern war, sie zu akzeptieren.
Skier: Teresa Breenner