MTB PIONIER - WOLFGANG RENNER
Einmal Radsport – immer Radsport“
Unter einem Pionier versteht man im Bereich Forschung einen Menschen, der auf einem bestimmten Gebiet eine Vorreiterrolle einnimmt, der etwas Bahnbrechendes geleistet und damit weiteren wissenschaftlichen Arbeiten und Erkenntnissen den Weg geebnet hat.
Bahnbrechend war 1982 das „Centurion Country“ – das erste „Mountainbike“ in und aus Deutschland. Wem und was er damit den Weg geebnet hat, zeigt ein Blick auf die aktuelle Bikelandschaft in Deutschland.
Aber wie wird man zum „Bike Pionier“? Wahrscheinlich indem man das Radfahren schon seit frühester Kindheit betreibt: Wolfgangs Vater war im Rad Club aktiv, also war für die beiden Söhne der Weg vorgegeben: Wolfgang und sein Zwillingsbruder Jürgen wurden als Kunstradfahrer erfolgreich. Da ihm die Halle aber schnell zu eng wurde und sein Vetter Karl Stehle zu der Zeit schon Querfeldein-Rennen bestritt, konnte er mit Ihm zu den Rennen rund um Magstadt fahren. Wolfgang hatte die „Gnade, mit wenig Training eine gute Form zu erreichen“, fuhr schnell die ersten Top-Platzierungen ein und wurde schließlich mit 21, 22 und 23 Deutscher Cross Meister. Da die Querfeldein Rennen weniger Training als klassische Straßenrennen forderten, konnte er es auch gut mit seinem Elektrotechnik und dem anschließenden BWL Studium unter einen Hut bringen. Leider beendet ein schwerer Autounfall Wolfgang Renners aktive Karriere schon im Alter von 25 Jahren.
Aber einmal Radsport – immer Radsport: Sein ehemaliger Mannschaftskollege Ekkehard Teichreber, der schon beim Radvertrieb Messingschlager angeheuert hatte, fragt ihn, ober er nicht die japanische Komponenten von Suntour in Deutschland vertreiben will. Das war im Jahre 1976 – die „Centurion Bikes“ entstehen. Der Name sollte international leicht auszusprechen sein und eine Bedeutung haben. „Und die Japaner hatten ihn schon“. Neben dem Vertrieb der Marken Suntour, Sakae und Sugino entstehen schon im ersten Jahr Centurion-Rahmen aus japanischer Fertigung. Dass Didi Thurau im Jahr darauf mit seinen 15 Tagen in Gelb einen ersten Radsportboom in Deutschland auslöste war „ein sehr glücklicher Umstand“ und hatte zur Folge, dass Wolfgang Renner zusammen mit Hans-Joachim Möller und Eddy Kahlich das Magazin TOUR gründete. Kurz darauf schwappt eine völlig neue Fahrradgattung aus den USA nach Europa: Das BMX Rad. Wieder ist Renner ein Mann der ersten Stunde, er bewirkt die Aufnahme von BMX ins sportive Angebot des Bund Deutscher Radfahrer. Allerdings muss er sich im Gegenzug den Posten des „BMX-Fachwart“ übernehmen und setzt sich dabei für den Bau der ersten BMX Bahnen in Bremen und Magstadt ein.
Anfang der Achtziger sind es erneut die Kalifornier, die die nächste Rad- Neuheit erfinden: Das Mountainbike. Wolfgang Renner sieht die Prototypen auf einer Messe in den USA, zeichnet von Hand einen Rahmen und bringt 1982 das Centurion „Country“ als erstes deutsches Mountainbike auf den Markt. Es entsteht ein ganz neuer Sport: „1976 sind wir die Karwendel Runde noch mit den Querfeldeinrädern gefahren. Jetzt konnten Andy Heckmair und ich die ersten Trans Alp Touren fahren.“ Es erscheinen die ersten Sonderbeilagen zum Thema Mountainbike in der TOUR und auch bei der späteren Gründung der BIKE hat Wolfgang Renner seine Finger im Spiel. 1987 bricht er zu seiner ersten großen MTB Expedition nach Kathmandu auf.
Jetzt geht es Schlag auf Schlag: 1984 wird auf der IFMA das Centurion Accordo GT als erstes Trekkingfahrrad der Welt ausgestellt. Anfang der Neunziger kommen die ersten Fullys auf den Markt. Alle Hersteller kämpfen mit der neuen Technik und der Beeinflussung der Federung durch den Antrieb. Centurion präsentiert 1996 das „No Pogo“, einen Fahrradrahmen, bei dem Federung und Antrieb unabhängig voneinander funktionieren. Die ersten Fully Rahmen lässt Wolfgang Renner noch in Italien fertigen. „Im Nachhinein denke ich, ich hätte gleich nach Taiwan gehen sollen.“ Diese Erkenntnis führt direkt zu einem Joint Venture mit dem taiwanesischen Radhersteller Merida: Centurion entwickelt, Merida baut. Es folgen das LRS-System, das Numinis und unzählige weitere Meilensteine der Radgeschichte.
Heute ist Wolfgang Renner Chef von 110 Mitarbeitern, sitzt immer noch fünf bis sechstausend Kilometer pro Jahr auf dem Rad, war zusammen mit Eddy Merxx in Ladakh, war beim Cape Epic am Start, ist sieben Mal den Jakobsweg mit dem Rad gefahren, kennt jeden, weiß fast alles aus und über die Fahrradbranche und hat und wird hoffentlich noch sehr vieles auf den Weg bringen. Kilometer auf dem Bike und Pionierleistungen für die Branche.
Wir verneigen uns vor einem wahren Pionier des Mountainbikes und wünschen alles Gute zum vierzigjährigen Bestehen von Centurion!
Fotos:Archiv Renner | Text:Ralf Jirgens