bergstolz

Dream à Reality


dream à reality 02

Mit dem Fahrrad auf dem Petit Combin

Rückblende
Herbst 2015. Ich war in den Bergen unterwegs und traf Daniel Coquoz, einen befreundeten Bergführer. Gegenüber von uns erhob sich majestätisch der Petit Combin in all seiner Pracht mit seinen 3.663 Metern, als Daniel die Idee aufbrachte: „Man müsste da echt mal mit dem Mountainbike rauf! Mehr brauchte es nicht, um meine Begeisterung zu entfachen – die Basis für unser Projekt stand. Was uns noch überhaupt nicht klar war, war, unter welchen Voraussetzungen und mit welchen Mitteln wir das durchführen könnten. Im darauffolgenden Frühjahr unternahmen wir unsere erste Erkundungstour – auf Tourenski. Die war dazu gedacht, einzelne Passagen, den Schnee, die Gletscherspalten und ganz allgemein die Möglichkeit oder Unmöglichkeit des Projekts zu prüfen. Zurück im Tal standen alle Ampeln auf grün – dennoch wussten wir nun, dass wir dieses Abenteuer nur bei perfekten Bedingungen angehen konnten. Um mit den Bikes auf dem Schnee überhaupt fahren zu können, müsste der hart sein, sowie über Nacht zusätzlich gefroren, aber auch wieder nicht zu eisig auf der Oberfläche.

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Das scheinbar Unmögliche wird konkret

Fünf Jahre zogen ins Land, und jedes Frühjahr war es dasselbe Spiel: Wir analysierten die Bedingungen regelmäßig, um das optimale Wetterfenster zu erwischen. Alles schien unter Dach und Fach und das gesamte Projekt harrte nur mehr seiner Durchführung. Allerdings: Schneebedingungen, die unterschiedlichen Projekte der einzelnen Beteiligten und meine verschiedenen Auslandsaufenthalte waren nicht zusammenzubringen, und so verschoben wir den Petit Combin ein ums andere Jahr… Fünf lange Jahre später, Frühjahr 2020. Der gesamte Erdball dreht sich um Covid-19. Und unser Projekt wird endlich Realität! Dieses Projekt, das ich schon fast als unmöglich in die Schublade gelegt hätte, konkretisiert sich plötzlich – in diesem Fall muss ich zugeben, dass die Corona-Krise für mich nicht nur Schlechtes gebracht hat. Nach Jahren der Planung, Vorbereitung und Diskussion – und mit ehrlicherweise deutlich weiter entwickeltem Material – kristallisierte sich heraus: Von meinem Heimatort Châble sollte es per E-Bike auf den 3.663 Meter hohen Petit Combin gehen – ich wollte ein wahrhaft episches Abenteuer erleben! So brauchte es auch nicht viele Überlegungen bezüglich meiner Begleitung: Ich lud zwei Freunde und Trainingspartner ein, mich auf den Petit Combin zu begleiten: Jérôme Caroli, seines Zeichens Profi-Downhiller, und Jérémie Heitz, den professionellen Freerider und Alpinisten.

Der Trip auf den Petit Combin sollte die 10. Folge meiner Youtube-Serie „Ludo et son vélo“ – zu Deutsch: Ludo und sein Fahrrad – werden. Seit 2013 drehte ich mit dem frühe-ren Skiprofi Nico Falquet die Episoden, die sich im Grunde immer um das eine Thema drehen: Außergewöhnliche Filme über etwas verrückte, einzigartige Ideen zu drehen. Der Petit Combin wird die Videoserie perfekt ergänzen, dachte ich mir.

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Los geht's!
Wir schreiben den Juni 2020 und befinden uns am Beginn unseres letzten Wetterfensters – und es hat geschneit in den Bergen. Heftig geschneit. Wir sprechen uns nochmals mit Daniel ab und entscheiden schließlich, es zu wagen. Trotz der gerade mal vier Schönwettertage und des Risikos, dass das eventuell nicht genug sein würde für die notwendige Setzung des Schnees, ist es Zeit für den Aufbruch: morgen früh geht’s los! Wir treffen uns in Châble, auf 850 Metern Seehöhe. Mit dabei sind die Kameramänner Nico Falquet und Max Rey, Fotograf Jancsi Hadik, Guide Daniel Coquoz natürlich, plus wir drei Fahrer. Wir kontrollieren ein letztes Mal unsere Ausrüstung und machen uns auf den Weg zur Cabane Brunet auf 2.100 Metern. Auf der Hütte treffen Jerôme, Jérémie und ich mit unseren E-Bikes auf das Produktionsteam, die mit ihrem schweren Gepäck schon voraus gestartet waren. Sie schleppen sich ab wie die Maulesel, müssen sie ja neben ihrem Kameraequipment auch noch die Ski auf dem Rucksack tragen. Die erste Traverse in Richtung des Panossière Gletschers weist einen Höhenunterschied von 550 Höhenmetern auf – und kostet uns sage und schreibe mehr als fünf geschlagene Stunden. Wir beginnen damit, ein paar Szenen zu filmen und für die Kameras hin- und herzufahren. Als wir den Drehtag beenden ist es 18:00 Uhr geworden und wir verziehen uns in unser Nachtlager, die Cabane de Panossière auf 2.641 Metern. Die Welt belohnt uns für unsere Mühen mit einem sagenhaften Sonnenuntergang, den besonders Jancsi für ein paar herrliche Fotos ausnutzt.

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Eine kurze, durch Schnarcher gestörte „Nacht“ später, läutet unser Wecker um 00:30 Uhr. Es wird Zeit, diesen sanften Traum endlich zu verwirklichen, der seit fünf Jahren in meinem Kopf herumspukt. Die Hälfte unserer Truppe fellt die Tourenski auf, wir Fahrer packen unsere Lenker und radeln in die Querung des Panossière Gletschers. Nach nur einer halben Stunde Anstrengung mitten in der Nacht setzt Jerôme seine Füße in eine Gumpe eiskalten Wassers. Nicht gerade die beste Art, um einen Anstieg zu beginnen…

Unsere Räder sinken ein, bis zu 15, 20 Zentimeter tief. Es ist der Beginn mehrerer Stunden Schinderei, in der Daniel und Jérémie den Takt vorgeben. Etliche Stunden später halten plötzlich alle an und Jerôme steht barfüßig im Schnee. Seine Füße sind eingefroren. Ich gebe ihm meine wasser-dichten Socken, damit er wenigstens ein bisschen Wärme in den Füßen behält.

Höhenmeter um Höhenmeter kämpfen wir uns durch den Schnee bergauf, bis sich schließlich – endlich! – der ersehnte, magische Moment einstellt: Der Schnee trägt uns! Ich schlage vorsichtig und voller Hoffnung Jérémie vor, auf die Bikes zu steigen. Und tatsächlich: Es klappt! Nur sieben Minuten später haben wir einen 20-Minuten-Vorsprung auf das Filmteam herausgefahren. Daniel fährt voraus und bereitet eine technische Passage über einen 45° steilen und ca. 80 Meter langen Hang vor. Nach einer kurzen Verschnaufpause in der Kälte und ein paar Lachern auf Kosten Jerômes, der seine Zehen in seinem Rucksack aufzuwärmen versucht, macht sich der Schlafmangel mit voller Wucht bemerkbar. Ich bin kaum in der Lage, mein Bike am Rücken zu tragen vor lauter Angst, nach hinten zu fallen – wahre Fliegengewichte, diese E-Bikes…

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Just in dem Moment als wir am Sattel ankommen, streckt der neue Tag seine Nase über den Horizont. Ein magischer Augenblick, der umso besonderer ist, als ich ihn mit meinen Freunden, mit meinem Bike und in dieser speziellen Umgebung teilen darf. Nach dem Sattel bleiben uns noch 100 Höhenmeter bis zum Gipfel des Petit Combin. Das Gefühl, sehr bald schon ganz oben zu stehen, ist omnipräsent. Wir warten den Sonnen-aufgang ab, um mit den ersten Sonnenstrahlen des anbrechenden Tages auf dem Gipfel anzukommen. Diese Momente, die uns die Natur hier oben schenkt, werden sich für immer in mein Gedächtnis einbrennen. Es ist sechs Uhr morgens und wir stehen – endgültig, endlich – oben auf dem Gipfel des Petit Combin, auf 3.663 Meter Seehöhe. Wir haben unser Ziel erreicht. Und den Ort, von dem wir abfah-ren wollen.

Wir wünschen uns Glück. Denn es gilt zu wissen: Um diese Jahreszeit verfestigt sich der Schnee hauptsächlich zwischen zwei und sechs Uhr früh. Das bedeutet, dass wir nicht sicher sein können, ob der Schnee in den tieferen Lagen genauso fest sein wird wie hier oben…

3 – 2 – 1 – Action! Wir fahren auf den Bikes los, Nico mit seiner Kamera und auf Ski im Schlepptau. Ich übernehme die Führung und spüre, wie mir das Adrenalin einschießt. Gleichzeitig überkommt mich eine unbeschreibliche Verbun-denheit mit der Natur und Bewunderung für die Berge. Sie sind atemberaubend. Die perfekten Schneebedingungen tra-gen zusätzlich dazu bei, dass wir uns vollkommen allein und ausgesprochen privilegiert fühlen, das hier erleben zu dür-fen. Mit knapp 90 km/h rasen wir bergab und auch Jérémie, sonst ja eher auf Ski unterwegs, testet die ersten Turns mit einem Bike im Schnee aus.

Am Sattel angekommen, über den wir uns bergauf so quä-len mussten, scheint die Tragepassage, die wir vor uns haben, kinderleicht – dem Adrenalin sei Dank. Weiter geht’s, bergab, so schnell es die Bikes erlauben. Der Berg ist ein großer Spielplatz für uns, wir amüsieren uns sogar mit Kurzschwüngen auf den Rädern – ohne Stockeinsatz natürlich. Unter 3.000 Metern ändert sich die Schneequa-lität, es wird weich. Jeder von uns wird auf den untersten Höhenmetern ein bisschen Schnee frühstücken… Unserem herzlichen Lachen am Ende dieser denkwürdigen Abfahrt tut dies allerdings keinen Abbruch.

Um 9:00 Uhr befinden wir uns wieder an unserem Start-punkt des Tages, auf der Cabane de Panossière. Einige wei-tere Stunden des Weges stehen uns bevor, mit Bremsmanövern auf gewohnterem Terrain. Mit dem Lachen und Scherzen meiner Freunde im Ohr denke ich für mich, dass manche Träume wohl doch wahr werden. Vielleicht reicht es schon, an sie zu glauben und den richtigen Moment abzuwarten…

 

Infobox

// PETIT COMBIN
» Der Petit Combin in der Schweiz ist ein 3.663 Meter hoher Gipfel der Grand-Combin-Gruppe in den Walliser Alpen. Er liegt zwischen dem Corbassièregletscher und dem Val d’En-tremont und an der Grenze der beiden Gemeinden Val de Bagnes und Liddes. Die Standard-Aufstiegsroute führt von Fionnay über die Cabane de Panossière.

// LUDO MAY
» Der 1989 geborene Schweizer ist professioneller Enduro-Fahrer in der Enduro World Series und produziert in regel-mäßigen Abständen seine Youtube-Serie „Ludo et son vélo“ mit Nico Falquet. Von seiner Heimat, dem Wallis aus, bereist er die Welt – mit seinem Bike natürlich.

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Instagram: @ludo_may
Facebook: @ludomayy

Text: Ludo May // Foto: Jancsi Hadik




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