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TRANSALP

BERGSTOLZ Ski Magazin Januar 2015 | Seite 25

der letzten Tage in der Rinne befragt. „So gut hab ich die Eggersgrinn

selten erlebt“ hieß es von der ein oder anderen Seite. Und so war es

auch. Der Zahme Kaiser zeigte sich von seiner besten Seite und war auch

der erste Schneefleck im Inntal. Dieser Winter erweist sich alsWinter der

Kontraste. Im Norden fast kein Schnee und im Süden ersticken die Men-

schen fast an den enormen Schneemengen. Der Blick zurück ins Inntal

lässt an Frühling denken. Grün soweit das Auge reicht. Doch wenn man

Richtung Süden blickt leuchtet uns das goldene Weiß entgegen. So

verstärkt sich immer mehr das Verlangen, vom grünen Norden in den

weißen Süden zu reisen.

Der Aufstieg zur Pyramidenspitze beginnt im Nebel, aber am Gipfel wer-

den wir mit strahlend blauem Himmel belohnt.

Mein persönliches Ziel war es, den Kaiser an einem Tag zu überqueren.

Das macht man halt so beim „Koasaexpress“ hab ich mir in den Kopf

gesetzt. Aber mit Filmen, Fotografieren, dem schweren Gepäck und

grünen Südseiten sollten sich unsere Tagesetappen in die Länge ziehen.

Die Abfahrt von der Pyramidenspitze begann mit kleinen Sulzjuchzern,

wurde aber nach einigen Höhenmetern durch ächzende Kämpfe mit den

meterhohen Latschen abgelöst.

Somit waren unsere Abfahrtsfreuden von nicht all zu langer Dauer und

wir schnallten die Ski auf unseren Rücken. Ich kann nicht abstreiten, dass

sich manchmal der Gedanke „was zur Hölle mache ich hier“ eingeschli-

chen hat, als ich die Ski den Berg hinunter getragen habe.

Nach einiger Zeit kamen wir unserem Übernachtungsplatz immer näher

und ich stellte mir eine kleine Kammer vor, in der ein paar Matratzen, ein

kleiner Ofen und ein wenig Holz herumliegen. Umso mehr waren wir

überrascht als wir die unerwartet gut ausgestattete Hütte aufsperrten.

Fernab von Handyempfang empfanden wir eine ganz simple Glückselig-

keit, wenn man sich nur um die einfachsten Dinge wie Ofen einheizen,

Essen kochen und Wasser holen kümmern muss. Eine tiefe Zufriedenheit

stellte sich ein.

Am nächstenTag hing wieder der Nebel in den Bergen und der amVortag

noch so leicht erkennbare Scharlinger Boden war nicht mehr zu sehen.

Die Karte wurde schon amVorabend studiert und nun nochmals ausge-

packt. Die Meinungen nach der Richtung gingen auseinander. Doch nach

einiger Zeit bekamen wir ein kleines Sichtfenster und waren uns gleich

einig wo es hinauf geht.

Immer wieder geht der Blick zurück zum Zahmen Kaiser und auch hin-

unter ins Tal wo ich sogar mein Dorf erkennen kann. Es kommt mir so

unwirklich vor, dass ich seit fast zwei Tagen zu Fuß unterwegs bin und

doch noch immer unser Haus sehen kann. Die letzten 100 Höhenmeter

zur Roten Rinn Scharte sind imposant und beeindruckend. Die zerklüfte-

ten Felsen und das Licht um uns herum vermitteln uns das Gefühl,

irgendwo im tiefsten Hochgebirge zu sein.

Wir haben die Ski auf den Rücken geschnallt, da die letzten Meter von

harten Lawinenresten durchzogen sind. Oben angekommen, weht uns

ein heftigerWind um die Ohren und wir freuen uns, dass wir diese schöne

Tour durch den Kaiser gemacht haben. Die Abfahrt über die Rote Rinn

Scharte bis nach Ellmau war geprägt von Sonnenuntergangsstimmung

und Sulzschnee.

Etwas entspannter verläuft der nächste Tag. Mittels Skischaukel durch

Tirols größtes, zusammenhängendes Skigebiet der SkiWeltWilder Kaiser

– Brixental und Kitzbühel.

An diesem Tag lag nicht die Stille, das einsame Naturerlebnis oder die

Anstrengung im Fokus. Vielmehr war es die Faszination, wie groß dieses

zusammenhängende Netz an Liften ist, wie schnell man voran kommt

und wie viel Spaß es auch machen kann wieder auf gut präparierten Pis-

ten zu fahren. Wir haben nicht ganz bedacht wie groß dieses Gebiet ist

und dass unser letzter Bus, den wir in Uttendorf erreichen müssen, um

14 Uhr abfährt.Wir fühlen uns ein bisschen wie bei einer Schnitzeljagd.

Welchen Lift benötigen wir, um möglichst schnell ans Ziel zu kommen?

Die letzte Abfahrt nach Hollersbach ist spannend, denn wir sehen den

Bahnhof nicht, der doch laut Karte ganz in der Nähe sein soll. Und der

Zug fährt in genau drei Minuten ab. Auf einmal entdeckt Mel dieses

kleine Häuschen mitten in der Pampa.Wir schnallen die Ski ab und laufen

querfeldein zu dem Häuschen.

Zug erwischt – weiter geht’s mit Zug und Bus zur Rudolfshütte.

Die Rudolfshütte, der Dampfer mitten in den Bergen. Was für ein Kon-

trastprogramm zu unserer kleinen, beschaulichen und einfachen Hütte

mitten im Kaisergebirge. Das Haus ist vollkommen ausgebucht und somit

wusselt es um einen herum. Kinder soweit das Auge reicht.

An der Rezeption werden einem die zahlreichen Möglichkeiten auf un-

seren kleinen Luxusdampfer mitgeteilt. Sauna, Schneeschuhwandern,

Kinderkino, was braucht man mehr?

Hiermit wären wir wieder amAnfang unserer Geschichte.

White Out am nächsten Tag. Keine Sicht - wieder einmal! Ohne GPS-

Gerät wäre die Orientierung unmöglich. Die Nadel ist gesteckt, der Weg

am Gerät markiert.

Abwechselnd übernehmen wir die Führungsarbeit. Eine Person navigiert

mit dem GPS, eine Person wirft Schneebälle vor die erste Person, um Kon-

turen ersichtlich zu machen, eine Person spurt. Das funktioniert recht gut.

Neue Technik die sich etabliert. Im Nebel, bei völliger Orientierungslosig-

keit ist es unmöglich sich anders fortzubewegen. Die 20 cm Neuschnee

erleichtern das Fortankommen auch nicht gerade.

Das GPS zeigt nur noch wenige Meter bis zum ersten Ziel: der Kalser Tau-

ern, 2515 m. Und da ist es. Das Gipfelkreuz. Kaum zu erkennen im Nebel.

Von dort müsste es laut Karte nun ohne nennenswerte Schwierigkeiten

bergab gehen. 300 Tiefenmeter später, mit selbiger Fortbewegungstech-

nik lässt sich der Talgrund erkennen. Der Nebel lichtet sich ein wenig,

doch nur in Fahrtrichtung. 14 km durch das Dorfer Tal stehen uns bevor.

Teilweise zum Abfahren, aber größtenteils zum Schieben. Die Ruhe und

Abgeschiedenheit entschädigt für dieAnstrengung. Nur wir, inmitten die-

ser eindrucksvollen Bergwelt.

Kurz vor Kals verengt sich das Tal, der Normalweg endet.Wo geht es nun

weiter? Siehe da – eine Tür im Fels.Wir öffnen die Tür und begehen einen

Fußgängertunnel. Also hat sich die Stirnlampe doch bezahlt gemacht.

Wir marschieren durch den Tunnel und sind nun kurz vor Kals. Im Ska-

tingschritt geht es nun der Loipe entlang bis ins Skigebiet nach Kals. Und

wieder: perfektes Timing. Kurz vor 16 Uhr fahren wir mit einer der letzten

Gondeln hoch ins Großglocknerskigebiet. Der Heimat von unserer Mel.

Wir sind angekommen. Dort wo der Winter heuer zu Hause ist. Kaum in

Matrei angekommen empfängt uns Mel’s Familie ganz herzlich und bringt

uns zu unserer Unterkunft.

Die nächste Etappe von Ströden über die neue Reichenberger Hütte nach

St. Jakob war geprägt von Glitzerschnee und Menschenleere. In diesem

Tal wünschte ich mir einen Helikopter, der mich auf all die Berggipfel flie-

gen sollte. Unzählige Lines sprangen mir bei diesem schönen Nachmit-

tagslicht ins Auge, aber es half alles nichts – wir mussten weiter.

St. Jakob. Einige Male waren wir diesen Winter schon zum Freeriden

dort. Des Schnees wegen. Und wie wir feststellten, ticken die Uhren

hier noch anders. Osttirol ist für mich der Inbegriff von Gemütlichkeit

und Gastfreundschaft.

Vom St. Jakober Skigebiet steigen wir Richtung Großes Degenhorn auf.

Den Plan dieses zu besteigen und Richtung Innervillgraten abzufahren

müssen wir leider verwerfen, denn Nebel zieht ein und die Spurarbeit