TRAMIN
"Wo es der Liebe Gott besonders gut gemeint hat"
Bilder: Andreas Meyer | Text: Thomas Ottillinger
Im Süden Südtirols, im Etschtal, da wo sich die Autostrada nur mehr gemächlich talabwärts schlängelt, beginnt die Südtiroler Weinstraße. Sie zieht sich von Nals über Bozen durch das Überetsch und Unterland bis nach Salurn. Es hieß, dass es hier nicht nur exzellenten Rebensaft, sondern auch ein richtig gutes Trailnetz fürs Mountainbiken zu entdecken gäbe. Hört sich nach einem ziemlich guten Vorwand an, dieses Jahr nicht erst am Lago das Bike auszupacken.
Während sich die Skitourengeher noch in den Bergen vergnügen, machen sich im frühen Frühling die Mountainbiker bereits kolonnenweise auf den Weg Richtung Süden – oftmals um am nur allzu gut bekannten Lago die ersten Kilometer der Saison auf dem Bike und in die Beine zu bekommen. Durch Südtirol fährt man dann vorbei an den jetzt blühenden Apfelbäumen, an unzähligen Weinbergen und mehr oder weniger gut erhaltenen Burgen. Nicht selten meldet sich der Gedanke, doch auch mal eines dieser Dörfchen oder eine der Festungen zu besuchen, anstatt sie immer nur hinter dem Autofenster vorbei ziehen zu sehen. Zu stark ist meistens die Anziehungskraft des Gardasees, um spontan von der Autostrada abzubiegen und einen Abstecher zu wagen. Heuer wollten wir aber endlich diese Region entdecken – also das Mountainbike reisefertig verpackt, rein ins Auto und ab auf die Strada del Sole!
In Bozen Süd verlassen wir die Autostrada und fahren der "Strada del Vino" entlang Richtung unseres Zielortes – Tramin. Schon aus dem Auto heraus präsentiert sich dem Biker eine Region, die kontrastreicher kaum sein könnte: Wesentlich lieblicher und weicher als am Gardasee. Es gibt jede Menge hügelige und waldige Gegenden, sie zeigt aber auch ihre hochalpine Seite. Biken kann man hier das gesamte Jahr über. Es gibt unzählige schöne Trails, die überwiegend sehr flowig sind und auf griffigem Waldboden, teilweise mit Wurzeln überzogen und und im Herbst goldgelb mit Blättern bedeckt, hinab führen. Die Anstiege sind im Großen und Ganzen moderat, so sollte auch zu Beginn der Saison nach dem Bergaufpedalieren noch genügend Kraft in den Beinen stecken, um es mit Hochgenuß bergab laufen zu lassen. Im Notfall könnten wir immer noch auf die Mendelbahn oder den Shuttle umsteigen, um zu den höher gelegenen Traileinstiegen zu kommen. Selbstverständlich fix eingeplant ist sowohl das abendliche Glas Wein zur Belohnung, als auch möglicherweise schon ein erstes Bad im Kalterer See – einer der wärmsten Seen der Alpen. Soweit unsere Erwartungen an die Tage im Tramin. Der Traminer Hof, in dem wir uns eingebucht haben, hat sich als DAS Bikehotel der Region etabliert. Chef des Hauses ist Armin Pomella, sozusagen ein Bike-Tourismus-Pionier, der vor gut 23 Jahren begonnen hat, geführte Touren in dieser Region anzubieten. Als leidenschaftlicher Radler ist Armin selbstverständlich immer noch selbst als Bikeguide tätig und zusammen mit seinem Team werden wöchentlich wechselnde Touren angeboten. Nicht nur für Mountainbiker, sondern auch für Rennradler und E-Biker ist für jeden Geschmack etwas dabei: von gemütlichen Aussichtsrouten durch den Montiggler Wald und rund um die gleichnamigen Seen, über die anspruchsvolle Ausfahrt auf den Roen – den 2.116 Meter hohen Hausberg der Traminer - bis hin zu abwechslungsreichen Single-Trail-Runden und Touren auf Grauner oder Fenner Joch. Beim Sichten der Tourenvorschläge auf der Homepage konnten wir es schon kaum mehr erwarten, aufs Bike zu steigen und die Gegend zu erkunden. Jetzt sind wir gespannt, was Armin mit uns vor hat.
Im Eingangsbereich gegenüber der Rezeption befindet sich ein Aushang über die Tourenplanung der Woche. Armin ist bei der Tourenplanung jedoch immer flexibel in Abhängigkeit in erster Linie vom Wetter, von den Wünschen seiner Gäste und den sonstigen Rahmenbedingungen – "Bringt halt nix, wenn Dienstag der Roen am Plan steht, es oben schneit und hier unten die Montiggl-Trails trocken sind!". Je nach Können und Kondition werden zwei Gruppen angeboten für die entsprechende Leistungsklasse, damit auch jeder voll auf seine Kosten kommen kann. Daneben hängen zwei riesige Landkarten der Region – eine fürs Rennrad, die andere fürs MTB. Darauf eingezeichnet sind unzählige Touren mit ihren Profilen, exakten Höhen- und Streckenangaben und jeweils einer kurzen Beschreibung der Tour-Charakteristik. Stolz erzählt uns Armin, dass all die Touren im Laufe der Jahre von ihm selbst "erfahren", aufgezeichnet und erfaßt wurden.
Für uns stehen heute die Trails im Montiggler Wald auf dem Plan. "Montiggl" wurde bereits im 9. Jahrhundert als "Admonticlo" in Urkunden erwähnt und bedeutet ursprünglich im Romanischen "kleiner Berg, kleine Geländeerhebung".
So präsentiert sich dieser zwischen Bozen auf der einen und den Gemeinden Eppan, Kaltern und Tramin auf der anderen Seite eingebettete Hügelzug. Durchzogen ist dieser mit einem schier nicht enden wollenden Netz aus Forst- und Hohlwegen und versteckten, abwechslungsreichen Single- Trails und wird gekrönt von den beiden Montiggler Seen.
Wir holen unsere Bikes aus dem komfortablen Bikekeller. Hier waren unsere "Schätzchen" über Nacht sicher und überwacht aufbewahrt. Für EBikes wurden über den Winter eigens jede Menge an Ladestationen installiert. Ein Waschplatz für die eingesauten Bikes nach der Tour darf natürlich nicht fehlen.
Es ist ein wundervoller Morgen, die Sonne scheint und obwohl die Saison erst begonnen hat, erlauben es die Temperaturen bereits so früh kurz-kurz loszurollen. Armin geleitet die Gruppe rasch von der Straße weg und führt uns gezielt auf schönen Nebenwegen durch bunt blühenden Apfelplantagen direkt zum Montiggler Wald. Mit von der Partie ist Davide, der neue Bikeguide im Team. "Es dauert schon a Weile, bis man sich hier zurechtfindet" meint Armin. Das Wegenetz ist in der Tat unendlich. Aber unser Guide kennt sich aus wie kein Zweiter. Los geht's nun über einen schönen Forstweg bergauf und schon nach wenigen Minuten hinein in den ersten Trail. "Hier schaue ich mir an, wer wie fit ist und wie er fahren kann", ein letzter Check, damit die Gruppen auch wirklich homogen eingeteilt sind. Bei uns paßt alles. Nun pedalieren wir wieder locker über weitere Forstwege fast bis zum Bergrücken hinauf. Hier geht es in einen wunderbar wilden Trail hinein. Es kommt fast Jungelfeeling auf. "Den hab ich selbst erst vor kurzem entdeckt" meint Armin mit einem verschmitzten Grinsen. Weiter geht's über einen Waldtrail leicht bergauf zu einem spektakulären Aussichtspunkt. Zum Glück stand unser Guide da und stoppte uns. Wenn Du im Flow bist und gut Speed drauf hast, könnte es schon kritisch werden. An diesem Punkt reißt eine Felskante abrupt ab und es geht gut 400 Meter senkrecht in die Tiefe. Uns bietet sich ein spektakulärer Blick, der sich über das Etschtal von Bozen bis fast nach Trento erstreckt. Nachdem wir die Aussicht ausgiebig genießen konnten, satteln wir auf und reiten einen sich wild schlängelnden, super flowigen Trail hinunter bis auf halbe Höhe. Dort biegen wir in einen Hohlweg ab, der sich wie eine Halfpipe surfen läßt. Als uns der Trail am Ende ausspuckt, haben wir durch die Bank ein breites Grinsen in den verschwitzten Gesichtern. Weiter geht's zur Mittagspause am größeren der beiden Montiggler Seen. Auf der Terrasse vom Seehotel Sparrer genießen wir die leckere Küche und die wärmende Sonne Südtirols – mit fast 27 Grad fühlt es sich an wie im Sommer. Gestärkt machen wir uns auf, um den See herum und wieder hinauf auf den Bergrücken. Ambitioniert zeigt uns unser Guide immer wieder neue Trails – bergauf wie bergab, über Sand, Fels, Wurzeln sauber dosiert mit technischen Passagen. Wir hätten nicht gedacht, dass der unscheinbar wirkende Bergrücken so viel Spaß machen kann, aber auch ordentlich Kraft kostet. Inzwischen haben wir gut 1.000 Höhenmeter gemacht und das merken wir auch. Zum Einfahren war die Tour perfekt und wir beschließen, den Rückweg zum Hotel anzutreten. Wir freuen uns alle, schließlich wartet dort das ein oder andere kühle Getränk oder ein leckerer Wein in gemütlicher Runde mit dem Chef zum Ausklang der Tour.
Wir waren zeitig zurück, sodaß sich vor dem Abendessen noch ein Besuch in der Wellnesslandschaft ausgeht. Im Untergeschoß finden wir einen Indoor- Pool mit Jacuzzi und nebenan eine Saunalandschaft – wir entscheiden uns dafür. Der Bereich ist großzügig angelegt mit zwei Saunen, einem Dampfbad und einem gemütlichen Ruhebereich. Schnell stellt sich die gewünschte Entspannung ein. Doch bald stellt sich ein deutliches Leeregefühl in der Magengegend ein, dem wir vorfreudig nachgeben.
Den ersten Hunger stillen wir am üppigen Salat- und Antipasti-Buffet. Danach folgen drei leckere Gänge, die wir morgens aus jeweils drei Optionen ausgewählt hatten. Ich habe mich für die hausgemachte Pasta entschieden, gefolgt von der Tagliata auf Rucola und dem krönenden Abschluß – einer herrlichen Panna Cotta. Großes Kompliment an die Küche, die hier ganz hervorrangende Arbeit leistet. Begleitet wird das ganze von einem guten lokalen Rebsaft. Wir sind ja schließlich nicht umsonst in Südtirol.
Der nächste Morgen beginnt mit einem ausgiebigen Frühstück. Wichtig, denn heute steht die Auffahrt zum Grauner Joch auf 1.800m auf dem Plan. Ganz schön knackig, denken wir uns noch, für den zweiten Biketag. Armin beruhigt uns: "Mal sehen, wir fahren wohl nicht ganz rauf". Sein Ziel ist es, sich zu Mittag mit der schwächeren Gruppe in der Jausenstation zu treffen. Wir werden so weit fahren, bis die andere Gruppe einen bestimmten Punkt passiert und der Guide kurz durchruft. Soll uns recht sein, mehr Meter nach oben ist auch mehr Trail nach unten. Bis auf ein, zwei kleine Rampen gestaltet sich die Auffahrt über die Forststraße recht locker. Und bei dem Panorama, das sich uns bietet, sind wir eh permanent abgelenkt. Wir werden langsam unruhig, denn permanent zweigen die schönsten Trails vom Weg und am liebsten würden wir kurzerhand abbiegen und der Spur folgen wollen. "Die sind alle gut fahrbar und du erlebst keine bösen Überraschungen, denn sie enden alle in oder um Tramin" erklärt uns Armin. Er kennt "seine" Trials wie kein anderer. Doch noch geht es weiter bergauf. Langsam machen sich die Höhenmeter bemerkbar – ist halt doch noch recht früh im Jahr und die Form erst im Aufbau. Eigentlich könnte man ja auch mal im Winter das ein oder andere Wochenende hier zum Biken verbringen, denken wir uns. Dann wäre es im Frühjahr nicht immer so hart. Eigentlich kein Problem, denn die Winter sind hier relativ mild und gerade der letzte zeigte sich auf der Alpensüdseite besonders mild – mal im Hinterkopf behalten. Endlich, der ersehnte Anruf von Davide, dem neuen Guide, kommt. Wir fahren noch zwei Kehren weiter zu einem Pfadabzweig weiter. Angelangt auf gut 1.300m biegen wir in den Trail vom Grauner Joch herunter ein. Es ist immer wieder schier unglaublich, wie flüssig und spielerisch sich hier die Trails fahren lassen – so gar kein Vergleich zu den ruppigen, teils stark ausgenudelten Sachen am Lago. Oftmals schlängeln sich die Pfade nur leicht abfallend an den Höhenlinien entlang, dass kaum Höhenmeter verschenkt werden. Wir fahren 400m hinunter, was sich dadurch fast doppelt so lang anfühlt – einfach genial!
Unsere Jausenstation für den heutigen Mittag ist das Gasthaus Caroline, ca. 5 km oberhalb von Kurtatsch. Dort treffen wir auf die zweite Gruppe. Ein erster Blick in die Karte fesselt uns ähnlich wie ein spannender Krimi, nur in lecker halt. Alles ist hier hausgemacht und zu den regional-typischen Gerichten bietet die Wirtin ganz besondere saisonale Schmankerl an wie z. B. Löwenzahl-Rucola- Knödel. Beim Essen erklärt uns Armin, dass es in der Region so gut wie keine für Bikes gesperrte Trails gibt. Eine Ausnahme ist der Mendelsteig hinunter vom Mendelpass. "Aber den muß man ja auch ned machen, wenn rund herum so viele Alternativen hat" meint Armin zurecht "und es ist halt auch immer ein leben und leben lassen". Er meint damit die gegenseitige Rücksichtnahme von Bikern und Wanderern. Generell haben wir das Gefühl, dass die Menschen hier dem Radsport viel entspannter gegenüber stehen, als in manchen Gegenden Bayerns oder Tirols. Wieder ein Grund mehr, viel öfter hierher zu kommen.
Gut gestärkt nach dem Mittagessen pedalieren wir leicht bergauf in Richtung Tramin. Wir hatten gar nicht bemerkt, dass es während der Pause geregnet hat.
Kein großes Thema, denn die Trails sind so knochentrocken, dass das bisschen Naß aufgesogen wird wie von einem Schwamm. Auch nach dem Essen hat unser Guide zwei Alterntiven parat: a) die sportliche mit nochmals 300 Höhnemetern bergauf, dafür lockt ein besonderes Trailschmankerl. Oder b) die kürzere Tour, die nur 100 Meter überwinden muß und dann direkt auf das Trailnetz nach Tramin abzweigt. Ganz plötzlich schiebt sich eine dunkle Wolke von Westen über den Roen und mit einem lauten Donnerschalg beginnt ein kurzer kräftiger Schauer. Entscheidung abgenommen, einstimmig votieren wir für die Variante b). Es ist ganz erstaunlich, trotzt des Regens fühlt es sich nicht wirklich rutschig an. Im Gegenteil, es hat eher den Anschein, dass der Untergrund fast noch griffiger wird. Armin führt die Gruppe an und mit gutem Speed schlängeln wir uns den ersten Trail hinunter. Dann eine kurze Forstweg-Passage und weiter geht es in den nächsten Pfad hinab, durch ein Wildbachbett hindurch und hinunter zum Ortseingang von Tamin. Der Regen hat bereits zuvor aufgehört und wie bestellt kommt plötzlich die Sonne durch. Nicht umsonst kommt die Region um Bozen auf gut 300 Sonnentage im Jahr und liegt damit weltweit unter den Top 5 der sonnigsten Gegenden.
Wir rollen zurück zum Hotel. Selbst auf dem Weg dorthin nimmt unser Guide einige Stufen und Absätze mit – "der City-Trail muß am Schluß sein" meint Armin und grinst dabei bübisch.
Angekommen am Hotel genießen wir gemeinsam noch den obligatorischen Apéro in der Nachmittagsonne und lassen den Tag revue passieren. Danach kurz duschen, Check-out und die Bikes ins Auto verstauen – richtig glücklich und mit einer gehörigen Portion Wehmut verabschieden wir uns und treten die Heimreise nach München an.
Bei all dem, was wir in den kurzen zwei Tagen erleben durften – landschaftlich, flowige Trails, kulinarisch und die herzliche entspannte Lebensart - haben wir auf jeden Fall den Eindruck mitgenommen, dass es einen höhere Macht extrem gut meint mit diesem Fleckerl Erde.
INFOBOX
ANREISE.
Mit dem Auto von München nach Innsbruck und über die Brennerautobahn an Bozen vorbei bis zur Ausfahrt Egna-Ora-Termeno (Neumarkt-Tramin), von dort der SP 16 bis nach Tramin an der Weinstraße folgen.
UNTERKUNFT.
Hotel Traminerhof Weinstraße 43, 39040 Tramin a. d. Weinstraße – ITA +39 0471 860 384 info@traminerhof.it | www.traminerhof.it
ESSEN & TRINKEN.
Gasthaus Caroline Indermauer 19, Graun, I-39040 Kurtatsch Tel.: +39 0471 880212.
BIKEREGION.
Das Tramin setzt ganz auf Bike: es gibt ein großes Touren- und Trailnetz, eine Bergbahn mit Biketransport, Bikeverleih, Bikeshops, Reparaturwerkstätten, geführte Touren und und und…
GPS-TOUREN:
• www.tramin.com/bike • www.suedtiroler-unterland.it KARTEN: Supertrail Map Bozen Süd