Island Sports Connect
„You are trying to kill me!“ ruft Hannah, als sie mit einem breiten Lachen auf ihrem Gesicht auf mich zufährt. Ich lache sie an und schlage mit ihr ein. Alles gut.
Wir haben soeben den ersten Teil der Abfahrt unserer ersten gemeinsamen Skitour auf Island absolviert. Zugegeben – die Einfahrt in den Hang war etwas steiler und vor allem ein wenig „sharkier“ als gedacht. Und die mausgrauen Lichtverhältnisse haben es nicht unbedingt einfacher gemacht. Es war definitiv außerhalb Hannah’s „Komfortzone“, aber genau deswegen sind wir ja hier auf Island, Hannah Barnes, Mountainbikerin aus Schottland und ich, Sandra Lahnsteiner, Skifahrerin aus Österreich. Hannah und ich kannten uns nicht vor diesem Trip. Aber Sport verbindet eben. Wir sind beide im BMW Mountains Team.
Als Hannah ins BMW Mountains Team kam, hab ich sehr bald darauf auf ihrem Instagram Channel ein Bild von ihr beim Skifahren entdeckt. Ich dachte „Moment mal – Hannah, Profi Mountainbikerin, global Specialized Ambassador, fährt Ski?!“ Da ich im Sommer super gerne auf dem Bike unterwegs bin lag die Idee nahe, gemeinsam auf einen Trip zu gehen, beide Sportarten auszuüben, sich gegenseitig zu pushen und zu unterstützen. CONNECTS eben.
Es ist nur einen Tag her, dass ich am Flughafen in Keflavik gestanden bin und auf Hannah gewartet habe. Mit dem wohl meisten Gepäck mit dem ich jemals auf einen Trip gegangen bin: Skigepäck & Bikeequipment. Denn Hannah und ich wollen eben beides machen innerhalb der nächsten drei Wochen hier auf Island: Skifahren & Mountainbiken. Hard Fact: Ich hatte insgesamt 108 kg Check-in-Luggage – nur gut, dass die Fluggesellschaft es gut mit mir meinte. Wie ich es alleine aus dem Flughafen raus geschafft hab mit all dem Zeug, will keiner wissen oder sehen…
470 km haben wir am Ankunftsabend noch zurück gelegt – von Keflavik in Südwestisland in den Norden Islands nach Dalvik. Und obwohl die siebenstündige Autofahrt erst kurz nach sechs Uhr abends gestartet ist, haben wir die komplette Strecke quasi bei Tageslicht zurückgelegt. Es ist Mitte Mai und die Nächte sind sehr hell. Der langandauernde Sonnenuntergang taucht die Insel in ein atemberaubendes Farbenspiel, das uns stundenlang begleitet.
Den ersten Tag in Dalvik nutzen wir, um uns über aktuelle Bedingungen zu informieren und unsere Ausrüstung zu kontrollieren. Tief hängende Wolken versperren uns ohnehin den Blick auf die Berge. Doch schon der nächste Tag beginnt vielversprechend, Sonnenschein und blauer Himmel motivieren uns für unsere erste Skitour. Doch schon während der 20 Minuten Autofahrt von Dalvik in den Olafsfjördur wird klar – auf die Wettervorhersagen verlassen wir uns besser nicht: es regnet. Nachdem wir kurz mit uns hadern entschließen wir uns trotz des leichten Nieselregens die Tour zu starten, wir wollen uns bewegen, den ersten isländischen Schnee finden. Denn die Schneegrenze liegt jetzt Ende der Saison selbst im Norden bei etwa 200 – 300 hm. Also legen wir die ersten Höhenmeter wandernd zurück und siehe da, unsere Motivation wird belohnt, die Sonne kommt heraus und wir legen am ersten Schneefeld die Felle an. Doch schon wenig später werden wir erneut vom Wetter eingeholt – Graupelschauer, Wind und Nebel hüllen uns ein, ohne GPS ist die Orientierung selbst bei dieser Einstiegstour auf den 984 Meter hohen Mulakolla eine Herausforderung. Oben angekommen erhaschen wir zumindest einen kurzen Blick auf die Fjorde und umliegenden Berge.
Ich bin gespannt, wie Hannah wohl skifahren wird? Dank ihrer guten Kondition vom Mountainbiken hatte sie beim Hochgehen natürlich keine Probleme und steckte selbst diverse Spitzkehrenabenteuer gut weg. Also bereit machen für unsere erste Abfahrt in Island. Hannah ist bislang nur in Schottland skigefahren und auch für mich ist Island ein neues Terrain. Doch selbst das Wolkenband, das sich nun wieder vor die Sonne schiebt und alles in grau taucht, kann unserer Begeisterung keinen Abbruch tun und wir starten los. „You are trying to kill me!” Der Fischerort Dalvik mit seinen gut 1000 Einwohnern ist unsere Base. Nach zwei weiteren Skitouren rund um Dalvik ist der große Tag gekommen: Wir werden mit Arctic Heliskiing zum – wie der Name schon sagt – Heliskiing rausgehen.
Arctic Heliskiing ist das erste Heliskiunternehmen Islands und wird vom einzigen UIAGM-IFMGA zertifizierten Bergführer Jökull Bergmann geführt. Arctic Heliskiing ist ein Familienunternehmen und operiert von der Klangsholl Lodge aus, einer ehemaligen familieneigenen Schaffarm, auf der man sich von der ersten Minute an zuhause fühlt. (Ab dem kommenden Winter arbeitet Arctic Heliskiing übrigens mit Heli Austria zusammen.) Das Potential an Lines und Runs ist überwältigend und bietet für jeden etwas. Eine Abfahrt im legendären Licht der Mitternachtssonne ist wohl das Highlight für jeden, der im Mai oder Juni nach Island kommt.
Für Hannah ist es das erste Mal, dass sie Heliskiing gehen wird, die Aufregung liegt spürbar in der Luft. Auch ich bin nervös – wie wird es Hannah gehen? Wie werden die Bedingungen sein, werden wir vielleicht sogar das Glück haben bei Mitternachtssonne skifahren zu können? Nach dem obligatorischen Helibriefing und Sicherheitseinweisung geht es los. Der erste Flug dauert keine fünf Minuten und Hannah’s Augen beim Ausstieg sagen alles: „The best 5 Minutes!“ sagt sie völlig happy. Das Sprichwort „Freude verdoppelt sich, wenn man sie teilt“ bewahrheitet sich wieder einmal – Hannah’s Begeisterung am Berg zu erleben ist einfach super schön. Langsam tasten wir uns an größere „Lines“ heran, die Bedingungen sind mal super smooth und firnig, mal „harschig“ und so gar nicht „nett“ zu fahren. Und dann komm ich auch noch auf die „grandiose“ Idee nach dem Helidrop-off an der Ridge nach oben hiken zu wollen. Wie das ausgeht könnt ihr im neuen ‚Shades of Winter‘ Film CONNECTS sehen…
Nach einer guten Woche skifahren ist es Zeit die Taschen zu packen und uns auf den Weg in den Süden zu machen. Zurück in Reykjavik treffen wir Magne, den Chef und Gründer von Icebikeadventures. Er wird uns in den nächsten Tagen ein paar seiner Bike-Highlights zeigen. Thorsmörk – das Tal des Thor - ist unser Ziel. Knapp 160 km und etwa 3 – 4 Stunden Fahrzeit sollte man für die Strecke von Reykjavik schon einberechnen. Am Weg dorthin passieren wir zahlreiche Wasserfälle und müssen kleine und größere Flüsse durchqueren. Erfahrung und Selbstvertrauen hilft hier definitiv. Thorsmörk liegt im südlichen Hochland von Island zwischen den Gletschern von Tindfjallajökull und dem berühmten Eyiafjallajökull – wen hat dieser Vulkan bei seinem letzten Ausbruch 2010 nicht beeinträchtigt?
Als wir am nächsten Tag losstarten bin ich zugegebenermaßen etwas unsicher. Immerhin hab ich es dank des tollen und schneereichen Winters nicht geschafft, auch nur einen Tag auf dem Bike zu sitzen und nun sollte ich der Profibikerin Hannah Barnes auf den Trails in Island folgen?! Verrückte Idee.
Die Zweifel sind dank Hannah’s unterstützender Mentalität schnell weggewischt, wir sind schließlich hier um gemeinsam unsere beiden Sportarten auszuüben und nicht als Konkurrentinnen.
Den Großteil der Uphill-Trails legen wir via Hike-and-Bike zurück, die Blicke und Downhill Trails in dieser bizarren Landschaft entfachen schnell große Begeisterung bei uns. Es ist schlichtweg genial und beeindruckend. Und schnell wird wieder deutlich: Sport CONNECTS