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SKI TRANSALP...


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powered by Powderhorn. Die Alpen aus eigener Kraft zu durchqueren – eine faszinierende Idee.

Auf der Ski-Transalp geht es von Deutschland durch Österreich und die Schweiz nach Italien. Auf dem Weg will eine Gruppe von acht Alpinfreunden, jeder auf seiner eigenen Odyssee und dennoch verbunden für dieses Abenteuer, möglichst viele Abfahrtshöhenmeter mitnehmen und viele Gipfel besteigen.

Seit Stunden spuren wir nun schon durch den immer dichter werdenden Schnee. Schritt für Schritt, versunken im großen Nichts: unten, oben, links und rechts Weiß, kein Kontrast, außer ab und an eine Verwehung, eine Wechte und dann auch mal ein Felsklotz, der dem Weiß trotzt. Eingehüllt in Schnee und gebeutelt von heftigen Winden, Schritt für Schritt. Einzig vertrauend auf das Navigationsgerät und den eigenen Instinkt, denn dank Sturm und Massen von Schnee hat die neu geformte Topographie absolut nichts mehr mit dem eigentlichen Untergrund zu tun. Werden wir die Hütte finden? Wie fühlen sich die anderen in diesen absolut misslichen Verhältnissen? Wieso tun wir uns das überhaupt an? Weshalb diese endlosen Stunden des Laufens, ohne zu wissen, ob man nicht gleich von einer Kante mehrere Meter in die Tiefe stürzt?

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Martin, unser Chefplaner, hatte die Tour minutiös geplant: Eine Mischung aus machbaren Tagesetappen und möglichst vielen Abfahrtshöhenmetern, verbunden mit unterschiedlichen Übernachtungsmöglichkeiten und interessanten Gipfeln – das war seine Vorgabe. Zu seiner Planung gehörte aber auch, sich für jeden Tag eine Alternativroute zu überlegen, sei es wegen schlechten Wetters, unbegehbaren Gipfeln, Lawinengefahr oder anderen Unvorhersehbarkeiten. Und wie sich herausstellen sollte, mussten wir aufgrund von heftigen Schneefällen darauf zurückgreifen.

Gute Planung heißt aber auch, dass sich jeder Teilnehmer individuell mit der Tour auseinandersetzen, sich entsprechend vorbereiten und ausrüsten muss. Ziel ist es ja, so wenig Gewicht wie möglich und trotzdem das Nötigste dabei zu haben. Dazu kommt die Ausrüstung, welche beim alpinen Wintereinsatz unverzichtbar ist: Piepser, Schaufel, Sonde, Felle, Harscheisen, Klettergestell, Karabiner, Seil, Steigeisen, Pickel, Stirnlampe, Rettungsutensilien und Navigationsmaterial.

Dazu die nötige funktionelle Bekleidung, bei welcher wir von unserem Bekleidungspartner Powderhorn unterstützt wurden, sowie Sturm- und Sonnenbrille, Tape gegen und Compeed für Blasen, Trinkbehälter und Tagesverpflegung – und bei Felix und mir als ambitionierte Hobbyfotografen die schwere Spiegelreflexkamera. Das alles muss in einem 28-Liter-Rucksack verstaut werden. Bei der Ski-Wahl sollte man sich über den Gesamtcharakter der Tour im Klaren sein. Da eine Alp-X leider nicht sehr abfahrtsorientiert ist, spielt das Gewicht von Ski und Schuhen eine enorm wichtige Rolle. Mein Dynafit Manaslu (95 mm unterm Fuß) und die dazu passende Bindung waren die perfekte Wahl – extrem leicht zum hoch laufen und trotzdem mit genügend Breite für die hoffentlich unverspurten Hänge.

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Unsere Gruppe setzte sich aus zwei Frauen und sechs Männern zusammen, wovon zwei die Tour mit ihren Splitboards in Angriff nahmen. Dafür genießen sie meinen größten Respekt. Alleine die Dimension ihrer Harscheisen, die mehr den Sandblechen eines Jeeps für die Paris-Dakar gleichen und entsprechend schwer sind, ließen mich staunen. Aber Meki und Wolfgang sind Kämpfer!

Unsere Tour startete in der Woche vor Ostern in Baad im Kleinwalsertal bei perfektem Wetter. Die Meteorologen kündigten jedoch einen Wetterwechsel und massive Schneefälle für die nächsten Tage an. Als erstes Highlight wartete der Widderstein (2533 m) auf uns, seines Zeichens höchster Berg im Kleinwalsertal. Der Aufstieg zum Gipfel erfolgte über den Hochalbpass. Dann ging es hinein in die enge Rinne, welche im unteren Teil durchgehend 40 Grad aufweist.

Wer bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht genügend Spitzkehren in seinem Leben üben konnte, erhält hier die ultimative Chance. Gefühlte eine Million Mal muss man in diesem steilen Gelände die Ski drehen, dabei immer den Tiefblick genießend und hoffend, dass niemand von den weiter oben kletternden Tourengehern die halbwegs intakte Spur komplett zerstört. Die Mühe lohnt sich, denn der Ausblick vom Gipfel ist fantastisch und die anschließende Abfahrt einmalig, wenn auch äußerst anspruchsvoll: oben bieten die steilen, weiten und leicht aufgesulzten Hänge optimales Terrain für große Schwünge. Zurück in der Rinne ist dann mehr Sprung- und Kurzschwungtechnik gefragt. Das Ziel war Lech, welches wir über den Hochtannbergpass erreichten.

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Der zweite Tag brachte das angekündigte schlechte Wetter mit anfänglich starkem Nebel, der die Sicht auf ein Minimum reduzierte. Nach längerer Diskussion entschieden wir uns die Tour nicht wie geplant über den Kaltenberg (2896 m) und Gaflunakopf (2676 m) und die damit verbundenen Abfahrten zu nehmen, sondern über die sichere, aber weitaus weitere Variante durchs Maroital, über den Verwallsee, vorbei an der Konstanzer Hütte und entlang der Rosanna bis zum Winterlager der Heilbronner Hütte.

Dort hatte Wolfi am Wochenende zuvor unseren Proviant bereits deponiert. Die Entscheidung für die sichere Variante war absolut richtig, denn nach anfänglichem Regen liefen wir bald in dichtem Schneetreiben, was einerseits die Sicht auf Null reduzierte und andererseits das Spuren zu einer immer größer werdenden Herausforderung machte. Die letzten zwei Stunden waren nur noch mit Hilfe der Navigationsgeräte in Kombination mit unserem Instinkt machbar, denn immer wieder hatten sich meterhohe Verwehungen gebildet, die wir nur erspüren konnten. Oft brachen diese jäh auf der anderen Seite ab, so dass man sich Schritt für Schritt durch den mittlerweile knietiefen Schnee kämpfen musste.

Diese extreme Situation brachte einige Spannung im Team, und immer wieder kam es zu kurzen Auseinandersetzungen über die richtige Wegwahl – dies ist normal in solchen Momenten und verlangt nach einem klaren Führer, der die Verantwortung übernimmt. So steuerten Felix mit dem GPS und ich führend die Gruppe schlussendlich sicher zum Ziel. Im Winterraum angekommen mussten wir erst die Hütte von ihren Minustemperaturen befreien und heizten dementsprechend richtig ein.

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Der folgende Morgen empfing uns mit wütenden Winden und 60 Zentimeter Neuschnee – Sichtweite wieder im Meterbereich. Die geplante Route über Fluhspitzen (2550 m) und die Bieler Spitze (2545 m) musste erneut gestrichen werden. Wir entschieden uns in zwei Gruppen mit genügend Abstand dem Verbellabach folgend über das Zeinisjoch nach Galtür zu marschieren. Wer die steilen Hänge von Valschavielberg und Verbellakopf kennt, kann sich sehr gut vorstellen, dass unsere größte Angst möglichen spontan abgehenden Lawinen galt – daher die Aufteilung der Gruppe. Nach einiger Zeit wurden die Hänge des Bachverlaufs immer steiler, so dass das Gehen im frischen Pulver immer schwieriger wurde. Ich entschied mich etwas voraus zu gehen, um den weiteren Verlauf der Route zu erkunden.

Nach kurzer Zeit stand ich an einer steilen und exponierten Stelle – offensichtlich, dass hier die Gruppe nicht durch konnte. Beim Versuch mich umzudrehen, gab es einen mächtigen Wumms und ich rauschte mit der gesamten Schneedecke über den Felsen erst fuß-, dann kopfvoran in den reißenden und eiskalten Bach. Zum Glück hatte sich beim Sturz der eine Ski vom Fuß gelöst, so dass ich mich schnell aufrichten und an einen kleinen Felsvorsprung klammern und so dem kalten Nass entfliehen konnte. Da hing ich nun, am einen Fuß noch der Ski, nass bis auf die Knochen und einige Meter unterhalb eines rettenden Plateaus. Zudem rauschte der Bach so stark, dass ich von den panischen Rufen meiner Freunde nichts hörte. Denn sehen konnten sie mich nicht, und sie hatten keine Ahnung, ob ich ok war oder bewusstlos im Wasser lag. Nach einigen akrobatischen Aktionen und rutschiger Kraxelei, hatte ich mich aus der misslichen Lage befreit.

Schnell wechselte ich meine Unterwäsche. Die nassen Socken blieben jedoch an, denn die durchtränkten Schuhe hätten nichts lange trocken gehalten. Schnell laufend, den Körper wieder auf Temperatur bringend, spurte ich durch tiefen Neuschnee ins Skigebiet von Galtür und in die erste Hütte. Dort angekommen wechselte ich meine Socken und verarztete meine Füße. Durch die Nässe hatte sich meine Haut dermaßen aufgeweicht, dass sich überall Blasen gebildet hatten. Von Wirl ging es dem Vermuntbach folgend zum Madleiner Haus auf der Bieler Höhe. Während dieser Zeit flogen immer wieder Helikopter über uns hinweg und hinterließen bei uns ein ungutes Gefühl. Berechtigt, denn wie wir später erfahren sollten, war eine Gruppe von drei Tourengehern am Ochsenkopf in eine Lawine geraten und zwei dabei umgekommen. Dies bestätigte die Entscheidung ‚safety first’ gewählt und dabei auf Abfahrtshöhenmeter verzichtet zu haben.

Endlich Kaiserwetter! Eiseskälte, frisch verschneite Berge und keine Wolke!

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Bei erstem Licht und herrlicher Morgenstimmung liefen wir über den Silvretta Stausee und Ochsental in Richtung ewiges Eis. Da wir am Vortag unsere Route hatten ändern müssen und es nicht bis zur Wiesbadener Hütte geschafft hatten, entschieden wir uns einen Extratag einzubauen, um die Dreiländerspitze zu besteigen. Hier treffen Tirol, Voralberg und das Engadin aufeinander, und vom Gipfel bieten sich zu allen Seiten herrliche Aussichten.

Zurück auf der Sonnenterrasse der Wiesbadener Hütte erholten wir uns erst einmal von den Strapazen der ersten drei Tage und trockneten unsere Sachen. Die fehlenden Abfahrtshöhenmeter der letzten Etappen und der frische Pulverschnee ließen Felix, Martin und mich am Nachmittag nochmals losziehen, diesmal nur mit dem Nötigsten im Rucksack – was für ein Unterschied! Uns hatte es die Abfahrt vom Ochsentaler Gletscher angetan. Ein Tourengeher nach dem anderen zöpfelte sich den frisch verschneiten Gletscher hinunter, jeder im Ultra-Kurzschwung.

Wir wollten ein Zeichen setzen und entschieden uns nach zweistündigem Aufstieg den Hang im Straightline-Modus runterzufliegen; was für ein Spaß und was für eine Gegensatz zu den übrigen Spuren. Die gewünschte heftige Diskussion auf der mittlerweile übervollen Sonnenterrasse blieb jedoch nicht aus.

Der folgende Tag begann für uns mit Stirnlampen ausgerüstet in völliger Dunkelheit. Um der großen Masse aus dem Weg zu gehen und den majestätischen Piz Buin bei Sonnenaufgang zu besteigen, liefen wir bereits um vier Uhr los. Es gibt wohl kaum eine mystischere Stimmung, als der Moment, wenn die ersten weißen Gipfel vom rötlichen Morgenlicht erfasst werden.

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Vom Skidepot oberhalb der Buinlücke sind es nur noch wenig Höhenmeter leichte Kletterei bis zum Gipfel des Buin (3312 m). Ins Engadin gelangt man entweder über das sehr steile Buin Couloir oder über die Fuorcla dal Cunfin und die Plan Rai. Die Gruppe teilte sich hier. Der Einstieg ins Couloir erwies sich als äußerst schwierig, denn trotz der frühen Stunden war der obere Teil bereits tief aufgesulzt, so dass die ersten Schwungversuche in hüfttiefem Schnee endeten. Also Geschwindigkeit aufnehmen und durchpowern! Verhängnisvoll, denn nach wenigen Metern erreichte man den noch schattigen Teil, und dort war der Schnee knallhart und von Rutschlawinen des Vortages alles andere als angenehm.

Blitzschnell nahm man Fahrt auf und flog über die großen Eiskugeln, immer leicht in Rücklage aufgrund des schweren Rucksacks. Bei der wunderschön renovierten Chamanna Tuoi trafen wir auf den Rest der Gruppe, zurückblickend auf die Gipfel der Silvretta Gruppe. Der restliche Teil der Abfahrt nach Guarda ist stark abhängig von den Schneeverhältnissen. Aufgrund der Südexposition sind die unteren Hänge meist früh aper, dies erfordert eine intelligente Routenwahl, um möglichst wenig Höhenmeter zu Fuß zurücklegen zu müssen. Dennoch, die wärmende Sonne und die urigen Dörfer des Unterengadins sind immer wieder ein ganz spezielles Erlebnis.

Der Rest der Tour verlief leider nicht wie geplant. Die Idee war am folgenden Tag von Scuol hinein in den Nationalpark zum Winterraum der Chamanna Lischana zu laufen. Schließlich entschieden wir uns aufgrund der akuten Lawinensituation aber dagegen. Zu exponiert ist der Aufstieg zur Hütte. Weiter wäre die Tour über den Schlining Pass nach Italien gegangen mit Schlining als Zielort. Alternativ versuchten wir durch das einmalige Val d’Uina und den Craist’Ota die Tour zu beenden.

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Leider waren die Hänge von der Uina Dadaint an alle aper und im oberen Teil zu sonnenexponiert und daher zu gefährlich. Nach langer Diskussion entschieden wir uns schweren Herzens nach Scuol zurückzukehren und unser Vorhaben Italien per Ski zu erreichen aufzugeben. Einerseits niedergeschlagen, andererseits erfüllt von erlebnisreichen Tagen gönnten wir uns ein reinigendes und wohltuendes Bad im Scuoler Kurbad.

Fazit: Eine Ski-Transalp verlangt eine solide Grundkondition und ist definitiv nicht abfahrtsorientiert. Es müssen etliche Kilometer überwunden werden, unter Umständen bei misslichen Verhältnissen. Das Team sollte deshalb so homogen wie möglich sein. Neben der Ausrüstung bedarf es zumindest einer Person, die über sehr gute alpine Erfahrung verfügt und die richtigen Entscheidungen trifft. Daher ist es noch besser, die Tour mit einem Bergführer durchziehen. Die Faszination aus eigener Kraft die Alpen zu durqueren und dabei durch mehrere Länder zu laufen ist auf jeden Fall ein ganz spezielles und einmaliges Erlebnis.

Sven Bethke

 




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