Rätikon Experience
Drei Tage Pulver & Lachkrämpfe
Der Rätikon liegt im Dreiländereck zwischen Österreich, Liechtenstein und der Schweiz. Bekannt ist er für seine vielseitigen und zahlreichen Klettertouren. Dass man auch auf Skiern den Gebirgszug durchqueren kann ist auf den ersten Blick kaum zu glauben. Drei Flüsse und ihre Täler begrenzen den Rätikon: im Westen verläuft das Rheintal von der Illmündung flussaufwärts bis Landquart. Im Süden bildet das Prättigau mit der Landquart die Grenze und im Norden das Montafon und das Walgau mit der Ill, die dann bei Feldkirch in den Rhein mündet. Im Osten verbindet das Schlappiner Joch den Rätikon mit dem Silvretta Gebirge. Früher wurde der Rätikon einzig durch die alten Hohlwege und Bergpfade erschlossen, die nicht nur von Bauern und Älplern, sondern – irgendwie naheliegend – wegen der nahen Landesgrenzen auch häufig von Schmugglern genutzt wurden.
Ich sollte also mit den vier Gewinnern des Bergzeit Alpincamps zu einem traumhaften Skitourenwochenende dorthin. Das Programm, das Guide Simon in seiner „Rätikon Experience“ anbietet, könnte nicht mehr Lust aufs Touren machen: zwischen den schroffen Kalkfelsen des Rätikon durch, geht es auf einige der schönsten Skitourengipfel Vorarlbergs. Ich bin sowas von dabei!
Ende Februar treffen wir uns dann endlich am Parkplatz der Zamang-Bahn in Schruns, im Montafon. Alle sind pünktlich auf die Minute, daher vergeuden wir keine Zeit. Während uns unser Guide Simon die Tour und das zur Verfügung gestellte Material erklärt, verschlingen wir genüsslich unsere Croissants.
Dann geht es endlich los! Zuerst aber nur mit einer Busfahrt nach Gargellen. Dort setzen wir uns in den Lift, um ins Skigebiet zu kommen. Bei strahlendem Sonnenschein beginnen wir unsere Dreitagestour mit dem Aufstieg aufs St. Antönier Joch, das sich direkt an der Grenze zwischen Österreich und der Schweiz befindet. Die atemberaubende Kulisse des Rätikons verzaubert uns, und während wir eine Kleinigkeit trinken erklärt uns Simon die Geografie des Gebirges. Und er nennt uns auch wirklich jeden Gipfel mit Namen! Als erste Abfahrt breitet sich ein fast unverspurter Hang unter uns aus, er bettelt förmlich darum, von uns zerpflügt zu werden. Simon erklärt uns, wo der Treffpunkt ist und wünscht uns viel Spaß: „Das ist das Allerwichtigste!“ Auf dieses Stichwort haben wir gewartet, unser Grinsen wird noch breiter. Einer nach dem anderen fahren wir in das Face und am genannten Treffpunkt wird klar, dass wir ein Rudel sind: Big Lines und fette Sprays schweißen uns zusammen!
Wir entscheiden uns für einen weiteren Aufstieg – diesem Powder können wir nicht widerstehen. Der Schnee ist fantastisch und pünktlich zum Sonnenuntergang kommen wir an der Hütte Alpenrösli im schönen Partnun in der Schweiz an. Die Wirtin fragt uns in Schweizer Hochdeutsch, ob wir in den “Pot” wollen. Was denn der “Pot” sei, fragen wir. „So ähnlich wie ein Whirlpool, mit dem Unterschied, dass er mit Holz geheizt wird.“ Was für eine Frage… Klar! Natürlich wollen wir in den Pot.
Wir genießen die letzten Sonnenstrahlen und trinken gemütlich unser Radler, während wir dem Zwilling von Heidis Großvater dabei zusehen, wie er den Pot anheizt. Als der dann richtig dampft, versuchen wir rein zu kommen, was sich als nicht ganz einfach erweist: das Wasser fühlt sich kochend heiß an! Die einzig vernünftige Lösung: ein kaltes Bier dazu. Mit dem Bier in der Hand und einem großen Schluck schaffen wir es dann doch, uns hinzusetzen. Es wird herzhaft gelacht und gealbert, während einige von uns sich im Schnee abkühlen müssen. „Der Pot ist gar kein Pot, sondern ein Kochtopf, in dem wir gargekocht werden und am Abendessen als Gulasch den Tourengehern vorgesetzt werden.“ Als es dunkler wird werden auch wir ruhiger und genießen die sensationelle Aussicht auf schneebedeckte Gipfel und das entspannend warme Wasser. Vor uns liegt ein Gebiet mit weitgehend naturbelassener, gebirgig rauer Natur, das fast unendliche Skitourenmöglichkeiten bietet. Das Bettenlager im Alpenrösli lässt keine Wünsche offen: die ausgezeichneten Matratzen, weichen Polster und gigantisch großen, warmen Decken garantieren tiefen erholsamen Schlaf. Den brauchen wir aber auch, denn am folgenden Tag geht es auf die schöne 2817 Meter hohe Sulzfluh, einen der bekanntesten Gipfel des Rätikons.
Am nächsten Tag gibt Guide Simon beim Aufstieg ein super Tempo vor, sodass ich nicht anders kann und die ersten 300 Höhenmeter bis zur Crux, dem Gemschtobel, Bob Marley vor mich her summe. Zu Fuß durch die Crux – richtig steil bergauf – verstumme ich aber recht schnell. Oben angekommen bläst der Fön so stark, dass wir fast wieder rückwärts hinunterfallen.
Wir steigen dann weiter auf, die steile Kalkwand zu unserer Rechten. Der Gipfel der Sulzfluh glitzert in Sonnenstrahlen und Schneeflocken, die der Wind vor sich hertreibt. Trotz des Fönsturms steigen wir weiter auf – schön langsam fordert uns der Anstieg ziemlich – aber das beeindruckende Panorama, das sich vor uns aus breitet, ist die Anstrengung absolut wert. Um uns herum endlos weiße Gipfel, grüne Frühlingstäler, sich schnell verändernde Wolkenformationen und ein Sturm, dass man fast das eigene Wort nicht mehr versteht. Wir steigen dick vermummt die letzten Stufen zum Gipfel hinauf, bleiben dort aber nicht allzu lange, sondern machen weiter unten, im Schutz einiger Felsen, erst Brotzeit. Nachdem alle gegessen und die Felle abgezogen haben geht’s los. Das Rudel lechzt nach Powder – davon sollte auf unserer Abfahrt ins Gauertal zur Lindauer Hütte, die wie eine Burg auf einem Hügel thront, doch einiger zu finden sein.
Simon nimmt sich Zeit und erklärt uns diesmal sehr genau die Abfahrt durch den Rachen. Hört sich gefährlich an – ist es auch, wenn man sich zu weit nach links oder rechts orientiert. Zu beiden Seiten begrenzen senkrechte Kalkwände die Abfahrt, die bei einer Steilstufe endet, als würde sie ins Nichts führen. Durch die Kalkwände hindurch ein atemberaubendes Panorama! Obwohl von Powder über Bruchharsch bis zum blanken Eis alles dabei ist und sich der Fön alle Mühe gibt uns zu verjagen: der Schönheit der Natur hier oben kann sich keiner entziehen. Das hier ist ein verdammt schöner Flecken Erde!
An der Lindauer Hütte angekommen, die am Fuß des Großen Drusentors, des Drusentors und der Geißspitze liegt, schauen wir euphorisch zurück zur Abfahrt durch den Rachen. Guide Simon hat uns wohlweislich verschwiegen, dass es auf der linken Seite über 500 Meter ins Nichts geht. Das eine oder andere wohlverdiente kühle Bier trinken wir auf beheizten Holzbänken, bis es Zeit zum Abendessen wird. Nachdem auch noch der traditionelle Verdauungsschnaps den Weg in unsere Mägen findet, steigen wir glückselig die Treppen zum Schlaflager hinauf und sind gespannt, was der morgige Tag bietet.
Die Pläne müssen am nächsten Morgen dann erst einmal der Wettersituation angepasst werden, die Wolken hängen tief, der Einheitsbrei aus Weiß wird nur durch das Grau der Felsen durchbrochen. Wir entscheiden, das Tagesziel Drusentor auszulassen, und uns stattdessen – welch Überraschung! - auf den Pulver zu konzentrieren, durch den wir die letzten 700 Höhenmeter getourt sind. Simon wiederholt nochmal, dass wir uns austoben sollen und ermuntert uns: „Je größer die Turns und Sprays desto besser!“ Der Schnee ist phänomenal und wie auf Bestellung schickt auch die Sonne ein paar Strahlen durch die dicken grauen Wolken. Das Rudel versammelt sich zum letzten Mal und jagt den Pulver.
Nach einer halsbrecherisch schnellen Abfahrt durchs Skigebiet zur Bushaltestelle und einem kurzen Sprint sind wir wieder an unserem Ausgangspunkt angelangt: Zamang-Bahn in Schruns. Wir packen alle langsam unsere sieben Sachen, eigentlich will keiner schon gehen, das Rudel will sich nicht trennen. Trotzdem verabschieden wir uns herzlich voneinander. Denn eines steht schon fest: die nächste gemeinsame Powderjagd wird definitiv stattfinden. Denn die drei Tage Lachkrämpfe und Pulver haben uns zusammengeschweißt. Vielen Dank dafür an Simon, Heidi, Verena, Günter, Stefan und Wasti, die dabei waren und die Rätikon Experience zu einem so unfassbar tollen Erlebnis gemacht haben!
Text & Fotos: Vreni vom Berg
Infobox
LAGE:
Der (oder auch das) Rätikon ist ein Gebirgszug der Zentralalpen, der sich auf dem Gebiet von Vorarlberg in Österreich, dem Kanton Graubünden in der Schweiz und Liechtenstein befindet. Geprägt ist der Rätikon durch seine imposante, schroffe Felskulisse und den umgebenden sanfteren gletschergeformten Landschaften. Der Hauptkamm der Gebirgskette verläuft von Nordwesten nach Südosten und stellt zu einem großen Teil auch die Landesgrenzen zwischen Österreich und Liechtenstein bzw. der Schweiz dar. Hier finden sich auch die bekannten Gipfel des Rätikon: Schesaplana, Drusenfluh, Sulzfluh und Madrisa.
RÄTIKON EXPERIENCE:
Die Rätikon Experience ist eine 3-tägige Tourenskidurchquerung des Gebirges von Gargellen aus. Zwischen den imposanten Kalkwänden warten kurzweilige, aber konditionell anspruchsvolle Aufstiege und traumhafte Abfahrten in weiten Couloirs und großen Mulden auf die Teilnehmer. Es geht über die Grenze in die Schweiz nach Partnun, auf die 2817 m hohe Sulzfluh und dann hinunter bis zur Lindauer Hütte, und am dritten Tag durch das Gauertal zurück zum Ausgangspunkt.
ANREISE MIT DEM AUTO:
• Von München ca. 3 Stunden A 96 – Bad Wörishofen – Memmingen – Lindau – weiter auf der A 14 – Bregenz – Dornbirn - Feldkirch - Bludenz – B 188 bis Montafonerhüsli – B 192 nach Gargellen
• Von Stuttgart ca. 3,5 Stunden A 8 – Ulm – A 7 – Memmingen A 96 – Lindau – A 14 - Bregenz – Dornbirn - Feldkirch - Bludenz – B 188 bis Montafonerhüsli – B 192 nach Gargellen
• Von Zürich ca. 2 Stunden A 1 –Kloten – Winterthur – St. Gallen – Widnau – Diepoldsau – Lustenau – A 14 - Feldkirch - Bludenz – B 188 bis Montafonerhüsli – B 192 nach Gargellen
BERGZEIT ALPINCAMP:
Das Bergzeit Alpincamp ist ein Erlebnis, das man nicht mit Geld kaufen kann. Man kann sich nur bewerben und hoffen, als Gewinner ausgewählt zu werden. Wer mehr über die Bergzeit Alpincamps erfahren oder selbst mitmachen will findet hier weitere Infos: www.bergzeit.de/alpincamp
BUCHEN:
Simon Wohlgenannt, staatl. Gepr. Skilehrer & Skiführer +43 650 3010984
www.guidesimon.at