NOW | WEITIEN HO
Text: Sophie Oettl | Fotos: Peak Performance, Blake Kessler, JBernard, Cole Nelson
Wenn WeiTien Ho über seine Saison spricht, dann erzählt er nicht einfach von Wettkämpfen, Ergebnissen oder technischen Details. Im Zentrum steht ein Gefühl – ein Moment, der bleibt. Genau darum geht es in seinem neuesten Filmprojekt: NOW. Es ist das Porträt einer Saison, die anders verlief als geplant. Dabei werden Emotionen sichtbar gemacht, anstatt die Geschichte nur linear zu erzählen.
Noch bevor der Winter richtig begann, tüftelte der Peak Performance Athlete WeiTien gemeinsam mit seinen Freunden Hugh und Cole an ersten Ideen. Doch ein verletzungsbedingter Rückschlag stellte alles auf den Kopf. „Es fühlte sich an, als wären all unsere Pläne aus dem Fenster geworfen worden“, erzählt er. Trotzdem blieb der Wunsch, etwas zu schaffen, das Bestand hat. Am Ende wurde genau diese Verletzung zum Ausgangspunkt für ein neues Konzept: Statt eines klassischen Dokumentationsformats sollte der Film die Saison fühlen lassen – mit Bildern, Rhythmus und Stimmungen, die die Höhen und Tiefen eines Freeride-Jahres transportieren.

Für WeiTien war die Motivation hinter dem Projekt auch eine kreative: Schon länger wollte er ein persönliches Filmprojekt realisieren, eines, das seine Leidenschaft für das Skifahren mit seiner wachsenden Begeisterung für die Kunst des Filmemachens verbindet. Dass zwei seiner besten Freunde gleichzeitig seine engsten Film-Partner sind, machte die Arbeit noch intensiver. Gemeinsam entwickelten sie eine Vision, die sowohl das Skifahren als auch die Atmosphäre der Saison auf neue Weise zeigen sollte. „Ich bin nicht komplett zufrieden mit meinem Skiing im Film“, sagt er ehrlich. „Aber ich bin stolz auf die Geschichte, die wir erzählt haben. Und es motiviert mich, beim nächsten Projekt noch weiterzugehen.“
Die Stimmung von NOW beschreibt WeiTien als „sentimental und herzerwärmend“. Einen entscheidenden Anteil daran hat die Person, deren Stimme durch den gesamten Film führt: seine Großmutter. Die Entscheidung fiel nicht sofort, doch als die Idee erstmals aufkam, fühlte sie sich richtig an. Ihre ruhige, weise Stimme, gesprochen auf Mandarin, verleiht dem Film eine besondere poetische Tiefe. WeiTien, der chinesische und kanadische Wurzeln in sich trägt, empfand die gemeinsame Aufnahme im Frühjahr als einen der emotionalsten Momente des gesamten Projekts. „Es war viel bedeutungsvoller, als ich es erwartet hätte“, sagt er.

Die Zusammenarbeit mit seinem Filmteam beschreibt er als kreativ, fordernd und unglaublich inspirierend. Hugh und Cole seien stets auf der Suche nach ungewöhnlichen Perspektiven gewesen, hätten stundenlang an einzelnen Einstellungen gefeilt – manchmal für Szenen, die später nur wenige Sekunden lang sind oder gar nicht im finalen Film landen. Diese Hingabe hat bei WeiTien eine neue Wertschätzung für das Filmemachen geweckt. „Ich habe gelernt, wie viel es braucht, um wirklich bewusste, bedeutungsvolle Bilder zu schaffen“, erzählt er.
Besonders nah geht ihm eine Sequenz kurz vor dem Ende des Films – eine emotionale Verdichtung seiner Saison, begleitet von der Stimme seiner Großmutter, untermalt von Musik und all den Erinnerungen an das, was in Verbier auf ihn wartete. „Jedes Mal, wenn ich diesen Teil sehe, bekomme ich Gänsehaut“, sagt er. „Es ist der intimste Moment des Films.“

Auch die poetischen Textzeilen, die im Film zu hören sind – „Find your gifts. Master them. Your feet will guide you.“ – sind bewusst gewählt. Sie sollen keine Fakten erklären, sondern ein Gefühl transportieren, eine Art universelle Botschaft über Träume, Ziele und den Weg dorthin. „Es sollte sich wie die Weisheit einer Großmutter anfühlen – und gleichzeitig offen genug sein, damit jeder etwas Eigenes darin finden kann.“
WeiTiens eigene Geschichte beginnt früh: Schon mit eineinhalb Jahren stand er auf Skiern. Seine Eltern nahmen ihn von klein auf mit in die Berge. Diese Erlebnisse prägten ihn – nicht nur sportlich, sondern auch menschlich. Sie vermittelten ihm Werte wie Unabhängigkeit, Durchhaltevermögen und Dankbarkeit. Auch später, im Development-Programm des Whistler Freeride Clubs, fand er eine Umgebung, die ihn formte: eine Gemeinschaft aus Gleichgesinnten, die ihn forderte und wachsen ließ. Dort lernte er, mit Druck umzugehen, Rückschläge zu verarbeiten und seinen eigenen mentalen Rhythmus zu finden.

Mentoren hatte WeiTien viele – nicht eine einzelne Person, sondern viele Menschen, von denen er sich bestimmte Qualitäten abschaut. „Ich versuche, kleine Stücke Inspiration aus verschiedenen Richtungen mitzunehmen, ohne dabei meine eigene Authentizität zu verlieren.“ Auf die Frage, wie Freeride in Kanada und Asien wahrgenommen wird, antwortet er differenziert. In China sei die Sportart noch jung, aber wachse schnell. Die Begeisterung der Menschen dort habe ihn beeindruckt, auch wenn der Sport insgesamt noch weniger präsent sei als in Kanada. „Das Potenzial ist riesig“, sagt er. Für seine nächsten Projekte nimmt WeiTien vor allem eines mit: ein neues Verständnis für Qualität. Er weiß jetzt, welche Balance es braucht, um sowohl filmisch als auch sportlich das Beste herauszuholen. Der nächste Schritt? Das Level im Skifahren weiter anheben – und gleichzeitig die gleiche filmische Tiefe bewahren. „NOW“ erscheinte am 1. Dezember auf seinem YouTube-Kanal. Und WeiTien hat einen einfachen Wunsch: „Ich hoffe, dass jeder, der den Film sieht, etwas fühlt – und vielleicht ein bisschen Inspiration mitnimmt, seinen eigenen Träumen nachzugehen.“











