Telemark the East
Wir haben ja noch ziemlich viele Orte auf unserer „Bucket List“ wo wir unbedingt Freeriden wollen. Aber Georgien steht schon lange zur Debatte und dieses Jahr hat es endlich geklappt.
Wir, das sind 'Da Knobi', Tobi und Oli. Zu unseren Homespots gehören das Allgäu und der Bregenzer Wald. Alle fahren wir seit mindestens 15 Jahren Telemark. Fast jeden Winter sind wir in einer wechselnd großen Jungs-Gruppe unterwegs in der Welt, um neue, teilweise nicht so bekannte Destinationen zum Telemarken zu besuchen. Hierbei interessieren uns auch die Kultur und die Menschen. Und als Telemarker kommen wir immer schnell mit den Locals ins Gespräch.
Aber wohin nur in Georgien? Gudauri? Eher nicht. Bakhmaro? Nein, Catskiing kennen wir schon von Mazedonien und Kosovo. Mestia? Das hört sich doch gut an! Mestia ist eine Kleinstadt im nordwestlichen Georgien und liegt auf einer Höhe von etwa 1.500 Meter im Großen Kaukasus. Sie liegt in der Region Mingrelien und Oberswanetien und ist Hauptort der historischen Region Swanetien. Flüge unkompliziert mit Wizzair von Memmingen nach Kutaissi und Unterkunft über Empfehlung im „Bapsha Guesthouse“ gebucht. Die Sache läuft!
Ein paar Monate später geht’s dann endlich los. Flugzeit sind ca. vier Stunden und dank zwei Stunden Verspätung kommen wir um 04.00 Uhr Ortszeit in Kutaissi an, wo unser Fahrer Beko bereits auf uns wartet. Also ab ins Auto und ab nach Mestia. Die Fahrt dauert ca. fünf Stunden. Das war es aber wert, da die lange Fahrzeit dem Neuschnee geschuldet ist, der über Nacht gefallen ist.
Um 09.00 Uhr kommen wir also endlich im Bapsha Guesthouse an und werden von Ralf und seiner Frau Tamara begrüßt. Ralf ist Allgäuer und Tamara ist Georgierin, die lang in Deutschlang gelebt hat. Sie haben das alte Haus und den Stadel der Großeltern mit viel Liebe umgebaut und renoviert und betreiben nun seit zwei Jahren dieses Feriendomizil, das keine Wünsche offenlässt.
Nach einem kurzen Frühstück beziehen wir unser Zimmer und machen uns auch gleich fertig für den Schnee. Haben ja nur den halben Tag und sind auch ein wenig müde. Also entscheiden wir uns für Hatsvali, ein sehr kleines Skigebiet auf 1.868 Meter bis 2.348 Meter und nur zwei Sesselliften.
Macht aber gar nichts. Der Schnee ist super und zum „eingrooven“ in diversen Waldschneisen reicht’s völlig. Wir beenden den Skitag in der Sonne bei ein paar Bier.
Am Tag zwei geht’s jetzt aber in ein „richtiges“ Skigebiet! Tetnuldi! Eröffnet im Februar 2016 liegt es auf einer Höhe von 2.265 Meter bis 3.160 Meter, gleich unterhalb des 4.858 Meter hohen Mt. Tetnuldi. Hier findet man vier Sessellifte, die aber ideal gebaut sind, um problemlos und ohne große Aufstiege in die diversen Rinnen, Couloirs und Flanken zu kommen.
Wir vergnügen uns also den ganzen Tag bei perfektem Sonnenschein in eben diesen Abfahrten, finden genügend unverspurte Hänge und sind schlichtweg begeistert von der Landschaft und dem Bergpanorama. Spätnachmittag sitzen wir zufrieden bei Bier und Schawarma in der Sonne und holen uns bei Ralf und anderen Einheimischen ein paar Tipps, was wir noch so alles starten können. Ein Vorschlag hört sich gut an: Uschguli! Uschguli ist eine Dorfgemeinschaft, gelegen auf 2000 – 2200 Meter, bestehend aus vier Ortsteilen am oberen Ende der Enguri-Schlucht in Ober-Swanetien und ist bekannt für seine Wehrtürme. Der Ortsteil Tschaschaschi ist seit 1996 Teil des UNESCO-Welterbes. Acht Kilometer nördlich, das Enguri-Tal aufwärts, liegt der Berg Schchara (5.201 Meter), der dritthöchste Gipfel des großen Kaukasus und der höchste Berg Georgiens. Also warum nicht. Wir buchen uns dafür einen Guide namens Georgi, der alles Weitere organisiert. Der Plan ist, am ersten Tag eine Tour am Berg Layla zu machen, dann nach Uschguli zu fahren, dort zu übernachten und am nächsten Tag vor Ort eine Tour zu gehen.
Aber es kommt anders! Wir gehen zwar die Tour am Berg Layla, sind danach aber erstens körperlich bedient und zweitens auch schon recht spät dran. Wir entscheiden uns also dazu, wieder zurück nach Mestia und erst am nächsten Morgen ganz früh nach Uschguli zu fahren. Außerdem wollen wir unbedingt mal in so einen Wehrturm! Georgi hat sofort und spontan was organisiert und so finden wir uns bei Andro wieder, der in Ushkhvanari einen Hof mit ebenso einem Wehrturm bewirtschaftet. Aber vor der Besichtigung geht’s erst mal in die gute Stube. Andro richtet was zu essen her und uns schwant schon Schlimmes. Jetzt wird Chacha getrunken. Eigentlich ein traditioneller Tresterbrand, der schwarz und gerne aus Früchten gebrannt wird und in diesem Fall irgendwo zwischen 60-70 % liegt!
Jetzt muss man wissen, dass nach einem Chacha nicht Schluss ist. In Georgien ist dreimal trinken wohl Pflicht! Auf Gott, auf die zwei Erzengel und auf den heiligen Georg! Dann kommt die Kür! Auf die Familie, auf Freunde, auf die Lebenden, auf die Toten. Und dann geht’s Freestyle weiter! Nach ca. zehn Chacha geht’s auch endlich rauf auf den Turm. Die einzelnen Stockwerke sind dabei nur über Leitern zu erreichen. Gar nicht so einfach! Wieder unten angekommen füttern wir noch schnell das Vieh und fahren zurück nach Mestia und lassen den Abend bei Essen und Karaoke singend ausklingen. Sachen gibt’s…
Am nächsten Morgen starten wir wie ausgemacht recht früh Richtung Uschguli. Die Fahrt dorthin ist abenteuerlich und der Chacha macht sich bemerkbar. Für uns, die wir deutsche Straßen gewöhnt sind, ist die 'Hauptstrasse' eher eine Geröllpiste. Haben wir uns nach einigen Kilometern noch gefragt, warum zuweilen uralte russische Bulldozer am Wegesrand stehen, kommt schon bald die Erklärung. In Form einer Steinmure, die die 'Straße' unter sich begraben hat. Unser Fahrer manövriert den kleinen Allrad Bus gekonnt und mit Schwung über die Kiesel, dass selbst Ken Block neidisch geworden wäre.
In Uschguli angekommen haut’s uns echt aus den Socken! Das ist ein Stück Landschaft, das seinesgleichen sucht. Dazu die mittelalterlich wirkenden Dörfchen. Der Wahnsinn! In diesem Gebiet gibt es schier unendliche Möglichkeiten Skitouren zu gehen. Wir machen nach der ganzen Schüttelei zwar nur eine Wohlfühl-Tour zur Ruine des 'Tempel der Tamara', doch auch hier sind die Eindrücke und Ausblicke fantastisch. Am Nachmittag treffen sich alle in einer netten Wirtschaft, wo noch die Mama kocht. Auf dem Weg dahin gehen wir mit unserem Guide noch kurz im Hotel vorbei, das wir ursprünglich für die vergangene Nacht gebucht hatten. Wir werden auf einen Drink EINGELADEN und der Wirt entschuldigt sich fast noch bei uns, weil's nicht geklappt hat. In Deutschland unvorstellbar und ein weiterer Beweis für die Gastfreundschaft. In der ursprünglichen Kneipe gibt es wieder unvergleichbar leckeres, georgisches Essen und dazu ein feines Feierabend Bier. Wie gesagt, in Georgien geht alles ein wenig entspannter dahin, deswegen fahren wir erst bei Einbruch der Dunkelheit wieder Richtung Mestia. Auf dem Weg bleiben wir mit dem Auto in einer Schneewehe hängen und können tatsächlich mal die Lawinen Schaufeln zum Einsatz bringen.
Am nächsten Tag bestellen wir wieder einen Fahrer, der uns erneut nach Tetnuldi bringt. Allerdings bei Schneefall und schlechter Sicht. So brechen wir Frühnachmittag ab und werden dafür tags darauf mit Neuschnee und Sonnenschein belohnt! Alle geilen Runs nochmal unverspurt. Was für ein Ausklang!! Tags drauf geht’s wieder heim und diesmal dauert die Fahrt zum Flughafen tatsächlich nur 3,5 Stunden. Bevor wir von Beko an den Flughafen gebracht werden, zeigt er uns noch den Markt von Kutaissi und führt uns an ein paar geschichtlich interessante Orte in der Stadt. Sein Wissen über das Land und seine Freude, es auch mit uns zu teilen, honorieren wir mit einer Einladung zum Shawarma Essen und einem angemessenen Trinkgeld.
Fazit: Super Land! Super Leute! Super Essen! Schier unendliche Möglichkeiten mit Mega Runs. Sehr einfach zu erreichen und preislich unschlagbar. Wenn nur der Chacha nicht wär!