bergstolz

Obertauern


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Die letzten 20 Meter bis zur Seekarspitze stapfe ich durch den knietiefen Schnee meinem Bruder Marc hinterher...

Wer beim Aufstieg spurt, hat die Ehre, als Erster abfahren zu dürfen. Marc schnallt seine Telemarkski an und entsichert seinen Lawinenrucksack. Vor zwei Tagen hat es stark geschneit, seither hat sich die Schneedecke gesetzt. Der 400 Meter lange, mit Felsen durchsetzte Hang ist unverspurt. Marc sammelt sich, schnauft noch ein Mal aus und dropt über die Wechte in den Hang. Die ersten 100 Meter lässt er seine Ski laufen, um Speed aufzunehmen. Bevor er hinter der Hangkuppe verschwindet, zieht er einen Telemarkschwung mit riesigem Spray.

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Ein paar Tage zuvor bin ich vor dem Bildschirm gesessen und hab’ mir die Satellitenbilder mit den Schneefallmengen in den Alpen angeschaut. Der Alpenhauptkamm ist türkis hinterlegt. Mein Herz schlägt schneller: 30 bis 40 Zentimeter Neuschnee! Ich greife zum Telefon und überrede Lisa aus Innsbruck, Pedro aus dem Allgäu und Fotograf Christian Weiermann, mit Marc und mir nach Obertauern zu kommen. Das ist unser Freeride-Geheimtipp. Seit Jahren schwärme ich ihnen von Obertauern vor, und dass man im Salzburger Land einfach weniger Konkurrenz auf der Suche nach Powder hat. Als wir mit dem Auto an Untertauern vorbeifahren, liegen im Tal nicht einmal fünf Zentimeter Neuschnee. Christian fragt: „Bist du sicher, dass es hier geschneit hat?“ „Ja, ja“, antworte ich und stelle mir vor, wie wir einen windverblasenen, harschigen Hang ’runterrutschen. Habe ich zu viel versprochen?

Diese Frage geht mir durch den Kopf. Jetzt sind sie eigens den weiten Weg aus den Freeride-Hochburgen angereist, und ich kann gerade Mal das Familienskigebiet präsentieren, wo man mit fetten Skiern dann auch noch komisch angeschaut wird. Als wir mit dem Auto die Passstraße hinauffahren, nehmen die Schneemengen zu – was für eine Erleichterung! Wir lassen das neblige Tal unter uns und machen uns auf den Weg Richtung Sonne. Gespannt auf das, was uns erwartet, wische ich die angelaufene Seitenscheibe ab und betrachte das Zehnerkar – die Südseite von Obertauern: Die über den Lift zugänglichen Abfahrten sind teilweise verspurt. Ich schaue weiter rechts zur Zehnerkar-Rinne, die mit einem 15-minütigen Aufstieg zu erreichen ist: unverspurt. Yeah! Nach einem Warm-Up-Run unter der Gondel entscheiden wir uns zur Rinne aufzusteigen. „Was ma hom, des hom ma“, sagt Marc, und wir stapfen los. Als wir in die Nähe der Rinne kommen, bleibt die restliche Gruppe am Grat zurück, während ich mich ihr vorsichtig von der Seite her nähere, um die Lawinengefahr zu beurteilen. Der Wind war die letzten Tage nur schwach und hat die Rinne mit geringen Schneemengen aufgeladen. Grünes Licht – ich lasse meine Ski laufen und ziehe einen gedrifteten Schwung in den oberen Teil. Im mittleren Teil gibt es eine Ausweichstelle, falls die Schneedecke nicht stabil sein sollte. Ein kurzer Blick zurück – nur Sluff – und so lasse ich es bis zum Hangauslauf laufen. Als ich zum Stehen komme, hebe ich beide Stecken senkrecht nach oben – unser Zeichen für: Superbedingungen, keine Sharks.

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Lisa folgt, zieht drei lange Schwünge die gesamte Rinne hinunter und schießt mit einer flatternden Jacke und riesigem Smile auf mich zu. Die lange Fahrt von Innsbruck hat sich für sie rentiert. Als nächstes nehmen wir die Lifte zur gegenüberliegenden Seite des Skigebietes in Richtung Seekareck. Am späten Vormittag leuchtet dort immer noch die Sonne in den Südosthang. Christian sitzt schon auf Kohlen und will ein paar Fotos schießen. Den 25-minütigen Hike bis zum Gipfel des Seekarecks wechseln wir uns mit dem Spuren ab. Alle Hänge sind unverspurt, und am Gipfel machen wir uns ein Bild des Südosthangs – mein Lieblings-Run in Obertauern. Der Südosthang ist ein steiles kupiertes Gelände – heute mit knietiefem Pulverschnee. Obwohl die Schneedecke verhältnismäßig stabil ist, entscheiden wir uns, auf den Hang zu verzichten und auf den weniger lawinengefährlichen Nordosthang auszuweichen – so weh es tut. Unser Fotograf Christian Weiermann positioniert sich neben einem Felsen. Pedro fährt auf den Drop zu, macht einen Speedcheck und verschwindet aus unserer Sicht. Wenige Sekunden später erscheint er am Hangauslauf.

Beim Mittagessen an der Terrasse der Hochalm sehen wir in der Ferne eine Gruppe, die unseren Aufstiegsspuren auf das Seekareck folgt. Als die Gruppe am Gipfel ankommt, macht sich einer der Gruppe bereit und springt in den Südhang, den wir eine halbe Stunde zuvor als zu lawinengefährlich eingestuft hatten. Ich kaue langsamer und starre dann mit offenem Mund hinauf. Wir alle schauen gespannt zu. Der Skifahrer scheint gut drauf zu stehen und zieht eine saubere Linie in den Südosthang. Ich habe gemischte Gefühle: Einerseits haben wir uns aus Sicherheitsgründen gegen die Abfahrt entschieden. Andererseits müssen wir zuschauen, wie ein anderer ohne Probleme den Hang einweiht. Hätten wir doch den Hang befahren sollen? Nachdem wir gemeinsam über das Thema Lawinen diskutiert haben, kann ich mich wieder beruhigen und meine Gedanken sortieren. Unser Resümee: auf lange Sicht ist das einzig Richtige, öfters zu verzichten, um das Risiko eine Lawine auszulösen, möglichst gering zu halten – auch wenn es in vielen Fällen doch gut gegangen wäre.

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Bei Berner Würstel mit Pommes reden wir über den Luxus, zwei Tage nach dem Schneefall noch ohne großen Aufwand frische Lines zu fahren. Pedro bringt es auf den Punkt: „In Oberstorf gibt es einfach viel mehr Skibums, die eine halbe Stunde vor der ersten Bergfahrt schon an der Seilbahn stehen und darauf warten, die Hänge zu verspuren.“ Marc meint: „Die Vorbilder der Kids im Salzburger Land sind Hermann Maier und Michael Walchhofer und nicht Shane McConkey. Deshalb spielt sich hier das meiste mit Carvingski auf der Piste ab.“ Diesen Vormittag sind wir mit einigen Höhenmetern unverspurter Hänge auf unsere Kosten gekommen. Allerdings haben wir mit den Aufstiegen nur ein paar Runs gemacht. Den Nachmittag wollen wir nutzen, um viel zum Freeriden zu kommen. Mein Bruder und ich zeigen unseren Gästen die besten Abseits- Abfahrten im Skigebiet. Nach der letzten Bergfahrt nehmen wir uns eine besondere Insider-Abfahrt vor und hiken im Alpenglühen auf die Seekarspitze, wozu wir eine halbe Stunde brauchen. Christian Weiermann will das Abendlicht noch für die letzten Fahrfotos nutzen und treibt uns beim Aufstieg an. Die letzten 20 Meter bis zur Seekarspitze stapfe ich durch den knietiefen Schnee meinem Bruder Marc hinterher. Christian überholt uns, positioniert sich mit der Kamera im Hang und gibt ein Handzeichen. Marc sammelt sich, schnauft noch ein Mal aus und dropt über die Wechte in den Hang. Die ersten 100 Meter lässt er seine Ski laufen, um Speed aufzunehmen. Bevor er hinter der Hangkuppe verschwindet, zieht er einen Telemarkschwung mit riesigem Spray.

Text: Martin & Marc Straßer Steckbrief Infos zu den Marmot PROs, die in Obertauern dabei waren, findest du hier: Lisa Horst: Ski Freeride www.marmot.de/content/de/friends.horst Marc Straßer: Telemark Freeride www.marmot.de/content/de/friends.marcstrasser Martin Straßer: Telemark Freeride www.marmot.de/content/de/friends.martinstrasser Peter Baldauf: Telemark Freeride www.marmot.de/content/de/friends.baldauf Christian Weiermann: Fotograf www.weiermann-foto.de

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Facts Obertauern:

Längster Run: Gamsleiten 1 & 2 ergeben ca. 650 Höhenmeter – bei guten Bedingungen auch komplett abseits möglich. Funpark: Der Longplaypark bei der Kehrkopfbahn, gestaltet und gewartet von der Kultsnowboardschule „Blue Tomato“, bietet Kicker und Rails für jede Könnerstufe. Lawinengefahr: Sehr zu beachten, da oftmals der geliebte Powder mit sehr hohen Windstärken kommt, welcher wiederum ja bekannter Weise als Lawinenbaumeister gilt. Nightlife: Jede Menge Aprèski-Sound – größter Schuppen ist die Lürzeralm! Zu empfehlen Monkey Circus (Cocktailbar). Saison: Anfang Dezember bis Anfang Mai. Höhenlage: 1.630 m – 2.313 m. Präparierte Pisten: 140 km. Kontakt: Tourismusbüro +43 (0) 64 56-72 52 Internet: www.obertauern.com Lawineninfo: www.lawine.salzburg.at Anreise: Autobahn München - Salzburg - A10 Tauernautobahn - Autobahnabfahrt Radstadt, Exit 63 - B99 Katschbergbundesstraße - Radstadt - Obertauern. Liftpass: 39 Euro (Tageskarte für Erwachsene). Fotos: TVB Obertauern / Christian Weiermann


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