Engelberg - Oskar Enander
ENGELBERG ist Heimat
Es gibt keinen Fotografen, dessen Bilder weltweit häufiger auf Titelseiten von Skimagazinen zu sehen waren als die von Oskar Enander.
Der Schwede kann, was nur Wenigen, eigentlich nur ihm, gegeben ist: Fotografieren und Skifahren – beides auf absolut höchstem Niveau. Statt Action kombiniert der Künstler, der in Engelberg den „schönsten Arbeitsplatz der Welt“ hat, Licht und Linien zu einem perfekten Bild. Was er dort oben im Freeride-Mekka immer so ganz genau macht, weiß er oft selbst nicht. Oskar, der Komponist, ist seit jeher farbenblind.
Es gibt Menschen, denen ist das Skifahren und die Berge in die Wiege gelegt worden. Oskar Enander gehört nicht dazu. Erst mit 14 Jahren rutschte der kleine Oskar auf den ausrangierten Brettern seiner Cousins im schwedischen Sälen herum. Das Gebiet ist in etwa so steil wie in Engelberg der Übungshang für Kleinkinder.
Das Gefühl für den Tiefschnee bekam der Göteborger erst während seines Ingenieur-Studiums. Von einem auf den anderen Tag war ihm nach dem Uni-Abschluss klar, dass er alles machen möchte, nur nicht jeden Morgen in eine Firma marschieren, acht Stunden schuften und abends wieder nach Hause zu fahren. Er wollte ein „Ski-Bum“ sein, also eine Art Vagabund, wenn auch nicht lange. Vielleicht nur so ein, zwei Jahre. Das war sein Plan. „Den ganzen Tag durch den Schnee zu shredden, abends Vollgas Party zu machen – das finden wir Schweden als Lebenseinstellung gar nicht so schlecht“, sagt Enander lachend. Heute ist der Wahl-Schweizer – und da gibt es keine zweite Meinung – der erfolgreichste, angesehenste und begnadetste Ski-Fotograf auf diesem Planeten.
Das Who is Who der Sportartikelszene steht bei Enander für seine Fotos Schlange, aber nicht nur: Brausefirmen (Red Bull) oder Luxus-Häuser (Moncler) engagieren ihn ebenso wie beispielsweise Philips, für die er die Kampagne „Fange den Traum“ mit einzigartigen fluoreszierenden Ski-Aufnahmen schoss, im „Art Mode“-Modus zeigt der Global Player Samsung Oskars Kunstwerke auf seinen TV-Bildschirmen der Serie „The Frame“.
„Mit Superlativen bin ich vorsichtig“, sagt Rüdiger Schrader vom Verband der Deutschen Gesellschaft für Photographie. „Aber die Bilder von Oskar überziehen mich regelmäßig mit einer Gänsehaut“, sagt Schrader, der an Journalisten-Schulen dem Nachwuchs erklärt, was ein gutes Bild ausmacht. So folge Oskar seinem unnachahmlichen Gespür für die Ästhetik der Natur bis in die entlegensten Winkel der Berge. Und dabei befolgt er nur das simpelste Gesetz der Fotografie: Licht und Linien zum Bild zu komponieren. Das tut er – Achtung Superlativ – laut Schrader, dem einstigen „Director of Photography“ von „Stern“ und „FOCUS“, in unerreichter Qualität.
Wie kam es aber dazu? Eine grandiose Skisaison sollte es werden. Also kaufte sich Oskar, damals 24 Jahre alt, im Sommer 2002 mit zwei Freunden einen alten VW-Bus und fuhr los. Von Göteborg nach St. Anton am Arlberg, 1.667 Kilometer, mit 80 Sachen pro Stunde. Es dauerte. Kaum waren sie angekommen, wurden sie wieder verjagt. „Here! No! Camping!“, lautete die klare Ansage des Dorfpolizisten. Die drei Jungs fuhren noch direkt in der Nacht weiter – nach Engelberg. „Ich hatte in einem Magazin was darüber gelesen, und wir dachten: Die haben dort wenigstens einen Campingplatz.“
Enander verliebte sich sofort in die 5.000-Seelen-Gemeinde, lernte wenig später eine hübsche Schweizerin namens Sandra kennen und beschloss, Engelberg zu seiner Basis zu machen, von der aus er mit seinen Kumpels die Alpen erforschte. Italien, Österreich, die Schweiz – sie reisten alles ab. Immer auf der Suche nach den besten Freeride-Gebieten. Und immer mit der gleichen Erkenntnis: An Engelberg kommt nichts ran. Keine Chance. No way. „Wir stellten schnell fest, dass es einfach nichts Vergleichbares gibt“, sagt Enander. „Engelberg ist einzigartig.“ Also blieb er dort. Aus Wochen wurden Jahre.
Nun hat er ein Haus gekauft. Mitten im Alpendorf, auf 1.015 Meter Höhe – eingeschlossen zwischen dem Gebirgsmassiv des 3.238 Meter hohen Titlis im Süden und einer unglaublich schönen Bergkette im Norden. „Wir, damit meine ich meine Frau Silije sowie meine Töchter Emilia und Filippa, fühlen uns hier pudelwohl, könnten uns keinen schöneren Ort auf der Welt vorstellen“, so Oskar. Ob er irgendwann mal wieder Engelberg verlassen und in seine Heimat zurückkehren wolle? Das kann er sich beim besten Willen nicht vorstellen.
Natürlich vermisst er Familie und Freunde. Die sieht er jedoch jeden Sommer, wenn er seine Verwandtschaft wochenlang besucht. „So schön die Zeit mit ihnen ist“, gesteht Oskar, „dann muss ich aber auch wieder zurück in mein Engelberg.“ Dort seien eh‘ immer alle. Mit „alle“ meint er Menschen aus der ganzen Welt die hierher kommen, um einfach eine gute Zeit mit guten Leuten zu verbringen.
„Das, was uns vereint, ist die Liebe zum Skifahren im Winter, zum Biken und Golfen im Sommer. So einen Flecken wie hier gibt es kein zweites Mal auf dieser Welt“, sagt der Wahl-Schweizer, der im Sommer mit seinen Kollegen und mit Marc Gisin – dem ehemaligen Skirennläufer – in Engelberg sein Golf-Handicap von 19 verbessern möchte. „Eigentlich muss ich hier nie weg“, sagt Enander. Er habe hier das gesamte Jahr über die schönste Spielwiese. Und deswegen nennt er diesen Flecken Erde auch ganz bewusst Heimat.
Während er 1999 seine erste Saison in Chamonix mit neun anderen auf 21 Quadratmetern verbrachte – „Es stank. Morgens. Mittags. Abends.“ – schnappt er sich heute nach dem Familienfrühstück sein Rad, um damit die fünf Minuten zur Talstation zu fahren. Wenige Minuten später steht er in einer der atemberaubendsten Ski-Destinationen mit den spektakulären Offpist-Abfahrten. „Das, was für die Wellenreiter Hawaii ist, das ist für uns Freerider Engelberg“, sagt Oskar. Ohnehin sind die Medien von dem einzigartigen Spielplatz begeistert. Das englische „Snowmagazine“ fabuliert von einem „Skifahren im Schweizer Himmel“ und „Skigebiete-Test“, das ist so etwas wie „Stiftung Warentest“ (Slogan: Unabhängig. Objektiv. Unbestechlich) unter den Winter-Destinationen – schwärmt in höchsten Tönen: „Einzigartige Freeride-Routen, unberührte Natur, imposante BergGipfel – das alles erwartet dich in Engelberg“. Und selbst der chronisch nüchterne „Spiegel“ lässt sich für das „Mekka der Freerider“ begeistern. Wie heißt der „Spiegel“-Slogan von Gründer Rudolf Augstein noch mal? „Sagen, was ist“.
Was ist denn so besonders an Engelberg, seinem Schnee und dem Klima? Gian Darms, Head of Ski Patrol, gibt die Antwort: „Unser Tal hat einen guten Winkel und erzeugt dadurch einen Staueffekt“, erklärt der ehemalige Avalanche Forecaster der Eidgenössischen Forschungsanstalt WSL. Aha. Und das heißt jetzt was genau? Die zwei häufigsten Windrichtungen – und damit Schneebringer – seien in der Schweiz West- und Nordwestströmungen. Und genau diese beiden Niederschlags-Varianten würden in Engelberg in Form von ganz viel weißem Glück herunterkommen. Aha, kapiert.
Für Darms bedeutet das im Winter ganz viel Arbeit, für Freerider ganz viel Spaß. Denn: Gut 70 Prozent aller Pisten in Engelberg-Titlis befinden sich in der Lawinen-und Gefahrenzone und müssen daher abgesichert werden. Kein einfacher Job. Aus zwei Gründen: Zum einen herrschen in Engelberg zwei verschiedene Klimazonen. Zum anderen deutliche Temperaturunterschiede. Ein Beispiel: Wer den „Galtiberg“ mit nördlicher Ausrichtung im Tiefschnee runtersurft kommt auf 2.000 Meter Höhenunterschied. Das bedeutet: Oben ist’s ganz schön kalt, unten ganz schön warm.
Solche Temperaturunterschiede gibt es in Afrika nicht. Dafür hat der Kontinent mit Engelberg eines gemein: Die legendären „Big Five“, also Löwe, Leopard, Elefant, Büffel und Nashorn. Gleichnamig sind auch die fünf Varianten-Abfahrten im zentralschweizerischen Alpendorf. Dickhäutig wie das Nashorn ist der „Steinberg“, königlich wie der Löwe der „Galtiberg“ und groß wie ein Elefant das „Lau b“. Dann gibt es noch den Büffel, das „Sulz“ und den Leoparden, das „Steintäli“. Was Oskar an allen fünf verschiedenen Viechern gefällt: Sie sind alle bequem mit der Bahn zu erreichen.
Seine ersten Ski-Fotos macht Oskar mit dem Bruder seiner damaligen Freundin Sandra: Roman Marti. Gute Fotos, aber nichts, wovon man leben könnte. Im darauffolgenden Winter trifft er zufällig Gösta Fries, einen schwedischen Profi-Fotografen. Enander erinnert sich: „Ich stehe Februar 2003 mit meinem Foto-Rucksack an der Talstation. Genau in dem Moment steigt Gösta in den Lift und fragt, ob ich nicht mitkommen möchte. Natürlich wollte ich. Ich hielt mich tagelang im Hintergrund auf und knipste so ein bisschen mit.“
Am letzten Shooting-Tag sitzen Gösta und Enander in einer kleinen Grotte, die über ihnen mit Eiszapfen übersät ist. Sie wissen, dass gleich Kalle Eriksson über die Grotte springen wird. Nur wo genau, das wissen sie nicht. Oskar hat das Glück, dass der Skifahrer genau über ihn drüber fliegt. Eine bessere Perspektive gibt es nicht. Das Foto schickt er – auf gut Glück – ans „Powder Magazine“. Acht Monate später steht Oskar Enander in Aspen auf einer Bühne: Sein Eiszapfen-Shot wurde zum „Photo of the year“ gekürt. „Es war wie im Film. Gösta bin ich bis heute unendlich dankbar, dass er mich, den unknown photographer, überhaupt mitnahm“, sagt Enander. Sein Leben, so sagt er, ist seitdem ein Geschenk.
Während er in Alaska die meisten Fotos aus dem Helikopter schießt, entstehen in Engelberg fast alle Bilder vom Boden aus. Und das hat einen entscheidenden Vorteil: Er ist selbst im Schnee. Seiner Frau Silje erklärt Oskar das am Morgen immer so: „Schatz, ich muss jetzt gleich los, schließlich muss ich mich noch ein bisschen einfahren.“ So schafft er es ziemlich perfekt, Hobby und Beruf zu vereinen. Mit Erfolg. Das liegt an seiner Bildsprache. „Das Spiel mit Sonne und Schatten ist schon ein gewisses Alleinstellungsmerkmal von mir“, sagt er und erklärt: „Ich schaue mir die Geografie, die Sonne, die Berge, die Lichtverhältnisse an – dann versuche ich alles wie ein Dirigent miteinander zu verbinden. Wenn mir das gelingt, sind wie im Orchester alle glücklich: Streicher, Bläser, einfach alle.“
Roman Lachner, Chefredakteur der „Prime Skiing“, beschreibt diesen Stil so: Nicht die Action des Athleten stehe im Vordergrund, sondern die Ästhetik des Augenblicks. Lachners Lieblingsbild stammt von einem Nordhang. „Ich schwöre: Da gab es nicht einen Sonnenstrahl. Er hat so lange gewartet, bis der Gegenhang für ganz kurze Zeit Licht auf seinen Nordhang reflektierte“, sagt Lachner. „Das ist mehr als Fotografie. Das ist Kunst.“ Für Lachner ist es daher kein Wunder, dass der Exil-Schwede ein Magazin-Cover nach dem anderen für die Ski-Magazine dieser Welt produziert. Enander sammelt nicht nur Cover wie andere Briefmarken, er gewinnt auch noch viele Preise. Das prestigeträchtige „Powder Magazine“ wählte seine Bilder bereits mehrmals zum „Foto des Jahres“, das Internationale Freeride Film Festival „iF3“ kürte ihn zum „European Photographer of the year 2013“. Fast jeden Tag fährt er alleine oder mit einem Spitzen-Freerider hoch und schaut, was geht. Und an überragenden Skifahrern mangelt es in dem Freeride-Dorf nicht: Johan Jonsson verbringt jede Saison etliche Wochen in Engelberg, ebenso der Lokal-Matador Piers Solomon und Henrik Windstedt, der 2008 die Freeride World Tour gewann. Mit ihnen arbeitet er am liebsten zusammen. „Sie sehen unisono alle das Bild, das ich machen will, genauso vor Augen wie ich. Sie wissen, wann sie losfahren müssen, sie wissen auf den Zentimeter genau, wann der Schnee so stauben soll, damit am Ende alle glücklich sind“, erklärt er. Die meisten seiner Bilder macht Enander in Engelberg – von den geschätzt 160.000 Fotos auf seiner Festplatte „werden es schon ca. 130.000 von Engelberg sein“. Das liegt auch daran, dass jeder Platz in Engelberg ein Foto-Hotspot ist. „Wenn ich in die Knie gehe, sieht das Bild gleich ganz anders aus, nur durch den veränderten Winkel. Fragen Sie mal lieber, wo man hier nicht fotografieren kann. Das ist einfacher.“
Einfach ist es auch seine Landsleute zu treffen, denn die Ski Lodge in Engelberg ist nicht nur Oskars „zweites Wohnzimmer“, sie gilt auch als DER Treffpunkt der Freerider. Die beiden Chefs Niklas und Eric hatten schon während ihres Studiums in Stockholm den Traum ein Hotel zu führen. Doch wie es im Leben manchmal so ist, manchmal verliert man seine Träume aus den Augen. Das ist auch Niklas und Eric passiert. Der eine arbeitete als Banker, der andere als Werber. In ihrer Freizeit trafen sie sich entweder auf dem Gipfel eines schneebedeckten Vulkans in Chile, beim Motorschlittenfahren in den Rocky Mountains oder auf einem Gletscher in Chamonix. „Irgendwann landeten sie aber wie alle guten Freerider auch in Engelberg“, sagt Oskar. Durch Zufall erfuhren Niklas und Eric, dass ein altes, heruntergekommenes Hotel zum Verkauf stand. Warum also das Glück auf der Welt suchen, wenn es vor einem steht? „Die Ski-Lodge wurde von Menschen gegründet, die Berge und Skifahren mehr lieben als alles andere auf der Welt“, heißt es auf der Homepage. Die Leidenschaft für steile Hänge und tiefen Pulverschnee führte zu „gebrochenen Daumen, wütenden Freundinnen und unvergesslichen Momenten“.
Und deswegen besucht Oskar fast jeden Tag seine Freunde. Im Sommer spielen seine Kinder auf dem Spielplatz, seine Frau und er genießen die Sonne. Im Winter braucht er sich mit Ski-Kollegen erst gar nicht zu verabreden. Ein Arbeitstag könnte hier nicht besser sein. Morgens fährt er mit dem Rad zur Arbeit, ist den ganzen Tag an der frischen Luft, trinkt dann in der Ski-Lodge noch ein Bier und auf dem Nachhauseweg holt er sich in der Roastery noch einen Kaffee. Und dann hat er ab dem späten Nachmittag Zeit für seine Kids. „Geht es komfortabler und schöner?“, fragt er. Jake Bogoch, Redakteur des renommierten „Outside“-Magazins, ist bestimmter: „Gehen Sie dorthin und beten Sie für Schneestabilität und dafür, dass einer der vielen ‚verpflanzten Schweden‘ Sie herumführt, damit Sie nicht aus dem Gleichgewicht geraten.“
Apropos Outside: Wenn Oskar mal nicht zu Hause fotografiert, dann zieht es ihn nach Haines, Alaska. Japan findet Enander hingegen gar nicht so gut wie viele andere Fotografen. „Der Schnee ist zwar wirklich der absolute Knaller, das Gelände ist aber bei Weitem nicht so sensationell und steil wie in Alaska.“ Am liebsten aber ist er zu Hause in Engelberg, bei seiner Frau und den beiden Töchtern. Dort findet er in den Powder-Monaten, also Dezember und Januar, zwischen 11 und 15 Uhr das perfekte Sonne-Schatten-Schauspiel vor. Eigentlich dann, wenn kein Fotograf auf dieser Welt seiner Arbeit nachgehen würde, weil das Licht viel zu flach ist. Enander aber kennt keinen Ort auf der Welt, wo es über mehrere Monate so tolles Licht hat wie in Engelberg. Und deswegen hat er fast immer seinen Foto-Rucksack mit drei Objektiven sowie seiner kompletten Sicherheitsausrüstung mit dabei. Genügend Zeit hat er allemal: Die Bergbahn ist eine der wenigen auf der Welt, die von Oktober bis Mai offen hat. Allein diese Wintersaison 2021/22 sind es 226 Tage. Rekord.
Die Industrie liebt Enanders Meisterwerke. Die größte Aufmerksamkeit erzielte er mit der Philips-Kampagne. Überall auf der Welt sahen die Menschen Eric Hjorleifson, Daron Rahlves & Co., die mit 4.000-Watt-Leuchten behängt, nachts im Tiefschnee durch die Bäume flitzen. Enander sagt: „Die schwierigsten Aufnahmen meines Lebens.“ Knapp 5.000 Kilo Gewicht musste die Crew jeden Abend auf den Berg schleppen, jede Nacht zwölf Stunden shooten. Das Problem: Die Skifahrer strahlten, funkelten und blitzten wie Christbäume. Und er wusste oft gar nicht, auf welchen Punkt er seine Kamera scharf stellen sollte. Alles hat geleuchtet. Am Ende waren dennoch alle glücklich über die bunten Bilder. Auch Enander, obwohl er selbst gar nicht so genau wusste, was auf den Bildern zu sehen war. Denn Oskar Enander ist farbenblind.
Schon als Fünfjähriger Knirps hatte er beim Malen ständig die Farben verwechselt. Seiner Mutter war klar: Der kleine Oskar kann einige Farben gar nicht erkennen. Ist das nicht ein Problem beim Fotografieren? Ganz und gar nicht, antwortet Enander. Er könne ja erkennen, dass es irgendeine Farbe sei, er wisse nur nicht, welche. Doch im Winter sei das alles kein Problem. Dann würden mit dem Sonne-Schatten-Spiel ohnehin nur die Farben weiß und blau dominieren – also weißer Schnee und blauer Schatten. Zu den Fahrern sagt er: „Leute, zieht bitte ein kräftiges Gelb oder ein sattes Rot an.“ Der Kontrast sieht auf den Bildern immer besser aus – auch wenn er nicht genau weiß, wie. Beeinflusst die Farbenblindheit seinen Stil? Auf diese Frage hat er keine Antwort. „Ich war ja zuerst farbenblind, habe erst dann angefangen zu fotografieren.“ Für ihn sei das ja alles normal.
Normal sind seine Bilder nicht. Würde es in Hollywood einen „Oscar“ für Ski-Fotografen geben, Oskar Enander würde ihn gewinnen, sagt Schrader, der 25 Jahre in der Jury des „Sportfoto des Jahres“ war. Oskar selbst ist – typisch skandinavisch – ein bescheidener Mensch. Auf die Frage, ob er schon mal das perfekte Bild gemacht hätte, sagt er: „Ich habe schon ein paar ganz gute gemacht, das perfekte war noch nicht dabei. Mit denen, die ich aber schon gemacht habe, kann ich ganz gut leben.“
Foto-Juror Schrader, der selbst durch sein Bild des legendären „Boris-Becker-Hechts“ im Wimbledon-Finale berühmt wurde, widerspricht Enanders Understatement: „Seine Farbenblindheit ist es wohl, die ihm zu dieser unnachahmlichen grafischen Strenge seiner Fotografie verhilft. Und zu sagenhaften Fotos, die von der Schönheit des Skifahrens erzählen.“ Ganz nach dem Spiegel-Motto: Sagen, was ist.
Was war aber selbst der wichtigste Punkt in seinem Leben?
„Die beste Entscheidung war, nicht als Ingenieur zu arbeiten.“ The End.
www.oskarenander.com
Foto: Oskar Enander // Text: Andreas Haslauer