POWDER, CHACHA & DAS HIPPE TIFLIS
Caja Schöpf und Sandra Lahnsteiner sind zwei professionelle Freeriderinnen. Während Sandra nebenher noch Skifilme produziert und als Mental Coach arbeitet ist Caja Sportpsychologin, Sportmodel und pendelt zwischen dem City Life in München und den Bergen hin und her. Caja und Sandra kennen sich durch die Dreharbeiten von Sandra’s Shades of Winter Filmen, der größten reinen Frauen Skifilm Produktion. Es ist nun eine Weile her, dass die beiden das letzte Mal gemeinsam unterwegs waren. Genauer gesagt etliche Jahre, zu Dreharbeiten in Japan. Viel zu lange, wie die beiden auf der ISPO 2018 beschlossen, und kurzerhand spontan einen Film- und Phototrip nach Georgien organisierten – einem der wenigen Länder, das Caja und Sandra noch nicht auf ihrer ewig langen Skitrip Liste hatten. Also warteten sie auf einen frischen Schneefall, buchten Flüge und machten sich auf, um weit mehr als einen reinen Skitrip zu erleben – eine Skireise.
Die Entscheidung nach Georgien zu fliegen war ziemlich spontan, aber Sandra und ich waren uns einig, dass es ein Land sein muss, welches uns nicht nur gute Berge und guten Schnee zu bieten hat, sondern auch unseren Hunger nach Fernweh und neuen Reisezielen stillte. Und nachdem wir ja schon viele Länder bereist haben, war es auch nicht ganz leicht ein Ziel zu finden, das wir beide noch nicht kannten. Schließlich fiel die Wahl auf Georgien, einem Land, das mit 69.700 km² ungefähr so groß wie Bayern ist. Dass Georgien unter den Vollblut Skifahrern sicherlich kein Geheimtipp mehr ist, war uns natürlich klar, aber davon wollten wir uns selbst überzeugen. Somit trafen wir die Entscheidung, das kleine Land zwischen Russland, Aserbaidschan, Armenien und der Türkei zu entdecken und im besten Falle viele positive Erfahrungen und Erlebnisse auf Film und Photo mit nach Hause zu nehmen. Gemeinsam mit dem Kameramann Adrien du Cos de Saint Barthélémy, dem Photographen Thomas Marzusch, meinem Bruder und Helfer Felix Schöpf und dem jüngsten Bergführer Deutschland‘s, Ludwig Karrasch, machten wir uns auf den Weg.
Die Reise begann am Flughafen München, wie immer auf solchen Trips mit unzähligen Taschen und Skibags. Von München aus flogen wir über Istanbul nach Tiflis, der Hauptstadt von Georgien – welche sich später noch als richtige Hipster Hochburg raustellen sollte. Dort übernahmen wir unseren Mietwagen, der eher einem Amphibienfahrzeug glich, was aber sehr sinnvoll war, wie sich noch herausstellte. Als wir mit viel Mühen 6 Skibags und diverse Taschen mit Kamera Equipment verstaut hatten, setzte ich mich mitten in der Nacht ans Steuer und wir irrten durch die Straßen der Hauptstadt, bis wir endlich auf der georgischen Heerstraße waren, welche uns nach Stepanzminda, nahe der russischen Grenze, bringen soll. Sie ist 213 Kilometer lang und durchquert das Gebirge zwischen Russland und Georgien. Dabei erreicht sie eine Höhe von 2382m und diente seit Jahrtausenden den Händlern und Soldaten. Das Navigationssystem gab uns 2.5h Fahrt an, was sich aber bald als völligst unrealistisch erwies. Die Straßen sind bei weitem keine Autobahnen wie bei uns, es schneite wie verrückt und die unzähligen LKWs Richtung Russland und Armenien bildeten endlose Schlangen und Blockabfertigungen. Aus 2.5h wurden somit 5 Stunden bis wir im atemberaubenden Boutique Design Hotel „The Rooms“, am Fuße des Kasbek, dem dritthöchsten Berg Georgiens ankamen. Mit viel Liebe zum Detail und einem beeindruckenden Blick auf den Gletscher des Kasbek und der darunter liegenden Kirche der Dreifaltigkeit ist dieses Hideaway ein wirklicher Juwel und einen Abstecher wert.
Das „The Rooms“ Hotel war unser Ausgangspunkt der kommenden Tage, von welchem aus wir die Weiten des Kaukasus erkundeten. Begleitet wurden wir täglich vom gesamten Team, um unsere Erlebnisse auch festzu - halten und gemeinsam mit Ludwig Karrasch, der vor allem durch seine große Erfahrung und seine Geduld ein wichtiger Begleiter war, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Neben sehr anspruchsvollen Skitouren und Abfahrten gibt es auch Skitouren Varianten für Jedermann. Wer Lust auf Skitouren hat und einmal die unverspurten Powderhänge des Kaukasus erleben möchte, ist in Georgien genau richtig und sollte sich beeilen, bevor der Hype noch größer wird. Denn noch findet man einsame Skitouren irgendwo im Nirgendwo oder unverspurte Abfahrten, aber es ist jetzt auch nicht so, als dass man ganz alleine auf der Suche nach dem weißen Gold wäre.
Jeden Tag erkundeten wir eine neue und für sich jedes Mal einzigartige Tour. Ob es die zahlreichen Skitouren direkt von der Georgischen Heerstraße aus waren, am Rande des bekanntesten Skigebietes Gudauri wo sich die Touristen tummeln oder eine Skitour auf den einsamen Berg Deda Enas (3285m), jeder Tag für sich war anders und eindrucksvoll. Natürlich ist man auch in Georgien lange nicht mehr komplett einsam und angeschnitten von der Zivilisation, aber die Weiten des Kaukasus sind trotzdem zu spüren. Besonders zu spüren waren diese Weiten am Fuße des Kasbek, wo die Kirche der Dreifaltigkeit steht. Sie steht dort, erhaben über Stepanzminda, einem der letzten Orte vor der russischen Grenze und strahlt eine unheimliche fast mystische Atmosphäre aus. Sandra und ich standen an der Kirche, hinter uns der beeindruckende Gletscher des Kasbek, dem Berg, wo angeblich Prometheus gefesselt wurde und hatten Gänsehaut, nicht aus Angst, sondern weil das einer dieser Momente war, die man in seinem Leben nicht mehr vergisst.
Der nächste Tag ging ebenso beeindruckend weiter. Wir machten uns auf den Weg, um das Lomisi Kloster zu finden, was sich schon bei der Hinfahrt als nicht ganz einfach gestaltet. Es war relativ schlechtes Wetter und ohne Ludwig und sein GPS wären wir total verloren gewesen oder hätten längst aufgeben und abbrechen müssen. Aber Ludwig war sich seiner Sache sicher und führte uns bei null Sicht, Schneefall und Nebel hinauf. Völligst verfroren kamen wir oben an, an einem Grad, wo ein kleines Kloster stand. Als ob sie es gespürt hätte ging sofort die Tür auf und drei Mönche in schwarzen, langen Kutten gekleidet mit langen Bärten und Haaren winkten uns grinsend hinein. In ihrer Hütte hatte es gefühlt 40 Grad und der Chacha, ein traditioneller Schnaps, tat noch sein Übriges, sodass wir mehr als aufgewärmt waren. Es gab frisch gebackenes Brot, Gebäck und noch den ein oder anderen Chacha. Die Mönche unterhielten sich mit uns mit Händen und Füßen und die Zeit verging wie im Flug. Bevor wir aber ihr Reich verließen, mussten wir noch ins Kloster, um dort einem Brauch nachzukommen. Jeder von uns bekam nacheinander eine 30kg schwere Eisenkette umgehängt und musste um eine Art Altar laufen und an seine Sünden denken. Hatte man alle Sünden in Erinnerung gerufen, durfte man die schwere Last der Eisenkette abnehmen und fühlte die „Erleichterung“ der traditionellen Beichte. Sündenfrei und mit leichtem Gemüt konnten wir uns nun somit auf den Heimweg machen. Passend und fast schon erleuchtend kam in diesem Moment auch noch die Sonne raus und man hatte Ausblick bis nach Russland. Mit diesem Gefühl der Freiheit machten wir uns auf und genossen eine lange Abfahrt im goldenen Licht der Abendsonne und einem weiteren unvergesslichen Erlebnis im Rucksack.
Auf dem Heimweg machten wir noch einen Halt am georgisch-russischen Freundschaftsmonument, welches am Rande der Heerstraße errichtet wurde. Ein rundes Monument, welches bunt bemalt mit Bildern aus beiden Kulturen ist. Man darf nicht vergessen, vor 10 Jahren herrschte in Georgien noch ein schlimmer Krieg, der heutzutage fast vergessen ist. Das Freundschaftsmonument steht an einer Schlucht und strahlt in der Abendsonne viel Kraft und Zuversicht aus. Hoffen wir, dass dies so bleibt.
Neben den atemberaubenden Landschaften, den langläufigen Bergketten bis nach Russland, lebt Georgien auch von seiner wunderbaren Kultur und seinen Landsleuten. Egal wo wurden wir zwei jungen Frauen mit einer sehr warmherzigen Gastfreundschaft empfangen, bekamen einen traditionellen Schnaps, den Chacha und wurden mit deftigen Speisen, frisch gebackenem Fladenbrot und dem zu unrecht noch wenig bekannten georgischen Rotwein verwöhnt. Mit einer geschätzten Keltererfahrung von 8.000 Jahren gilt die kleine Kaukasusrepublik als Wiege der Weinkultur. So konnten wir jeden langen und anstrengenden Skitag gemütlich abschließen und die gesamte Crew konnte sich für den kommenden Tag stärken. Georgien ist also nicht nur für die Sportbegeisterten unter uns etwas, sondern auch für die Genießer unter uns.
Was die meisten Skireisenden in Georgien außer Acht lassen, ist, dass Georgien eine unglaublich sehenswerte Hauptstadt hat, welche es sich lohnt, ein paar Tage anzusehen. Somit wurde diese Reise mit ein paar Kulturtagen in Tiflis abgerundet, wo wir in dem hippen Hostel „Fabrika“ wohnten, einer ehemaligen sowjetischen Näherei. Dort erlebt man eine spannende Atmosphäre, in welcher Moderne und Traditionalität auf eine wunderbare Art und Weise aufeinandertreffen. An manchem Flecken in Tiflis konnte man sich nicht sicher sein, ob man sich gerade in Amsterdam oder Berlin befindet, so hip waren Cafés, Hostels, Restaurants und Bars. Der Puls des Nachtlebens riss das gesamte Team mit und fand einen würdigen Abschluss für eine unvergessliche Ski-Reise, bevor es zurück nach Deutschland ging. Wer jetzt neugierig geworden ist, kann sich auch gerne unseren Film „A Journey to Georgia“ ansehen, welcher vom 10.-13.12.2018 auf den Stopps der Shades of Winter Filmfeste in München, Innsbruck, Wien und Salzburg gezeigt wird. Ich kann Georgien jedenfalls nur jedem wärmstens empfehlen, wenn man ein Ziel für einen Skitrip sucht, bei dem man mehr als nur Powder erleben und sehen möchte.