bergstolz

The white Maze


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Ein Skiabenteuer in Nordostsibirien in der Nähe des kältesten bewohnten Ortes der Welt und die Erstbefahrung der höchsten Erhebung des Chersky Gebirges, den Gora Pobeda (Berg des Sieges).

Wir waren nicht nur auf ein spektakuläres, sondern auch auf ein menschenfeindliches Bergabenteuer eingestellt. Wir, das sind Matthias Mayr und Matthias „Hauni“ Haunholder und unser Team Johannes Aitzetmüller (Kamera), Moritz Sonntag (Kamera) und Jonas Blum (Fotograf) wagten den Trip auf den Gora Pobeda im Nirgendwo: 3003 Meter hoch, 1300 Kilometer von der nächsten Stadt entfernt.

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Immer wieder wurden wir gefragt, warum ausgerechnet dort hin? Weil wir den Gebirgszug auf dem Rückflug von unserem letzten Skiabenteuer auf Onekotan, als wir über Sibirien nach Hause flogen entdeckten. Sibirien: Da denken wohl die meisten Menschen an ewige Weite und verschneite Ebenen. Zufällig schauten wir aus dem Fenster, ein großes weißes Labyrinth von Bergen erstreckte sich unter uns. Aus diesem Grund haben wir uns für den Filmtitel „The White Maze“ entschieden. Wir scherzten noch, dass wird unser nächstes Projekt werden. Nach einem Jahr waren wir tatsächlich dort. Natürlich haben wir uns vor unserem ersten Trip nach Sibirien so gut es geht erkundigt um herauszufinden was dort auf uns zukommen wird. Leider waren die Infos eher spärlich. Dass sich der kälteste bewohnte Ort der Erde in der Region befindet, haben wir bald herausgefunden, genau wie Jakutsk, die kälteste Stadt der Welt. In Jakutsk befindet sich auch der nächstgelegene Flughafen unseres Zieles, ca. 1300 Km entfernt. Größere Probleme hatten wir bei der Suche nach geeignetem Kartenmaterial von Ostsibirien. Eigentlich nicht die besten Voraussetzungen, um eine Erstbefahrung ordentlich planen zu können. Auch die Google Earth Aufnahmen sind dort keine große Hilfe wegen der geringen Auflösung.

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Unser Plan beim 1. Trip Ende Januar war, Kontakte zu den Einheimischen herzustellen und im besten Fall jemanden zu finden, der bereits in dieser Gegend war. Hansjörg Franz aus Tirol war vor einigen Jahren im Sommer mit seinem Enduro Motorad in Yakutsk. Von ihm habe ich den yakutischen Kontakt Namens Bolot bekommen. Bolot ist ein Einmann-Reiseunternehmen aus Ost-Sibirien mit guten Englischkenntnissen. Er war beeindruckt von unserem Vorhaben und unterstütze uns sehr gut und organisierte bereits einiges vor unserer Ankunft in Yakutsk. Ajar ein Freund von ihm, der neben russisch und englisch auch perfekt deutsch und jakutisch sprach machte uns auf eine Nomadenfamilie aufmerksam, welche in der Nähe des Gebirgszuges ihr Winterlager hatte. Zufällig einen Tag vor unserer Ankunft in Yakutsk konnte Bolot jenen Mann ausfindig machen, der mit seinem russischen Kleinbus regelmäßig die 1300 Kilometer zu den Nomaden zurücklegte, um sie mit dem Notwendigsten zu versorgen und im Notfall die dort lebenden Menschen für einen Arztbesuch in die Großstadt zu bringen.

Somit hatten wir eine gute Möglichkeit um in die Nähe des Berges zu kommen. Wir wollten unbedingt noch jemanden finden der schon mal am Gora Pobeda war, um uns detaillierte Infos für unser Vorhaben zu liefern

Bolot aktivierte sein Netzwerk und wurde fündig. In der Sowjetzeit wurden von der Armee Expeditionen und Ausbildungen im Chersky Gebierge durchgeführt. Die Anreise war damals auf eine russische Art und Weise leichter zu organisieren. Die Soldaten wurden einfach mit einem großen Mi8 Helicopter mit mehrmaligen tanken in die Berge geflogen. Damals in den 60er Jahren gelang auch die Erstbesteigung des Gora Pobedas. Vasily ein ehemaliger Soldat lebt in Yakutsk und konnte den Gora Pobeda in den 80er Jahren besteigen. Bolot arrangierte ein Treffen mit Vasily und er war bereit uns detaillierte Informationen zu diesem Berg zu geben. Ein weiterer Kollege von Vasily hatte sogar noch alte Fotos aus dieser Zeit vom Pobeda sowie eine sehr ungenaue Karte vom Gebirge. Dadurch waren wir einen Schritt weiter.

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Aber, wir wussten immer noch nicht wie wir den letzten beschwerlichen Weg in die Berge hinein bewältigen sollten. Wir mussten mit den Nomaden sprechen, die 1300 Kilometer entfernt in ihrer Blockhütte überwinterten. Es war klar was als nächstes am Programm steht. Wir haben nur die Option mit dem Kleinbus (UAZ) nach Sasyr zu fahren damit wir zumindest in die Nähe der Nomaden kommen. Circa 42 Stunden später waren wir da. Der Fahrer Pasha, der mit den Nomaden aufgewachsen war, hat in Summe nur zwei mal zwei Stunden über das Lenkrad gebeugt geschlafen während der Dolmetsch kerzengerade neben ihm saß, nach mehrmaligem Steckenbleiben im Schnee und der Bergung eines anderen Kleinbusses, wobei die Insassen womöglich gestorben wären bei einer Außentemperatur von unter -50 Grad, nicht mehr an sitzen zu denken waren wir endlich da. Die Menschen die dort leben, haben definitiv ein hartes Leben und vor allem wie sie ihren Alltag bewältigen ist mehr als beeindruckend. Von dem von der Straße 300km entfernten und im Winter abgeschnittenen Ort Sasyr organisierte uns der Fahrer Pasha eine 3 stündige Skidoofahrt zum Nomadenlager. Dort angekommen wurden wir freundlich von der Nomadenfamilie empfangen und sie servierten uns ein köstliches Abendessen - Reintierfleisch, im Fett herausgebackene Teigwaren mit Preiselbeermarmelade und russischem Schwarztee. Neben dem Ofen sitzend, welcher aus einem alten Ölfass zusammengeschweißt wurde, stellten sie uns viele verschiedene Fragen und vor allem interessierten sie sich für unser Vorhaben. Wir antworteten, dass wir vom Gora Pobeda mit Skiern herunter fahren wollen. Sie schüttelten den Kopf und meinten, wir sind ein paar Verrückte, die einen Berg besteigen wollen, auf dem noch nie einer von ihnen gewesen war, noch dazu mit Skiern, aber sie waren freundlich und versprachen Unterstützung in Form ihrer Rentierschlitten, um den Anmarsch zum Berg zu verkürzen. Mit dem Thema Skifahren konnten sie wenig anfangen, sie hatten zwar Langlaufskier, welche sie für die Jagd verwenden. Aber mit zwei Brettern die Berge hinunter zu fahren, nur aus Spaß war für sie eher etwas Neues. Sie kannten keinen einzigen berühmten Skifahrer. Biathlon ist eine Sportart die ihr Interesse mehr erweckt, da es wahrscheinlich eher zu ihrem täglichen Leben passt. „Dominik Landertinger“, sagte ich. Oh ja den kennt man hier aus dem Fernsehen. Sie mögen zwar in der Nordöstlichen Ecke von Sibirien wohnen, trotzdem sind sie nicht aus der Welt. In Jakutien ist Biathlon deutlich populärer als Skifahren.Die Nomaden erwähnten mehrmals, dass wir spätestens am 9. Mai mit unserer Expedition wieder vom Berg retour sein müssen, denn andernfalls würden die Flüsse, die natürlichen Verkehrswege im Winter, aufzutauen beginnen und für die nächsten Monate unpassierbar werden. Ohne diese Information wären wir hoffnungslos gescheitert.

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Aus unseren Erfahrungen war klar, dass wir möglichst spät im Frühjahr aufbrechen werden, dass sich der extrem trockene, bodenlose Schnee setzen kann. Nach wie vor hatten wir noch viele Fragen zu beantworten. Die Nomaden hatten uns mehrfach von den großen Lawinenabgängen gewarnt, aber auf diesem Metier kennen wir uns wahrscheinlich besser aus. Uns war klar, dass wir die Lawinensituation vor Ort einschätzen müssen und das Wetter, den Wind, die Sonneneinstrahlung ausreichend lange beobachten sollen, sowie verschiedenste Schneeprofile in allen Expositionen und unterschiedlichen Höhen zu graben haben um ein Gefühl für die lokale Lawinensituation zu bekommen. Auf diesem Gebiet verlassen wir uns auf niemanden. Es gilt alle Fakten korrekt zusammen zu fassen.

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Alle Jakutier, die wir getroffen haben, haben gesagt, dass unser Vorhaben unmöglich ist. Man kann im Winter nicht auf diesen Berg steigen, man kann nicht mit Skiern runterfahren. Davon haben wir uns nicht beirren lassen. Für uns war nur wichtig unser Ziel zu erreichen und welche Faktoren nötig sind um unser Ziel zu realisieren. Ende April starteten wir dann unsere Expedition. Unsere aufwendige Vorbereitung machte sich bezahlt. Wir hatten für jegliche Eventualitäten einen Plan B. Die Rentiere, welche uns beim Transport helfen sollten waren weg. Sie waren früher als in den letzten Jahren losgezogen und die ersten Kühe waren bereits trächtig. Unser im Jänner geschlossener Deal war hinfällig. Doch mit ihren alten Motorschlitten haben sie uns so weit gebracht, wie es eben ging.“ Für die nächsten zwei Kilometer ohne Motorschlitten, brauchten wir sechs Stunden und kamen an den Rand der Erschöpfung. Der Schnee war wie Schaum, einfach nur bodenlose. Nur Rentiere kommen mit solchen Bedingungen klar, wenn sie eben noch da wären. Es wurde schön langsam spät und wir beschlossen einfach hier an Ort und Stelle, noch weit weg vom Pobeda, das Basecamp aufzuschlagen. Am Folgetag gingen wir mit unseren Skiern, ohne Pulka-Schlitten und mit jeweils ca. 40kg am Rücken weiter um eine Spur zu legen und ein vorgeschobenes Lager aufzuschlagen. Die Berge waren zwar noch in Wolken, aber übers Satellitentelefon bekamen wir die Info, dass das Wetter für die kommenden 4 Tage passen würde. Dieses Schönwetterfenster mussten wir nutzen. Jeder der kommenden Tage wurde vom Sonnenauf- bis Untergang ausgenützt. Um diese Jahreszeit auf Höhe des Polarkreises, sind das ausgiebige Tage mit bis zu 16 Sonnenstunden pro Tag. Im vorgeschobenen Lager richteten wir uns eine Schneehöhle ein, da diese in den kalten Nächten besser vor der Kälte schützt als ein Zelt. Wir wussten immer noch nicht, ob wir den Pobeda über die Süd- oder Nordseite besteigen sollten und ob die Schneequalität ausreichend ist, um ordentlich Ski zu fahren. Daher wählten wir einen gegenüberliegenden Berg mit einer Eisflanke um 1. die Pobeda Südseite einzusehen und 2. die Schneebedingungen beim Skifahren zu testen. Wir erkannten eine Rinne, welche zu einem Sattel auf den Pobeda führte, extrem steil und eine ordentliche Wächte am Ende der Rinne, wir konnten sie nicht komplett einsehen und waren nicht sicher ob diese durchgehend ist. Unsere Erste Abfahrt über die Nordseite des gegenüberliegenden Berges war eine Mischung aus kompaktem Windharschdeckel und Gletschereis. Nicht wirklich berauschend aber ein geiles Gefühl endlich Ski zu fahren, eine Genugtuung und einen Schritt weiter. Wir beschlossen noch am Abend, dass wir den Pobeda einfach am nächsten Tag über die Südseite probieren werden. Durch die enormen Anstrengungen der Vortage war schon eine deutliche Müdigkeit bei der ganzen Crew zu spüren, aber wir müssen das Ding nun durchziehen. Nur das Nötigste wurde an diesem Tag X eingepackt. Dann gings auf! Beim Aufstieg wurden noch Kamerapositionen von Moritz und Johannes besprochen und unser Fotograf Jonas wollte mit uns auf den Gipfel. Die Skier mussten wir nach einem ca. 3h Anstieg abschnallen und dann ging’s mit dem Steckpickel bewaffnet die spektakuläre Rinne hinauf. Der Schnee war gut zum Stapfen und zum Skifahren sah es auch einigermaßen gut aus. Die Rinne hatte einen Knick in der Mitte und es war fraglich ob es da wohl durch ging, oder ob wir eine Kletterei einbauen müssten? Zum Glück ging es durch, genial somit schafften wir das Ding! Jeder einzelne von uns ging seinen eigenen Speed und war voll motiviert dieses Vorhaben jetzt durchzuziehen. Die Wechte hing ständig sehr furchterregend über uns, sollte sie brechen, müssten wir schnell reagieren. Am Sattel ange kommen warfen wir einen Blick über die Nordseite hinunter, extrem steiles Gelände und ein fast durchgehender konvexer Hängegletscher, unfahrbar. Den Gipfel holten wir uns noch, über einen schmalen mit lockeren Steinen und überwechteten Grad haben wir die Besteigung geschafft! „Yeah! Sau geil!“ Die Befahrung der Rinne war dann das Highlight unseres Trips. Der sehr steile obere Teil führte durch eine Engstelle, zu steil und zu lange um straight durch zu schießen und eng genug, dass die Skienden und Spitzen sich verkeilten . Die Schneebedingungen waren bescheiden, aber zu wissen, was wir gerade geschafft haben, war vor einem Jahr noch undenkbar. Im Lager angekommen, waren wir fix und fertig, jedoch erleichtert und überglücklich zugleich!

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Am Folgetag legten wir noch eine Erstbefahrung einer steilen, eisigen Nordflanke hinterher, bevor wir uns am nächsten Tag bei schlechter werdenden Wetter zum Pickup-Point talauswärts bewegten. Dort erwarteten uns bereits die Nomaden mit ihren ramponierten Skidoos. Unglaublich wie schnell der Schnee in den letzten Tagen geschmolzen war und die Bäche angeschwollen sind. Die 20-stündige Fahrt von Sasyr nach Ust Nera (ca. 300km) legten wir dann auf der Ladefläche eines russischen URAL LKWs zurück.

Wieder einmal ein unvergessliches und geniales Skiabenteuer auf das wir mit Stolz und Freude zurückblicken!

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