Rider Profile - Caroline Gleich
2019 steht eine zierliche, nur 1,60 Meter große Frau auf dem Gipfel des Mount Everest. Es ist Caroline Gleich, die ein Jahr zuvor schon den Cho Oyu, den sechsthöchsten Berg der Erde, bestiegen und anschließend auf Ski befahren hat. Allen Widrigkeiten zum Trotz – die gesamte Expeditionsausrüstungsindustrie ist auf Männer ausgerichtet – oder gerade deswegen, gibt sie nie auf und erreicht den höchsten Punkt dieser Erde gemeinsam mit ihrem Ehemann Rob Lea.
„Auf einem Gipfel zu stehen inspiriert mich“
Am Berg, so scheint es, kann Caroline Gleich schlichtweg alles: Steilwandskifahren und Klettern genauso wie Bergsteigen und Freeriden – unzählige Covershots zeugen von ihren Skills. Vorgezeichnet war dieser Weg aber sicherlich nicht für sie: Aufgewachsen in Minnesota zwischen Wäldern und Ebenen, fuhr sie nie Skirennen. “Mit 18 Monaten stand ich das erste Mal auf Ski, wir sind ein, zwei Mal im Jahr auf Skiurlaub gefahren und ich war an den Wochenenden Skifahren”, erinnert sie sich. “Meine Eltern haben mir Skifahren beigebracht und ich habe die Kleidung und Ausrüstung meiner Brüder geerbt. Meine erstes eigenes Paar Ski hab ich erst bekommen, als wir nach Utah gezogen sind”, schmunzelt sie.
Ihr Mentor am Berg war ihr Halbbruder, der ihr Klettern beibrachte – und sie mit zum Freeriden nahm, mit ihm entdeckte sie ihre Liebe zu den Bergen. Er starb in einer Lawine, als sie 15 war, was ihren Zugang zum Freeriden und Skibergsteigen nachhaltig geformt hat: „Dadurch waren mir die Kraft und Gefahren der Berge immer sehr bewusst. Ich begann langsam damit, mich aus den Skigebieten ins freie Gelände zu wagen und steigerte mich nach und nach – über einen Zeitraum von zehn Jahren.“
Heute, viele Jahre später, gilt sie als Skibergsteigerin und eine der komplettesten Bergsportlerinnen überhaupt. Man sollte meinen, dass sie mit ihren Projekten genug zu tun hat. Caroline Gleich aber hat Sendungsbewusstsein und setzt ihre Popularität gezielt ein, um die öffentliche Aufmerksamkeit auf Themen zu lenken, die ihr am Herzen liegen. Sie engagiert sich nicht nur für Klimaschutz und Gleichberechtigung und sieht das einfach als ihre Bürgerpflicht: „Ich hab mich nie für Politik nur der Politik wegen interessiert, aber ich will Probleme lösen – und regieren kann ein sehr gutes Mittel sein, um Probleme zu lösen. Demokratie funktioniert nur, wenn Du und ich, wir alle, aufstehen und unserer Stimme Gehör verschaffen.“ Ihre Mount Everest Besteigung stellte sie unter das Motto #ClimbForEquality, ihren Status als Patagonia Ambassador nutzt sie, um auf Umweltthemen aufmerksam zu machen, vergangenen Sommer und Herbst engagierte sie sich für die US-Wahl und Joe Biden.
Dennoch, die Ruhe in den Bergen braucht Caroline Gleich trotz des Trubels: „Sound of silence, das ist das beste: Bei mir wurde als Erwachsene ADHS diagnostiziert, deshalb lenkt mich Lärm oft ab. Ich liebe es, noch in der Nacht mit Stirnlampe loszuziehen. Und ich liebe es, dass Skifahren ein Erlebnis ist, das ich mit anderen teilen kann.“
Caroline Gleich ist eine „Stehauffrau“. Rückschläge konnten sie noch nie von ihrem Ziel abbringen. Nicht Ski zu fahren, war nie eine Option für sie: „Mich inspiriert es, auf einem Berggipfel zu stehen! Meine Eltern hatten natürlich Angst um mich, mein Vater hat mich sogar mal gefragt, wo meine Asche verstreut werden soll. Ich hab das zum Anlass genommen, ein Testament aufzusetzen.“ Bei dieser Hartnäckigkeit und diesem Willen wird Caroline Gleich wohl noch einige Zeilen ihrem Palmares hinzufügen: „Ich will 100 Meilen laufen. Ich will die Antarktis und das Karakorum entdecken. Ich will eine Familie. Und ich will mehr Welpen aufziehen!“, lacht sie. Und noch einen Wunsch hat sie: „Wenn ich mal 80 Jahre alt bin, will ich zurückschauen und erkennen, dass ich immer eher das richtige als das populäre getan habe.“