Madeira | Poncha on the Rocks
Egal wie vollgepackt ihr Kalender als Mountainbike Profi ist – für einen Trip mit ihrem Team, den Contessa Mädels schaufelt sich Karen Eller immer einen Termin frei. Diesmal erobern die fünf Mädels, die Blumeninsel Madeira und entdecken dabei hochkarätige Trails in üppigster Vegetation.
Wieviel paßt rein in die weiße Tüte? Das überlege ich, während mein Magen rechts und linksdrehend seine Position sucht. Ähnlich wie der Flieger seine Position auf die Landebahn sucht. Ein architektonisches Meisterwerk ist dieser Flughafen. Die Landebahn ist auf riesigen Stelzen ins Meer gebaut. Mein Sitznachbar erzählt mir während des Anfluges, dass dies einer der schwierigsten anzufliegenden Flughäfen Europas ist. Ein Rumsen und wir setzen auf. Endlich Boden unter den Füßen.
Kathrin, Fien, Lisa, Andi und ich wollten weg von schlechtem Wetter und den überlaufenen Trails südlich der Spaghettigrenze, außerdem lieben wir alle Blumen. Madeira! Was ein Wanderparadies ist, ist meist auch ein Bikeparadies, dachten wir uns. Bei unserer Recherche merkten wir bald, dass es kaum brauchbares Kartenmaterial gab oder Beschreibungen von Trails oder Touren. Unser Entdeckergeist war geweckt. 23 kg durften wir im Flugzeug mitnehmen. Nicht einfach, wenn das Bike mit Zubehör schon ungefähr 20 kg wiegt. Mit einer Zahnpastatube für alle, ein Duschgel, eine Bodylotion, eine riesen Dose Antifaltencreme ab 30, eine Wimperntusche blieben für uns fünf für jeden noch 2 kg Gepäck. Somit erreichten wir genau die Schallgrenze und mussten keinen Aufpreis für Gepäck bezahlen.
Sergio und Pedro, zwei knackige Bikeguides, holen uns am Airport ab. Wir sind entzückt. Das Gepäck wird uns abgenommen, auf den Truck geladen. Und schon geht die Reise los. Die Jungs arbeiten für einen der wenigen lokalen Mountainbikeanbieter und kennen Insel und Trails wie ihre Westentasche. Nach dem Check in im Hotel landen wir mit großem Hunger in einem netten Restaurant um die Ecke. Meterlange Fleischspieße vom Grill (Espetada)– Schaschlik auf madeirisch-lecker! Der warme Wind weht uns auf der Terrasse um die Ohren und wir sind gespannt, was uns morgen erwartet.
Sergio und Pedro laden unsere Bikes am nächsten Morgen vorm Hotel auf. Sergio fährt das Shuttle auf eine Hochebene, von der wir einen traumhaften Blick über die Insel hatten. Auf dem Weg sehe ich riesige Eukalyptus Bäume. Plötzlich wird aus dem Eukalyptus Ginster. Alles leuchtet gelb. Zwischen dem Ginster kommt immer wieder die wunderschöne lila Pride of Madeira zum Vorschein. Wir machen einen kurzen Zwischenstopp an einer Bar. Espresso für 55 cent. Pedro erzählt uns, dass Madeira sehr bekannt unter Surfern der Weltspitze ist. Der Billabong Surfcontest findet jährlich dort statt. Fien bekommt glitzern in den Augen. Surfen heißt auch, dass es hier irgendwo eine Armada cooler Surfdudes geben muß. Doch nun wollten wir erstmal die Trails unsicher machen. Nach ein paar Aufwärtsmetern biegen wir rechts ab und es geht über eine helle Grasweide immer mit Blick auf das Meer in den gelben Ginster. Wir juchzen vor Freude, flow pur, gespickt mit kleinen Adrenalinkicks, endless Singletrail. Die Landschaft wechselt, die Botanik wechselt, wir verschwinden nacheinander im Eukalyptus Wald. Unzählige Tiefenmeter werden vernichtet, es gibt hin und wieder kleine Crashes, aber nix schlimmes. Das Shuttle pickt uns an einer Kreuzung wieder auf. Schnell aufgeladen geht es wieder hoch. Der Drop Inn zum nächsten Trail sieht nicht sehr sympathisch aus. Die Abdrücke in der Wiese unterhalb des Trails lassen auf unzählige Biker crashs schließen. Andi, unsere jüngste, rutscht auf dem staubigen Boden, kriegt die Kurve nicht und hinterläßt einen weiteren Abdruck neben dem Trail. Über und über verschrammt ist sie im Gesicht, Klamotten und Haare gepudert, und der Bremshebel der Vorderradbremse ist abgebrochen. Wir anderen vier lachen und fluchen. Andi schiebt ihr Bike wieder hoch und verbringt den Rest des Tages mit Sergio im Shuttle. Wir hingegen werden übermutig, vor lauter Trailwahnsinn. Plötzlich rutscht auch mir das Vorderrad weg. Kopfvoraus in den Staub. Ginsterdornen in den Beinen ist nicht lustig! Aber sie sind so lang und dick, dass sie sich sorgfältig einzeln rausziehen lassen. Nach so einem Tag sind wir hungrig. Doch Pedro und Sergio haben anderes mit uns vor. Wir stoppen an einer Bar. Algarvenblaue Türen und Wände. Ein paar Locals sitzen auf Hockern vor der Tür und schälen Peanuts, die Schalen werfen sie auf den Boden. Portugiesische Rythmen dringen zu uns nach draussen. Wir folgen Sergio in die Bar. Drinnen ist der komplette Boden übersät mit Erdnussschalen. Der Wirt lacht uns einladend an und fängt an zu mixen. Wir sehen ihm gespannt zu, was er da so in seinen Mixer kippt. Rum, Zitronen und Orangensaft, frisch gepresst, und dann noch ganz viel Honig dazu. Dieses Teufelszeug Poncha schmeckt so höllisch lecker, dass wir versucht sind, ein weiteres Gläschen zu nehmen. Doch Kathrin und ich haben bereits so einen im Kahn, dass wir den Jungs unmißverständlich zu verstehen geben, dass wir nun Kohldampf haben. Mit viel Gekicher rollen wir mit unseren Bikes die Strasse runter Richtung Meer. An der nächsten Taverne lehnen wir sie an die Häuserwand des Restaurants. Der kahlköpfige Kellner leitet uns zu einem großen Tisch mit Blick aufs Meer. Sofort wird aufgetischt. Winzige Schnecken, so wie man sie bei uns im Garten findet, mit kleinem Häuschen obendrauf. Caramujos lautet ihr Name. Sergio zeigt uns, wie man sie mit kleinen Zahnstochern aufgespießt und elegant auf der Zunge zergehen läßt. Andi verzieht das Gesicht, aber ist tapfer. Und sie schmecken wirklich absolut grandios. Dazu gibt’s natürlich mehr Poncha! Der Abend nimmt so seinen Lauf und irgendwann fallen wir ins Bett.
Am nächsten Morgen ist John dran. Er hat es schwer. Keine von uns fühlt sich nach diesem späten Abend frisch, um mit unserem heutigen Guide ein paar nette Sätze zu plaudern. Wir kommen im dichten Nebel oben an. Die Bikes werden abgeladen. John ist von einem anderen lokalen Anbieter.Er fackelt nicht lang rum, sondern verschwindet im Nebelgrauen. Wir müssen ihm schnell folgen. Wenig Sicht nach unten, und wenig Sicht auf dem Trail, aber ein mystisches Trailerlebnis durch sattgrüne Wiesen, Eukalyptus- und Mimosenwälder sorgt schnell für sehr gute Laune bei uns. In der untersten Botanikebene lichtet sich der Nebel und wir kommen in einen Lorbeerwald.
Dieser entpuppt sich als feuchter Regenwald. Anspruchsvoll sind die madeirischen Trails eh schon, aber die feuchte Gleitschicht auf den Steinen macht es zu einem echten Abenteuer. Madeira ist definitiv nichts für Weicheier. Freeriden heißt der Bikesport hier. Knieprotektoren sind Pflicht und viel Federweg ebenso. Außerdem tut man gutes, ein dickes Reifenprofil auf die Felgen gezogen zu haben und mindestens 8 bis 10 Schläuche pro Tour im Rucksack mitzuführen.
Mit dem letzten heilen Schlauch landen wir dann auch am Meer. Fien ist die erste, die ihr Bike an die Hauswand dieser coolen Surferbar lehnt, sich die Bikeschuhe auszieht und mit ihren rotlackierten Fußnägeln in Richtung Wasser tänzelt. Sie hat Surfboards gesichtet. Das Wasser ist erfrischend. Die Bar, natürlich das beste Restaurant der Insel. Es gibt black Espardus, Caramujos, Degenfish mit Banane und Maracuja und Sparda, den Fleischspiess. Dazu Poncha und viel Wein. Zu später Stunde nehmen wir heute doch lieber das Shuttle als 500 Höhenmeter per pedes zurück. Mit viel Schrammen und blauen Flecken an den Beinen, aber einem grandiosem Bikeerlebnis vom Feinsten müssen wir am nächsten morgen bereits dieses Trail- und Blumenparadies verlassen. Aber wir kommen bald wieder!