Saalbach-Hinterglemm
"home of lässig"
Marketingstrategisch ausgeschlachtete Superlative sind mir ehrlich gesagt ähnlich egal wie die Meinung des Neffen eines Bekannten des Nachbarn meines Versicherungsmarklers. Der höchste oder der jüngste Gletscher, die schnellste Gondel oder die längste Talabfahrt, die Quadratkilometer W-Lan Abdeckung oder eben die meisten Pistenkilometer sagen nichts darüber aus, ob für das subjektive Empfinden skifahrerisch etwas geboten ist oder nicht. Von pauschalisierten Begrifflichkeiten wie einem "weltbesten Skigebiet" mag ich erst gar nicht sprechen… Versuchen wir also einen anderen Ansatz aus Freerider Sicht zu finden. Wenn in einer Region seit Jahren einer der bekanntesten Freeride Wettkämpfe ausgetragen wird und nun ein neues Face für die Juniors das Licht der Wettkampfwelt erblickt hat, wird das Geländepotential für uns Freerider sicherlich vielversprechend sein. Der Zusammenschluss Fieberbrunns bedeutet also nicht nur den Gewinn von Pistenkilometern (von denen die meisten freilich eh schon existiert haben, nur eben nicht in einem Verbund…) sondern vor allem eine riesige Schatzkiste an Freeride Hängen in der Region.
DEFINITIONEN: Um den Leser nicht vollends zu verwirren, zu viel Lesezeit und zugegebener Maßen auch dem Schreiber nicht zu viele Anschläge zumuten zu müssen, wird in diesem Artikel folgende Kurzform genutzt: Saalbach Hinterglemm Leogang Fieberbrunn wird kurz als "die Region" bezeichnen.
DIE ZAHLEN: Dieser Artikel wird nicht die neuen Dimensionen preisen, die die Region unter einem Dach zusammen fast. Zahlen zu Pistenkilometern, Anzahl beheizter Sessellifte oder Schneekanonen wird der Leser vergeblich suchen. All die Zahlen um den ehemals größten Skiverbund Österreichs, wurden zuhauf in einschlägigen Magazinen abgedruckt und durch die Werbung verbreitet. Wen es dennoch interessiert, sei diese Homepage ans Herz gelegt: www.saalbach.com. Ebenso wenig wird sich der Artikel mit Fragen den Vor- und Nachteilen des binären, dezimalen oder hexadezimalen Zahlensystems widmen.
DAS IMAGE: Womit identifiziert sich eine Wintersport Destination? Welches Lebensgefühl wird durch eine Bildsprache vermittelt? Und was spiegelt sich letztendlich beim Gast wieder? Das neue Image, das die Region mit ihren Kampagnen ausstrahlt, spricht eine deutliche Sprache. Standen bis vor kurzem noch die Familien und Gruppenreisen im Zentrum setzt die Region nun andere Zeichen. Besonders erwähnenswert für uns Freerider dabei, dass unter dem Titel "home of lässig" die Freunde des Tiefschnees mehr als willkommen erscheinen. Neu ausgeschriebene Freeride Varianten auf Seiten Fieberbrunns und eine Bildsprache mit Freeridern im hüfthohen Powder zeigen deutlich den neuen Fokus der Region. Es sind Bilder, die bislang nur mit Fieberbrunn allein verbunden wurden. Bilder wie jene von Eva Walkner mit ihrem Triumph am Wildseeloder 2012, was eine ganze Freeride Generation motivierte und bis heute geprägt hat. Dieses Bild der grenzenlosen Freiheit im weißen Gold schwappt nun auf die gesamte Region über. Powderfreaks willkommen!
DAS FREERIDEN: Zu erwähnen, dass ein Skiartikel sich aufs Skifahren beziehen wird ist wahrscheinlich ähnlich trivial wie zu erwähnen, dass das Nest der Hornissen wie ein Hornissennest aussieht. Also: Nun geht's zum Essentiellen. Skiing! Das bekannter Maßen überragende Freeriden in und um Fieberbrunn herum ist das eine. Doch die skifahrerischen Elemente wurden mit dem Zusammenschluss der Region um ein vielfaches potenziert. Zu den altbekannten Freeride Lines um den Wildseeloder haben sich nun weitere Varianten gesellt, die entlang des Reckmoos Süd Lifts ausgeschrieben sind. Mit dem Verbund wird darüber hinaus ein weitläufiges Tourengebiet mit dem Freeride Mekka Fieberbrunn vereint. Südlich von Saalbach und Hinterglemm erschließen sich mit dem Löhnersbach Tal Richtung Saalbachkogel unzählige Varianten, die entweder direkt aus dem Tal oder auch vom Skigebiet aus mit Fellen erschlossen werden können. Mit diesen Tälern wird die Region auch später in der Saison noch höchst interessant für uns Freerider, die die spektakulären Hänge vielfach nördlich exponiert sind und uns so auch bis ins Frühjahr hinein mit feinstem Powder empfangen. Generell bleibt aber festzuhalten, dass in dieser Region mit Gipfeln von unter 2200m die beste Freeridezeit mit Ende März vorüber ist.
Weiters gilt es nach dem Zusammenschluss natürlich die neuen Freeride Hänge zu erkunden, deren Einstiege durch die neue Verbindungsgondel optimal zu erreichen sind und deren Auslauf direkt zurück zur Tirol S Gondel führt. Beispielsweise die Ostflanke der Hochalmspitze, auf der sich 2016 erstmals die Freeride Juniors der Worldtour maßen. Für jeden ambitionierten Freerider ein neues Highlight in der Region gespickt mit unterschiedlichsten Features, das mit kurzem Aufstieg von der Hochalm Sesselbahn erreicht werden kann. Besonders an vom Föhn geprägten Tagen ist das Glemmtal eine exzellente Alternative zu den meisten Salzburger oder Tiroler Regionen. Denn durch die Ost-West orientierte Lage ist es deutlich weniger anfällig für die warmen Südwinde. Beim ersten Schritt aus der Gondel des Schattberg-Xpress zeigt die Alpenpracht Saalbach Hinterglemms ihr ganzes Potential. Verspieltes Gelände in direkter Liftnähe und massive, steile Nordflanken majestätischer Gipfel in der Ferne. Ein wahres Big Mountain und Touring Paradies. Doch Vorsicht Schutzzone: Ein paar Flanken, wie die Nordostseite des Westgipfels, sind fürs Freeriden gesperrt!
Für diejenigen, denen die Varianten auch etwas länger werden dürfen, hat das Skigebiet eine Route vom Schattberg- West bis hinunter nach Hinterglemm ausgeschrieben. Eine elegante Möglichkeit um von Saalbach nach Hinterglemm zu pendeln. Mit Fellen bewaffnet kann diese noch mit einem Aufstieg zum Stemmerkogel verlängert werden. Schon von der Westgipfelhütte aus lacht der Gipfel unverhohlen entgegen. Am Gipfelkreuz des Stemmerkogels angelangt überwältigt der weite Blick herüber zum Alpenhauptkamm, der vom Kitzsteinhorn markant gekennzeichnet wird. Der Stemmerkogel ist aber mit Vorsicht zu genießen, da der Berg nordseitig sehr steil abfällt. Die westseitige Abfahrt jedoch lädt zu entspannten Powderturns im Sonnenuntergang ein und führt direkt hinunter in Richtung der Westgipfel-Skiroute, über die man in den Genuss von stolzen 1100 unpräparierten Höhenmeter Geländeabfahrt bis zum Ortskern vom Hinterglemm kommt.
ABSEITS DES ABSEITS: Natürlich gibt es auch ein Abseits des "Abseits-Skifahren" (altdeutsche Formulierung für Freeriden). Den meisten kommt bei dem Namen Saalbach schnell der Ö3-Pistenbully und Klischee Aprés-Ski in den. Aber weit gefehlt. Es gibt Visionäre in der Region, die ein neues Zeitalter einläuten. Allen voran Huwi und Renate aus Leogang. Mit ihrer Leidenschaft für das Besondere und den individuellen Charme, der seiner Zeit immer ein paar Schritte voraus zu sein scheint, setzen sie neue Standards in der Region. Ihr neustes Werk ist die hendl fischerei. Mir selbst schießt dabei das Bild von Wilhelm Buschs Max und Moritz in den Kopf. Spitzbübisch stehen die beiden am Schlot des Hauses von Witwe Bolte und stibitzen mit ihren langen Angeln die Hendl aus dem Ofen. Wird der Kindheitstraum hier war, einmal selbst an einem solchen Schornstein zu stehen?! Ja! Nicht direkt am Schornstein, aber auf dem 2. Stock über der Bar. Hendl Haxen, die sich vor keinem Paradeexemplar a la Wiesn verstecken müssen. Wahnsinn! Direkt an der Gipfelstation der Asitzbahn erwartet die hendl fischerei die hungrigen Mägen. Ein Architektonisches Kunstwerk aus Stahl und Zirbenholz abgeschmeckt mit einem Mix aus Schirmbar und Lounge Atmosphäre. Ein Stil der sich auch im mama thresl in Leogang wiederfindet. Auch wenn man dort nicht direkt nächtigt, sollte man sich einen Besuch der Bar und Restaurant nicht entgehen lassen. Elektroklänge aus den Boxen, Artistik über der Bar und Flammkuchen auf dem Tisch sind die optimale Kombination, um einen Freeridetag ausklingen zu lassen. Après-Ski ganz ohne "Rote Pferde"… Und ein kleiner Tipp zum Abschluss: Gäste des mama thresl können auf Wunsch das Frühstück (bis 10 Uhr) auf die hendl fischerei verlegen.
FAZIT: Die Region zwischen Fieberbrunn und Leogang auf einen Nenner zu bringen ist schwierig. Man sollte sie selbst erleben. Von entspannten und gut ausgeschriebenen Freeride Varianten über ausgiebige Touring Möglichkeiten bis zu den hardcore Varianten der World Tour am Wildseeloder ist für Freerider alles geboten. Es ist also an uns selbst, nicht den Plattitüden der Marketingstrategen hinterher zu jagen, sondern uns selbst ein Bild der Regionen zu machen. In Saalbach Hinterglemm Leogang Fieberbrunn sind es nicht die Zahlen die uns Freerider beeindrucken sollten, sondern die Mannigfaltigkeit der Möglichkeiten!
Fotos: Lynn Ellenberger, Marcel Zalewski
Text: Bastian Bäumer
Infobox
Die Gemeinde Saalbach Hinterglemm liegt auf über 1000 m Seehöhe und hat ca. 3000 Einwohner. Es stehen knapp 20 000 Gästebetten zur Verfügung. Anfang Dezember findet das BERGFESTival statt, bei dem unter anderem Alligatoah, Wolfmother und La Brass Banda auftreten werden. Zum "Home of Lässig" gehören die Skigebiete Saalbach Hinterglemm, Saalfelden Leogang und Fieberbrunn in Tirol. Diese Verbindung wurde bereits letzte Saison mit der Tirol SBahn hergestellt. Auch im kommenden Winter gibt es im Skicircus Saalbach Hinterglemm Leogang Fieberbrunn einiges an neuer Infrastruktur: eine 10er-Kabinenbahn ersetzt die Schönleitenbahn, der 12er Express verbindet den Zwölferkogel mit dem Westgipfel und der Oberschwarzachlift wird zum Doppeltellerlift umgebaut. Vier täglich geshapte Snowparks gehören zum Skicircus, dazu gibt es vier spezielle Pow Areas und Freeride Parks am Spieleck, Westgipfel, Schattberg und Lärchfilzkogel.
SKIGEBIET:
270 km Piste, 70 Liftanlagen | Tageskarte ab € 52,00 | 2016/17 ist übrigens die Tirol Snow Card im gesamten Skicircus Saalbach Hinterglemm Leogang Fieberbrunn ohne Aufpreis gültig!
EXTRA:
Die Saalbach Hinterglemm Mobile App gibt nicht nur Auskunft über Wetter und Pistenverhältnisse, sondern schlägt auch Touren mittels GPS-Ortung durch das Skigebiet vor und hilft bei der Suche nach einer Unterkunft. Die App ist für Android und IOS kostenlos erhältlich.
ANREISE:
Vom Flughafen Salzburg aus mit dem Holiday Shuttle 8x täglich www.holiday-shuttle.at
- Mit dem Auto 2,5 h von München: A 8 – A 93 – Ausfahrt Oberaudorf - Walchsee – Erpfendorf – B 178 Lofer – B 311 Maishofen – Glemmerstraße nach Saalbach
- Bzw. 4 h von Wien: A 1 bis Ausfahrt 297 Wals – B 1 – B 21 – B 178 Lofer - B 311 Maishofen – Glemmerstraße nach Saalbach
ALLGEMEINE INFOS:
www.skicircus.com
Alpenvereinskarte: #34/2 Kitzbüheler Alpen Ost
UNTERKUNFT EMPFEHLUNG:
www.mama-thresl.com
www.thomsn.at
www.saalbacherhof.at
www.spielberghaus.at