Montafon - Camp
Wenn Schuhe nicht nur vom Aufstieg qualmen, wenn Fuchs-Felle durch die Luft fliegen und es am Ende Käsesahne-Torte für alle gibt, dann kann man zweifelsohne sagen: es war ein lustiges, abenteuerliches, harmonisches und unvergessliches langes Wochenende in den Bergen zwischen Bludenz und Landeck. Eine Verwall-Durchquerung mit Ausgangs- und Endpunkt am Arlberg steht für die nächsten drei Tage auf dem Programm. Die österreichische Gebirgsgruppe in den zentralen Ostalpen verspricht alpine Einsamkeit und Ursprünglichkeit, hohe Gipfel und gigantische Abfahrten ebenso wie einsam gelegene, aber wunderschöne Hütten.
Die Verwall-Runde auf Ski unternehmen wir im Rahmen des Bergzeit Alpin Camps mit Outdoor Research, bei dem sich nach einem Auswahlverfahren die Wege von sieben Freeridern kreuzen: Neben den "Auserwählten" Vreni W., Melanie F., Michael H. und Johannes R. sind Guido Anderwert von Outdoor Research (OR) und Sebastian Keller von Bergzeit mit am Start, außerdem unser Guide Simon Wohlgenannt, OR-Athlet, Freeride World Qualifier-Finalist und Montafon Local in Personalunion.
Verwall-Runde auf Ski: Startschuss am Arlberg
Die Vorfreude steht der Crew regelrecht ins Gesicht geschrieben, als es am Freitagmorgen - natürlich bluebird - an der Sonnenkopfbahn am Arlberg endlich losgeht: Erstes Highlight ist die Materialausgabe, sofort steht Guido im Mittelpunkt des Geschehens und alle umringen ihn wie Kinder den Christbaum: Für jeden gibt es eine Jacke, Softshell-Handschuhe und ein Beanie von Outdoor Research. Ganz easy geht es erstmal mit der Bergbahn ins Skigebiet und von da gleich zur Einfahrt in eine der sensationellen Varianten im Sonnenkopf-Gebiet, hinab ins Kuhtäli. Wir fetzen über himmlische Hänge und eine schöne Steilstufe hinweg gen Tal, das Panorama ist atemberaubend. Am Talboden heißt es, Felle unter die Ski bzw. Splitboards, und wir beginnen mit dem knapp dreistündigen, sonnigen Aufstieg zu unserem Tagesziel: einer kleinen, einsamen, unbewirtschafteten und traumhaft schönen Hütte jenseits der Wildebene, in Sichtweite zu den Eisentalerspitzen, und alles ganz für uns. Das Abenteuer Verwall- Durchquerung beginnt. Durch optimales Tourengelände geht es bergan, teils steil mit den Ski auf dem Rücken, teils nahezu eben zwischen flach abfallenden Hängen hindurch bis zu unserer Selbstversorgerhütte.
Ein Gipfel darf's noch sein
Nachdem die Tür freigeschaufelt, das Holz gehackt und die erste Ladung Schnee geschmolzen ist, stellen wir fest: das Wetter ist viel zu schön, der Schnee viel zu fluffig und der Tag noch lang genug, um nicht noch einen kleinen Gipfel in der näheren Umgebung anzupeilen. Unsere Spitzkehren legen wir noch im Schatten zurück, doch nach einer guten halben Stunde verschlägt es uns fast den Atem: Nach Westen schauend erleben wir auf einem kleinen, namenlosen Gipfel im Verwall einen unvorstellbar schönen Sonnenuntergang. Fotosession ist angesagt, die Stimmung ist ausgelassen, die gut 1.000 Höhenmeter Aufstieg an diesem ersten Tag spürt keiner mehr. Im letzten Tageslicht sucht sich jeder seine Line zurück zur Hütte, die Berge um uns herum glühen, was das Zeug hält.
Der ordentliche Föhnsturm kündigt bereits einen Wetterwechsel an, wir schauen zu, dass wir in die gemütliche Hütte kommen und die Nudeln zum Kochen bringen. Richtig, es gibt Nudeln, zweierlei Pesto, Parmesan (!), Weißwein (!!) und Schoggi zum Nachtisch. All das hat unser Simon bereits die Tage zuvor auf einer Versorgungstour hinaufgetragen und wir lassen es uns richtig schmecken. Am großen Holztisch sitzend werden nun unser aller Geschichten zum Besten gegeben. Wir erfahren, was Vreni alles in ihrem Riesenrucksack hat und dass man Daunenfäustlinge auch prima als Hüttenschuhe verwenden kann. Gegen 22 Uhr verkriechen wir uns langsam in unsere Schlafsäcke, der starke Wind zerrt am Dach, das Feuer knackt und knistert im Ofen, es ist mollig warm. Die Schnarchquote hält sich in Grenzen, also hat am nächsten Tag keiner eine Ausrede.
Ein Local findet immer noch Powder
Wir steuern die Östliche Eisentalerspitze an, über das links von uns gelegene Joch fegt der Föhn beim Aufstieg über uns hinweg. Die etwas leichteren Teilnehmer(innen) des Camps müssen aufpassen, während einer Spitzkehre nicht umgeweht zu werden. Aus ebendiesen Gründen besteigen wir - sehr zu Vrenis Leidwesen - nicht den Gipfel, sondern fahren direkt über perfekte Freeride-Hänge ins Tal ab. Obwohl es länger nicht geschneit hat, sogar teilweise im unberührten Powder. Und wir lernen: Ein Local findet immer noch Powder. Egal wann.
Bevor wir abends die nächste Hütte auf unserer Verwall-Runde im Silbertal erreichen, werden wir noch zwei Täler überqueren. Wir fellen daher wieder auf und steigen bergan, die letzten Meter müssen wir booten. Am Joch kämpft sich für uns, beziehungsweise die nächste Abfahrt, sogar die Sonne durch und in gigantischer Kulisse, im filmreifen Licht, fahren wir ab. Der letzte Aufstieg des Tages steht an, wie die ganze Zeit schon in einer grandiosen Landschaft. Für heute zum letzten Mal wandern die Felle in den Rucksack, und über ideales Gelände, zuletzt durch den Wald und über einen Forstweg (Naturschutzgebiet!), cruisen wir hinab ins Silbertal, bis direkt an "unsere" Jagdhütte. Der Tag hatte es in sich: 1.200 Höhenmeter bergauf, 2.500 Höhenmeter in der Abfahrt.
Hütte mit Schmankerln
An der idyllisch im Wald gelegenen Jagdhütte wartet schon Regina, Simons Freundin auf uns - zusammen mit schneegekühltem Bier, Bananenmuffins, Antipasti und Grissini. Was für eine Begrüßung! Fast getoppt wird das ganze noch durch die Hütte selbst: Kamin, Bärenfell und Jagdtrophäen an den Wänden, Whirlpool-Badewanne und Vorarlberger Käsefondue. Selig grinsend sitzen wir im Wohnzimmer, das Feuer lodert - plötzlich beginnt ein Skischuh zu qualmen! Soviel zu "nicht zu dicht an die Heizung stellen". Gerade noch rechtzeitig retten wir das Brandopfer vor den vernichtenden Flammen. Ein wenig angeschmort riecht es zwar, aber der Schuh passt noch - Gott sei Dank. Wir ratschen und quatschen uns bei ein paar Gläsern Wein durch den Abend, denken an diesen perfekten Tag zurück und freuen uns schon, wie das Verwall-Abenteuer weiter gehen wird. Denn es ist Neuschnee gemeldet...
Abstecher ins Montafon
Und tatsächlich: vielleicht 15 Zentimeter Neuschnee hat's über Nacht hergetan und das Silbertal gibt sich noch märchenhafter als ohnehin schon. Über einen langen Forstweg gleiten wir nach dem Frühstück geschmeidig talauswärts bis zur Raumstation - äh, Kapell-Bahn, von wo aus wir wie in kleinen Satelliten (in Wahrheit sind es stylische Retro-Kabinen für zwei) bergan schweben: Hello Skigebiet Silvretta Montafon! Die nächsten Stunden toben wir uns am Hochjoch aus. Simon zeigt uns die besten Varianten in seinem Heimatskigebiet und die Begeisterung von "Bergbahn-Insider" Regina über ihren Arbeitsplatz steckt uns alle an.
Wo der Tag begonnen hat, endet er (fast) auch: Wir fahren durch den dick verschneiten Wald wieder ins Silbertal, shutteln zur Kristbergbahn und belohnen uns oben für die einige tausend Höhenmeter dieses Wochenendes mit lecker Rösti, dicht gefolgt von Käsesahne-Torte. Ein wenig wehmütig wird uns ums Herz, als schließlich die letzte Abfahrt vom Kristbergsattel bis hinab nach Dalaas hinter uns liegt und wir wieder an der Sonnenkopfbahn einlaufen. Schöner als Vreni kann man es kaum sagen: "Es ist so viel zwischen dem ersten unsicheren 'Griaß di' bis zur herzlichen Umarmung mit 'Bis Bald' am Sonntag passiert." Was das genau ist, kann man nur schwer beschreiben. Man muss es erleben und dazu hatten wir die Möglichkeit. DANKE!
Infobox:
Das Gebiet/Die Tour:
Die Tour mit Start und Ende bei der Sonnenkopf Bahn im Klostertal (Vorarlberg) durchquert das einsame Verwall Gebirge zwischen den bekannten Skigebieten Arlberg und Montafon. Das ursprüngliche Gebirge bietet viele 1.000 Höhenmeter pures Natur- und Skierlebnis vom Feinsten und rustikale, gemütliche selbstversorger Hütten. Besonders freerideorientierte Tourengeher, die mit dem Lift starten, dann aber eine alpinistische Herausforderung im Aufstieg sowie in der Abfahrt suchen, werden in diesem Gebirge eine große Freude haben und sich wie auf einem Spielplatz fühlen. Gipfelbesteigungen, steile Couloirs und Steilwandabfahrten können hier erreicht und erlebt werden (so zum Beispiel das Bettlerkar, die Schwarze Wand oder die Östliche Eisentälerspitze). Das Verwall ist ein ausgewiesenes NATURA 2000 Schutzgebiet und damit ein wichtiger Rückzugsraum für viele wilde Tiere. Unbedingt an die NATURA 2000 Richtlinien und den eigens für dieses Gebiet erstellten Managementplan halten! Bei der Verwall Durchquerung mit Guide Simon wurden die vielen Anstiege und Übergänge auf die Östliche Eisentälerspitze, Ameisjoch und dem Fellimännli mit Lift unterstütztem Freeriden am ersten bzw. letzten Tag aufgelockert: Das Skigebiet Sonnenkopf und die Silvretta Montafon können in die Route bestens integriert werden und sorgen für zusätzliche Abfahrtshöhenmeter im Powder. Prädikat: Empfehlenswert für freerideorientierte Tourengeher!
Guide Simon:
Simon Wohlgenannt, leidenschaftlicher Skifahrer, Abenteurer und staatlich gepr. Skilehrer und Skiführer lebt in Schruns im Montafon und bezeichnet die ihn umgebende und beeindruckende Gebirgsregion als sein Trainings- und Guiderevier. Die Verwall Durchquerung, andere Skitourenerlebnisse und Skiabenteuer können seit neuestem über die Homepage von Simon gebucht werden – schaut vorbei, denn: Adventure begins here! www.guidesimon.at
Anreise:
Die Region Verwall liegt im Süden Vorarlbergs und am südwestlichen Ende Österreichs. Die Anreise aus Deutschland erfolgt über den Pfändertunnel , die Rheintalautobahn A14, den Ambergtunnel bis zur Abfahrt Bludenz/Montafon, von wo man entweder der S16 bis zum Skigebiet Sonnenkopf folgt oder auf die L188 Montafoner Straße abbiegt und dieser bis zum Skigebiet Silvretta Montafon in Schruns folgt.