PER SKI & PFERD durch das wilde Kirgistan
Verdutzte Blicke beobachten uns, als wir mit unseren vollbepackten Skisäcken zum Check-in Schalter des Fluges nach Moskau gehen. Für die Menschen am Flughafen in München wohl eher nicht verständlich, warum drei Mädels mit Skier nach Moskau reisen. Wenn die wüssten, dass es für uns danach noch weiter geht nach Kirgistan …
Wir finden einige wenige Artikel über den Wintertourismus in Kirgistan und es wird schnell klar, das Land müssen wir mit Skiern bereisen. Wir lieben exotische und fernöstliche Länder. Um ehrlich zu sein mussten wir das Land aber auch erstmal auf der Karte suchen. Kirgistan, eine raue Schönheit an der Seidenstraße, beeindruckt mit seiner vielfältigen Landschaft und seinen Hochgebirgen. So liegt zum Beispiel der bekannte Peak Lenin (7.134 m) zum Teil im Land der Nomaden.
Die Anreise ist lange und so kommen wir nach ca. 10 Stunden am Flughafen in Osh an. Der Flughafen ist überschaubar und unser Gepäck liegt bereits in der Wartehalle bereit. Beim Ausgang tummeln sich viele Männer, die uns irgendetwas auf Kirgisisch zurufen. Im Gedränge rund um den Ausgang kommt uns ein freundlich grinsender Mann entgegen und stellt sich als Samat vor. Samat wird uns die Reise über begleiten. Sein deutsch ist beeindruckend gut, er verzieht jedoch ein bisschen die Miene als er unsere Menge an Taschen und Skisäcken sieht. Er überlegt nicht lange und holt ein paar Reepschnüre aus dem Kofferraum und schon befestigen wir die Skisäcke am Dach. Um ehrlich zu sein haben wir uns nichts anderes erwartet, auch auf unserer Reise in Albanien oder Georgien wurden die Skier auf diese altbewährte Art befestigt.
Unsere Route führt uns vom Süden in den Norden des Landes und bietet uns neben fantastischen Bergerlebnissen auch Begegnungen mit den Kirgisen und ihrer Kultur. Wir versuchen zu schlafen, doch auf einmal hören wir einen lauten Knall, wir schauen uns an: “Die Skisäcke!”. Samat bremst, und tatsächlich haben wir mitten auf der Landstraße einen Skisack verloren. Das Gepäck wird wieder eingesammelt und die Reise kann weiter gehen.
Auf den Straßenschildern können wir schon bald unser Ziel Arslanbob auf kyrillisch entziffern. Die Straße hoch zum Dorf wird immer schlechter und ein Allrad-Fahrzeug ist auf alle Fälle von Vorteil, um ans Ziel zu kommen. Wir erreichen den Dorfplatz von Arslanbob und gleich fällt uns auf, es herrscht reges Treiben hier. Männer stehen in Gruppen beieinander und unterhalten sich. Das tägliche Leben scheint sich am Dorfplatz und auf den Straßen abzuspielen, Frauen sehen wir zu unserer Verwunderung keine. Arslanbob liegt am Fuße einer beeindruckenden Bergkette und ist bekannt für seine großen Walnusswälder. Wir treffen Ladschin, Ladschin ist Teil der CBT (Community Based Tourism). Er und sein Freund Hayat kümmern sich um den Wintertourismus in Arslanbob. Ziel von CBT ist es, die lokalen Familien, Taxifahrer und Guides mit dem Tourismus zu verbinden, dass auch diese vom “Wohlstand” der Touristen profitieren können und die Einnahmen im Dorf gerecht aufgeteilt sind.
Wir sind bei einer kleinen Familie im Dorf untergebracht. Die Unterkunft ist traditionell und einfach, aber bietet alles was wir brauchen. Etwas gewöhnungsbedürftig: die Toilette liegt außerhalb des Hauses, wir sind aber erleichtert als wir die „europäische“ Kloschüssel sehen. Die Uhren in Arslanbob ticken langsamer und anders. Vom Stress der westlichen Kultur ist hier nichts zu spüren, wir genießen die Gelassenheit der Menschen.
Ladschin wird schnell klar, dass wir müde Beine von der Reise haben und so werden wir am Nachmittag mit Pferdestärken in die Berge gebracht. Die Skier nehmen wir mit, denn nicht nur die Pferde sollen heute noch ins Schwitzen kommen. Wir erreichen große Ackerfelder, hochgelegen über Arslanbob, und können Kinder lachen hören. Schon bald sehen wir ein paar Burschen, wie sie ihre Skier den Hügel rauftragen und Schuss wieder runterfahren. Unsere Herzen schlagen höher und wir erinnern uns an unsere Kindheit auf Skiern. Den ersten Tag lassen wir mit einer kleinen Skitour ausklingen. Leider haben wir mit der Schneesituation etwas Pech. Die letzten Tage war es sehr warm und dementsprechend schwer ist der Schnee. Natürlich wünschen wir uns auf unseren Reisen Pulverschnee und Kaiserwetter, aber wir wissen auch, dass der Wunsch nicht immer erfüllt wird und machen das Beste daraus. Eins ist klar: wenn man mit Freundinnen in den Bergen unterwegs ist, dann kann es auch mal Regen oder patzigen Schnee haben, der Spaß kommt trotzdem nicht zu kurz.
Die nächsten Tage verbringen wir mit den Tourenskiern in den Bergen rund um Arslanbob. Genauer gesagt im Gebiet des Mount Babash Ata. Da die Pferde kleine Morgenmuffel sind, werden wir mit Lada zum Ausgangspunkt der Touren gebracht. Alt bekanntes Spiel: Skier auf das Dach gebunden und los gehts. Von Sonnenschein über Schneesturm und Regen ist alles dabei, aber wir lassen uns die Laune nicht verderben. Die Leute in Arslanbob kümmern sich sehr gut um uns. Köche begleiten uns auf die Skitour und bekochen uns direkt am Ende eines Runs. Wenn das Wetter kein Mittagessen am Berg zulässt, laden sie uns zu sich nach Hause ein. Gastfreundschaft wird in Arslanbob groß geschrieben und wir fühlen uns richtig wohl. In der kirgisischen Küche darf Knoblauch und Fleisch nicht fehlen, verwirrte Blicke erreichen uns, wenn wir jedoch auf Fleisch verzichten.
Die Tage in Arslanbob vergehen wie im Fluge und zum Abschied organisieren wir eine kleine Feier für unsere Guides, Fahrer, Gastfamilie und alle die wir kennenlernen durften. Es gibt traditionelles Plov (das Rezept findet ihr auf unsere Homepage) und eine lokale Band macht Stimmung mit kirgisischer und usbekischer Musik. Wir können es nicht abstreiten, dass auch das ein oder andere Stamperl Vodka getrunken wurde.
In aller früh brechen wir am nächsten Tag Richtung Suusamyr auf. Die Nacht war kurz, aber leider nicht aufgrund des Vodkas, sondern eine Magen-Darm-Verstimmung hält Magdalena und somit auch ihre Zimmerkolleginnen Sharon und Evelyn die ganze Nacht wach. Da kommt uns die achtstündige Autofahrt ganz recht und wir können etwas Schlaf nachholen. Nach 4 Tagen ohne Internet haben wir es auch endlich geschafft uns eines zu organisieren und müssen feststellen, dass Europa bereits mitten in der Corona-Pandemie steckt. Kurz checken wir zu Hause mit unseren Liebsten, ob alles in Ordnung ist. Von Corona ist in Kirgistan noch keine Spur und wir genießen, dass das Leben hier unbeschwert weitergeht. Über abgelegene Pässe geht es aus dem urigen Arslanbob in das Hochgebirgstal um Suusamyr. Unterschiedlicher können die beiden Orte nicht sein. Wo wir in Arslanbob noch vom Regen und traditionellem Dorfleben umgeben waren, befinden wir uns in Suusamyr in einer modernen Lodge inmitten vom beeindruckenden Tien-Shan Gebirge.
Wir merken sehr schnell, dass es in Suusamyr um einiges kälter ist und empfehlen jedem, das Bier nicht über Nacht draußen zu lassen. Da wir doch schon einige Skitourentage in den Beinen haben, lassen wir uns die kommenden Tage ganz gemütlich mit der Pistenraupe auf den Berg bringen. Die Bergszenerie, die uns umgibt, ist atemberaubend und der Schnee sensationell! Doch leider ist die Lawinensituation sehr angespannt. Wir können von Tag zu Tag beobachten, wie sich die steileren Osthänge entladen und Schneebretter ins Tal rauschen. Defensives Fahren ist daher angesagt. Wir haben uns natürlich etwas anderes erwartet und wollten die ein oder andere Rinne bezwingen, aber eins ist uns allen klar: Das wichtigste am Ende des Tages ist es, wieder gut vom Berg runter zu kommen!
Wir genießen den Komfort, den wir nun in der Lodge vorfinden. Ganz besonders freuen wir uns über die Fußbodenheizung und eine Toilette, die nur einen Katzensprung entfernt ist. Unsere Abreise rückt immer näher, Samat bereitet den ganzen Tag das Auto vor. Aufgrund der Kälte durfte sogar die Autobatterie bei ihm im Zimmer übernachten.
WBevor es für uns wieder zurück in die Alpen geht, statten wir noch der Haupstadt Bishkek einen Besuch ab. Wir möchten unbedingt auf den Osh-Bazar und uns mit kirgisischen Gewürzen eindecken, aber wir haben genau den einen Tag im Monat erwischt, an dem der Bazar geschlossen ist.
Trotzdem bummeln wir durch die Straßen, um die letzten Eindrücke von Kirgistan aufzusaugen. In Europa und vor allem Italien herrscht bereits großes Chaos aufgrund von Corona und auch in Kirgistan ist die Panik mittlerweile angekommen. Beim Einchecken in unserem Hotel zeigen wir zur Sicherheit nur die österreichischen Pässe und lassen Sharon mit ihrem italienischen Pass im Auto.
Wenn wir eines aus dieser Reise mitnehmen können, dann dass es irrsinnig schön ist zu sehen, wie glücklich Menschen sein können, obwohl sie nicht in Reichtum und Luxusgütern schwimmen. Wir behaupten sogar, dass man mit weniger glücklicher sein kann. In Kirgistan funktioniert wenig so wie geplant und alles läuft sehr viel langsamer und anders ab. Aber das macht auch den Reiz solcher Länder aus. In Westeuropa sind wir durch unsere Entwicklung auf Perfektion und Schnelllebigkeit gepolt, dass alles immer sofort erledigt werden muss, am besten schon gestern. Hier hingegen ticken die Uhren langsamer. Lässt man sich auf diese Ruhe und Gelassenheit ein, bekommt man definitiv mehr zurück als man sich vorstellen kann.