Courmayeur
Auf der Sonnenseite des Mont Blanc
Foto: Jockel Metzger, Herbert Horelt & Ralf Jirgens | Text: Ralf Jirgens
Übermorgen geht's wieder los! Endlich kommt wieder mal mein bevorzugtes Beförderungs - mittel beim Freeriden in's Spiel – ein schnuckliger Eurocopter Ecureuil B3!!! Frank von den Heli Guides hat ein neues Gebiet, das er anbieten will. Am Telefon hat er mir schon vor Wochen vorgeschwärmt: Prali liege in der Nähe von Sestriere. Das Gebiet sei riesig und es gäbe dort auch keine fixen Landeplätze wie in den anderen Fluggebieten. Und das Gebiet gäbe einiges her! Nur jetzt mache ich mir ein paar Sorgen: Ich hab seit Tagen nichts mehr von Frank gehört und bei meiner Internetrecherche zur Schneesituation im Piemont stellte sich das nackte Grauen ein!
Zwei Tage später sitze ich mit einem mulmigen Gefühl im Auto nach Kempten. Dort trifft sich unsere kleine Reisegruppe bestehend aus ein paar skiverrückten Allgäuern, einem Sporthändler aus Schweinfurth, ein paar Mitarbeitern von Haglöfs und unserer Quotenfrau Julia, um im offiziellen Haglöfs-Expresse-Taxi – eigentlich ein ganz normalem Mercedes Bus, aus dem aber Herbert immer wieder Höchstleistungen kitzelt – um dann gemeinsam unser Reiseziel anzusteuern. Und da ist genau das Problem. Noch weiß keiner unserer Gruppe, wo es denn überhaupt hingeht! In Prali hat es nicht mehr geschneit. Das Val Formazza und Gressoney wären eine Alternative. Aber da ist der Schnee auch nicht wirklich besser. Eigentlich kann es mir ja auch egal sein. Ich setze mich jetzt gleich in den Bus, trinke das ein oder andere Fahrbier und schau einfach, wo wir zum Schluss ankommen. Frank hat sich bis jetzt immer als guter Guide erwiesen, der Dank seinem Spielzeug – dem Eurocopter – in jedem Gebiet schöne Runs gefunden hat. Als wir also die Ski, das Gepäck und die Kiste Hopfengetränk in den Bus laden läutet Herberts Handy. Frank ist dran und gibt unserem Chauffeur fünf Minuten vor dem Abfahrtstermin das neue Ziel durch: Courmayeur! Also auf die Sonnenseite des Mount Blanc bzw. Monte Bianco – wir fahren ja nach Italien!
Die Heli-Base in Courmayeur liegt direkt am südlichen Ausgang des Mont Blanc Tunnels. Es ist kalt, windig und die LKW donnern direkt neben dem Startplatz aus der stickigen Röhre. Wären da nicht unsere sehr bunten Klamotten, die zu ein paar Bündeln gebunden Ski und der Eurocopter, könnte es sich um jedes Gewerbegebiet irgendwo in den Alpen handeln. Die Vorfreude steigt. Und endlich, nach einer langen Besprechung kommt unser Pilot, checkt das Fluggerät, trifft die letzten Vorbereitungen und startet schließlich die Turbine. Immer wieder geil! Langsam gewinnen wir an Höhe. Die Autostrada liegt schon weit unter uns als wie gegen Westen das Tal entlangfliegen. Rechts von uns die massive Südflanke des Mount Blanc, links das Skigebiet von Courmayeur. Und dann kommt der Moment, auf den alle gewartet haben: Der Heli überfliegt den ersten Bergrücken. Das Panorama ist unglaublich. Die Fotoapparate klicken, die Helmkameras werden überprüft. Kurze Zeit später setzt Fabio den Eurocopter in den Knietiefen Powder am Lex Blanche unterhalb der Aiguille des Glacier auf 3280m. Schnell raus – jede Sekunde zählt – Ski aus dem Korb, Kopf runter. Schon Sekunden später sind wir allein. Die Aussicht und die umgebende Bergkulisse ist so beeindruckend, dass erst mal niemand etwas sagt. Jeder genießt. Ohne einen Schwung gefahren zu sein bin ich schön glücklich. Besonders der Gegensatz von verstaubten, kalten Industriegebiet an der Autobahn zu unglaublicher Hochgebirgsnatur mit fast kitschiger Weitsicht und absoluter Ruhe ist, was das Heliskiing für mich so faszinierend macht. Wir stehen auf 3280 Metern Seehöhe. Ein Punkt, an den die meisten Skigebiete der Alpen längst unter uns liegen, aber trotzdem geht es von unserem Standpunkt noch mal knapp 1600 Höhenmeter den Berg rauf. Gewaltig!