bergstolz

Afrika - Dem Löwen auf der Spur


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Oh wie schön ist Afrika!

Rückblickend fühlt es sich fast absurd und doch immer noch spektakulär schön an: Im Frühjahr 2019 stieg ich in ein Flugzeug nach Südafrika mit Anschlussflug nach Maseru in Lesotho…

Und da stehe ich nun mit meiner Biketasche und einem großen Koffer in der Empfangshalle des Flughafens, der kaum größer ist als ein mitteldeutscher Regionalbahnhof. An der Einreise-Kontrolle bin ich als allerletzter an der Reihe und werde langsam nervös, als die Fragen der Zollbeamten etwas strenger werden. Doch dann gibt es den gewünschten Stempel und ich trete in die grelle afrikanische Mittagssonne. An einen verbeulten Pickup gelehnt erwartet mich Rene mit einem Lachen im Gesicht. Ich kenne Rene bisher nur aus einem längeren WhatsApp-Chatverlauf. Doch wir verstehen uns auf Anhieb gut. Biker sprechen weltweit die gleiche Sprache. Aufgewachsen in Kongo und Südafrika als Sohn einer belgischen Familie, lebt Rene den Sommer über als Bikeguide im ligurischen Molini. Vor wenigen Jahren hat er die wilde und ursprüngliche Bergwelt von Lesotho für sich und fürs Biken entdeckt und sich zum Ziel gesetzt, diese mit der Welt zu teilen. In Form eines wilden 4-tägigen Enduro-Rennens, des „Kingdom Enduro“, das der Anlass für diese Reise ist.

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Nach knapp 20 Minuten in gemütlichem Tempo im Pickup, nur unterbrochen durch den Kauf einer Handy-Simkarte in einem einfachen Straßenkiosk, erreichen wir die Roma Trading Post Lodge. Auf dem Gelände eines ehemaligen Handelszentrums ist mittlerweile eine kleine Ferienanlage entstanden, die sich zum lokalen Bike-Spot entwickelt. Hier startet neben dem Kingdom Enduro auch das Lesotho Sky Marathon Rennen. Velosolutions aus der Schweiz haben hier den #pumpforpeace-Pumptrack als Sozialprojekt realisiert, auf dem die Jugendlichen der Umgebung gegen minimale Kosten, Bikes leihen und fahren können. 

"Hier ist Dein Zelt. Stelle es hin, wo Du willst. Die Sachen kannst Du einfach darin liegen lassen. Du musst nichts einschließen", werde ich begrüßt. Die entspannte Freiheit wundert mich, denn das hoch gelegene Lesotho ist eines der ärmsten Länder der Welt. Ohne mich groß zu akklimatisieren geht es unmittelbar aufs Bike. Der erste Eindruck der Trails ist wild und schroff. Einen Teil der Strecken hat Rene mit seiner Crew frisch und flowig angelegt, mehrheitlich führen sie aber über alte, felsige Pfade, die einige anspruchsvolle Überraschungen auf Lager haben. Mir gefällt der wilde Mix. Der physische und technische Anspruch ist enorm und gehört mit zum Schwierigsten, was ich je in einem Rennen gefahren bin. 

Der Großteil der Teilnehmer kommt aus dem nahen Südafrika, sie kennen Biken nur von ihren flowigen Crosscountry-Trails zuhause. Sie erleben einen regelrechten Kulturschock, nehmen es aber sportlich und das Kingdom Enduro als die Herausforderung, die es ist. Tatsächlich stand das Motorrad-Enduro-Rennen „Roof of Africa“ Pate, das zum Teil auf denselben Strecken stattfindet. Und wie beim MotoX gilt auch am Bike: Schon alleine das Ankommen im Ziel ist eine sportliche Höchstleistung! 

Die wenigen internationalen Starter kenne ich. Wie Ludo May aus der Schweiz, Fabi Scholz aus Deutschland und Chris Johnston aus Kanada. Sie habe ich schon an den verschiedensten Ecken der Welt getroffen und bezeichne sie mittlerweile als gute Bike-Freunde. Für uns alle ist es die erste Reise in diesen Teil der Welt. 

Das Rennen beginnt und der Spaß wird ernst! Alle Räder werden, von rosa Matratzen geschützt, auf einen Lastwagen geladen. Wir folgen in Bussen über die schlaglochreiche Straße bis zu einer Passhöhe. Von hier schieben und tragen wir die Bikes noch eine knappe Stunde bis zum Start der ersten Stage auf einem Felsplateau. Die Orientierung auf den Transferetappen fällt dabei leicht: Schau Dich um und suche die höchste Erhöhung der Umgebung. Mit großer Sicherheit hat Rene den Start der Stage genau dort oben gewählt. 

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Doch viel mehr als alle wilden Abfahrten und die spektakulär schöne Berglandschaft sind mir die lachenden Kindergesichter in Erinnerung geblieben: Die Transfer-Etappen führen durch einige Dörfer aus einfachen, runden Lehmhütten. Überall sind Kinder, die uns begrüßen und die Hände zum Abschlagen entgegenstrecken. Es ist enorm faszinierend, dass die Menschen hier so glücklich und gelassen wirken. Sie leben fast ohne Besitz in einem Land mit einer der höchsten Aids-Raten und niedrigsten Lebenserwartungen weltweit. In keiner Situation aber fühle ich mich unsicher oder gefährdet. Trotz des offensichtlichen Unterschieds und unseren teuren Rädern sind die Begegnungen mit den Menschen stets von absoluter Freundlichkeit und Herzlichkeit geprägt. Natürlich möchten die Kinder gerne kleine Geschenke, Süßigkeiten oder Geld, und diejenigen, die voller Begeisterung die Bikes auf einem steilen Anstieg zur nächsten Abfahrt schieben oder tragen, bekommen auch eine kleine Belohnung. Größte Anerkennung und Freude gibt aber immer ein High-Five oder der einfache Dialog. 

Das Rennen bleibt interessant, vier lange und aufregende Tage in unterschiedlichstem Gelände, so mancher Felsen wurde nicht aus dem Weg geräumt und das rote Gestein wirkt wie aus einer anderen Welt. Selbstverständlich nimmt man an einem entlegenen Ort wie diesem nicht das allerletzte Risiko auf sich. Und doch ist Rennen-Fahren immer ein besonderes Erlebnis: Voller Fokus auf die Strecke und ein paar (mitunter lange) Minuten eins sein mit dem Bike und dem Trail. Blick und Gedanken gehen nie viel weiter als zur nächsten Kurve. Doch kaum ist man im Ziel einer Stage und der Herzschlag normalisiert sich, sprudeln belohnende Endorphine durch den Körper und die Erlebnisse und Heldentaten der just vergangen Abfahrt werden lauthals ausgetauscht. Das gilt in dieser spektakulären Umgebung fast noch mehr als überall sonst. 

Am Ende von Renntag 2 erwischt uns ein Wolkenbruch, wie ich ihn noch nie erlebt hatte: Auf dem Weg zurück ins Camp durchnässt er alles, was wir dabeihaben. Doch genauso plötzlich wie der Regen kam, steht plötzlich die Sonne wieder über uns und trocknet unser Hab und Gut. Sicherheitshalber ziehen wir die Zelte trotzdem für die nächsten Tage ins "Poolhaus". Witzigerweise habe nur wir 3 Europäer Ludo, Fabi und ich die günstige Zelt-Option gebucht. Tatsächlich hatte ich das Zelten einfach mit einem Abenteuer-Enduro-Rennen à la Trans Provence in Verbindungen gebracht und mich so dafür entschieden. Vielleicht wollten wir uns aber auch nur schon auf den zweiten Teil unser Afrika-Erfahrung einstimmen. 

Die Nacht nach der Afterparty ist kurz. Zum Sonnenaufgang starten wir eine am Ende fast zweitägige Fahrt in nördliche Richtung, von Lesotho nach Johannesburg und weiter an die Grenze zu Botswana, wo wir eine gänzlich andere Seite von Afrika kennen lernen sollten. Am Grenzübergang nach Südafrika müssen wir mit Pendlern warten und einzeln mit den Zollbeamten sprechen. Geschlossene Grenzen und die entsprechenden Formalitäten kannten wir zu dem Zeitpunkt aus Europa gar nicht mehr… Kurz nach der Grenze ändert sich bereits das Landschaftsbild: Der Norden Südafrikas breitet sich flächig und eben vor uns aus, Steppe und Felder, soweit das Auge reicht. An einer alten Farm mit Antiquitäten aus der Kolonialzeit, die einen gewissen WildWest-Charme haben, machen wir eine ausgiebige Frühstückspause und erste Bekanntschaft mit der durch Kolonialismus geprägten Geschichte Südafrikas, die in gewisser Hinsicht bis heute anzudauern scheint. 

 

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Weiter nach Botswana: Großes Land, doch es wird das Reiseland bleiben, in dem ich den kleinsten Bewegungsradius hatte. Drei Tage mit dem Mountainbike – aber quasi ohne Höhenmeter und mit nur kurzen Distanzen. Dennoch drei Tage, die zu den eindrücklichsten und spektakulärsten Touren zählen, die ich je auf einem Bike unternommen habe. Drei Tage Bike-Safari in der afrikanischen Savanne. Das Auto bleibt auf südafrikanischer Seite, wir überqueren den kleinen Grenzfluss per Bike. Papiere vorzeigen, stempeln lassen, Bikereifen und Schuhe desinfizieren und schon stehen wir im Mashatu Game Reserve. Unsere beiden Guides Mario und Lion - der eine heißt tatsächlich "Löwe"! - begrüßen uns herzlich. Wir geben die Taschen für den Gepäcktransport ab, tragen dick Sonnencreme auf und dann radeln wir auch schon als Kolonne – „damit wir von den Tieren als Einheit gesehen werden, von der keine Gefahr ausgeht“ – in die Savanne. 

Der schmale Pfad führt durch achshohes Gras, verläuft sich regelmäßig und taucht wieder auf. Schnell ist klar, dass diese Tour eine ganz besondere Erfahrung wird. Es tauchen erst einzelne, dann immer wieder Gruppen von baumhohen Giraffen auf, die uns neugierig beobachten. "Die größte Gefahr für uns geht von Elefanten aus." Mario spricht leise und schaut sich immer wieder aufmerksam um. Das wichtigste sei es, sie nicht zu überraschen und dadurch in Bedrängnis zu bringen. Die tonnenschweren Tiere könnten dann erstaunlich schnell angreifen. Und nur wenige Minuten später deutet uns Mario an, schnell umzukehren und in etwas Entfernung zu warten, während er sich den Elefanten nähert. Alles okay. Mit Abstand radeln wir an den Tieren vorbei, die uns kurz beobachten, um sich dann wieder wegzudrehen und mit einer unfassbaren Leichtigkeit davonzutraben. Jede Tierart scheint ihre eigene „Komfortzone“ zu haben: Während Elefanten, Affen, Büffel uns aus relativer Nähe entspannt beobachten, bleiben Giraffen und vor allem Zebras klar weiter entfernt, bevor sie sich sofort in Bewegung setzen, wenn man sich ihnen nur einen weiteren Schritt nähert. 

Die Sonne geht unter in der Savanne und taucht das ganze Land in traumhaft warme Farben. Unser Camp für die nächsten zwei Tage liegt unter einem wunderschönen, riesig ausladenden Baum. Das Abendessen köchelt bereits im Lagerfeuer. Wir genießen den afrikanischen Eintopf und blicken im Dämmerlicht über das ausgetrocknete Flussbett vor uns. Mario erzählt von der Geschichte des Schutzgebiets, von Botswana und von seinem Traumjob, mit Mountainbikes auf Safari zu gehen. Und er erzählt von der Savanne, von den Regeln und Gewohnheiten der Tiere und von den Raubtieren, den Löwen, Leoparden und Geparden, die hier ebenso zu Hause sind. Er kann sich nicht entscheiden, ob er es als Glück oder Pech bezeichnen würde, falls wir einer der Raubkatzen mit den Bikes begegnen würden. Wir lauschen gespannt, können es eigentlich immer noch nicht ganz fassen, hier mitten im Reich des "König der Löwen" unterwegs zu sein. Der Schlaf im Zelt ist so tief wie er sein kann, wenn Dich nur eine dünne Zeltplane von den vielen Geräuschen der Savanne und möglicherweise von wilden Raubkatzen auf Beutezug trennt. 

Am nächsten Tag geht der Traum weiter. Immer mehr Tiere tauchen auf. Sie beobachten uns, wir beobachten sie. Die Tour verläuft entspannt. Besonders sandige Passage müssen wir schieben. Kurze Steilabfahrten und große Wurzeln an den alten Bäumen laden uns zum Spielen ein. Plötzlich bleibt Mario stehen und hebt die Hand. Dann deutet er auf den sandigen Boden, auf dem sich deutlich ein größerer Prankenabdruck abzeichnet. "Löwe!" flüstert er und schaut sich vorsichtig um. Langsam geht es weiter, und dabei bewusst nicht in die Richtung, in die sich der Löwe bewegt hat. Es wäre zwar ein Glück, den Löwen zu sehen, Mario möchte es aber nicht herausfordern. Und das Gewehr, das er zu unserer Sicherheit auf seinem Rücken trägt, eigentlich nie benutzen müssen.

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Als wir am frühen Nachmittag ins Camp zurückkehren, gehen wir gleich nochmal auf Safari, diesmal allerdings mit dem Landrover. Da die Tiere an Autos gewöhnt sind und sie Menschen nicht als solche erkennen, solange sie sich nicht von der Silhouette des Fahrzeugs abheben, können wir uns bis auf wenige Meter den Elefanten nähern. Vom Bike aus wirkten sie noch bedrohlich, nun aber vor allem majestätisch. Etwas später haben wir noch mehr Glück: Ein großer Puma steigt in aller Seelenruhe von einem Baum und trollt sich davon. Hunderte Gnus später entdecken wir dann noch eine Geparden-Familie, eine Mutterkatze mit drei Jungen, die ganz entspannt die Abendsonne in der Savanne genießen. Der Löwe, dessen Spuren wir am Vormittag gesehen haben, lässt sich auch am Abend nicht blicken. 

Unser letzter Safaritag wartet mit einer längeren Etappe auf, glühender Hitze und einer Landschaft, die das Vorbild zum König der Löwen sein hätte können. Am Fuß von „Mufasas Felsen“ steht das letzte Camp: Einzelne Betten unter freiem Himmel bzw. der Krone eines riesigen Baumes. Wir feiern den Abschied aus der Savanne mit Dosenbier aus der Kühlbox und genießen die Nacht mit Sternenhimmel und Affengeschrei. 

Zum Abschluss gönnen wir uns noch eine Woche "Bikeferien" in Stellenbosch. Die Studentenstadt unweit von Kapstadt kennt man vom Cape Epic Rennen, und auch durch die Fest-Serie, die hier Station macht. Wir wollen hier vor allem nochmal richtig zum Biken kommen, nach dem technischen Spektakel in Lesotho und den zahmen Pfaden in der Savanne den bestmöglichen Kontrast finden. Und das gelingt. Wir fahren täglich Touren auf flowigen Trails, die hier kilometerweit an verschiedenen Orten explizit fürs Biken angelegt sind und die uns absolut begeistern. 

Auch das moderne Südafrika zieht uns in seinen Bann: Nach den ursprünglichen Landschaften und Gesellschaften in Lesotho und Botswana zeigt sich hier deutlich, wie sich Fortschritt auswirkt – sowohl positiv als auch negativ. Südafrika ist ein aufregendes Erlebnis, ein Land der harten Kontraste, aber auch ein Land von spektakulärer Schönheit, echter Herzlichkeit, gutem Essen, feinem Wein und wirklich schönen Trails. 

Es hat mich beeindruckt, wie viel ich in der kurzen Zeit über die Leute, die Länder, die Natur, die Tiere und die Geschichte der Menschen im südlichen Afrika lernen konnte. Und ich hoffe, dass diese aktuelle Krise bald überwunden ist und dass Reisen wieder möglich wird. Denn: Es gibt noch viel zu entdecken.
Text & Foto: Max Schumann




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