CATSKIING | ALBANIEN
Powder, Pferde und Pistengeräte
Catskiing in den „verfluchten Bergen“ Albaniens
Text: Birgit Ertl & Tamara Fritz // Fotos: Birgit Ertl, Tamara Fritz, Lina Fischer, Yente van Eynde
Punktlandung in München
Freitagmorgen, Altenmarkt im Pongau, Abfahrt nach München. Schnell bekommen wir das Gefühl, der Stau auf der A10 Richtung Salzburg will uns den Traum von unverspurten Hängen in Albanien vermiesen. Doch Punktlandungen gehören zum Skifahrerleben wie der Kaffee vor dem ersten Run – und so schaffen wir es rechtzeitig von Altenmarkt nach München, wo unser Flieger Richtung Pristina wartet.
Wir, das sind:
- Tammy aus Innsbruck, Snowboarderin und unser DJ im Snowcat.
- Lina aus München, Skifahrerin, die sich zur „Powder Queen“ der Gruppe entwickeln wird.
- LK aus Texas und zukünftiger Jenga-Champion.
- Und ich, Birgit aus Altenmarkt – mit dem Traum, unverspurte Hänge in Albanien zu entdecken.
Am Zielflughafen in Pristina stoßen noch sechs Skifahrer und Skifahrerinnen aus den Niederlanden und Belgien zu uns. Empfangen werden wir von Yuri, unserem Guide von Epique, einem Unternehmen, das eng mit Freeride Albania zusammenarbeitet.
Epique ist eine niederländische Reiseagentur, spezialisiert auf Abenteuerreisen wie Freeride-, Catskiing-, Heli-Ski- sowie Ski- und Snowboardtrainings weltweit – von Europa über Japan bis Kanada. Ein besonderes Motto lautet: „Wir gehen immer einen Schritt weiter, weil jedes Detail zählt“ – ein Versprechen an Qualität und persönlichem Service.
In ihrem Portfolio findet sich auch Catskiing in Albanien, angeboten in Kooperation mit Freeride Albania – ein toll konzipierter Trip abseits des Massentourismus. Dabei setzen sie auf exklusive Gruppen, professionelle Guides und authentische Erlebnisse – ganz nach dem Motto „private Paradise“ im Balkan-Powder.
Gegründet im Jahr 2024, basiert Freeride Albania auf der Idee, den abgelegenen, hochalpinen Ort Doberdol zum Zentrum für Catskiing im Balkan zu machen. Initiator war der kosovarische Ski-Enthusiast Bardhosh Morina. Gemeinsam mit Freunden und Investoren kaufte er zwei Pistenbully 600 – die Herzstücke des Catskiing Unternehmens.

Die verfluchten Berge rufen
Im Hostel Borja in Peja sammeln wir in unserer ersten Nacht im Balkan Kraft für das, was noch kommt – und ahnen nicht, dass allein die Anreise zur Lodge einen eigenen Absatz im Artikel über unser Balkan-Abenteuer wert sein wird.
Nach einer Nacht im Hostel brechen wir Richtung Süd-Westen auf. Unser Ziel: die Accursed Mountains – zu Deutsch „die verfluchten Berge“. Der Name klingt düster, doch die Erklärung ist einfach: Jahrhunderte lang war die Region so unzugänglich, dass selbst Hirten sie mieden. Heute erstrecken sich hier unberührte Täler an der Grenze zwischen Kosovo, Albanien und Montenegro.

Die Accursed Mountains sind nicht nur ein Freeride-Paradies, sondern auch ein Stück europäische Geschichte. Die Region ist nicht nur landschaftlich beeindruckend – Jahrzehntelang war sie politisch aufgeladen: Kriege, Grenzkonflikte, Isolation. Heute öffnet sich der Balkan dem Tourismus – langsam, aber herzlich.
Freeride Albania ist einer der Pioniere, die dieses unerschlossene Terrain zugänglich machen. Ihr Ziel: nachhaltiger Tourismus, der lokale Communities einbindet und Skifahrerinnen und Skifahrer dorthin bringt, wo sonst nur Bergziegen hinkommen. Warum die Gegend schwer zugänglich ist, wird uns bald klar.

Wenn der Allrad an seine Grenzen stößt
Die Straße in die Berge endet, wo das Abenteuer beginnt: Asphalt wird zu Schotter, Schotter zu Felsbrocken, dann übernehmen Schnee und Matsch. Irgendwann bleibt unser Allradmobil stecken – zu weit weg von der Lodge, um einfach „ein bisschen zu Fuß zu gehen“. Doch unsere Guides sind vorbereitet: Transportmittel Nummer zwei sind Pferde. Sie tragen unsere Skibags durch den Schnee, während wir zu Fuß folgen.
Nach einer halben Stunde Marsch stehen wir vor Transportmittel Nummer drei: ein Pistengerät, unser künftiges Taxi in die Powderhänge, mit einer Kabine hinten dran, in der bis zu 12 Personen Platz haben – theoretisch. Wir steigen ein, die Pferde werden entladen, die Skibags auf das Dach geladen und los geht’s. Doch schon die erste Fahrt zeigt, dass im Balkan manches anders läuft.

Fliegende Skibags und fliegende Sitze
Kaum wird die Steigung ernst, verabschiedet sich ein Skibag nach dem anderen vom Dach der Kabine. Wir brüllen, winken, klopfen, doch der Fahrer hört nichts. Schließlich stoppt er, wir sammeln alles ein - Glück gehabt, nichts kaputt.
Doch das Chaos geht weiter: Bei der nächsten Steigung bricht eine Sitzreihe aus der Verankerung. Die Guides reagieren pragmatisch: „Werfen wir raus, holen wir später.“ Statt zwölf Sitze hat unsere Kabine nun zehn. Willkommen im Balkan.

Am Nachmittag erreichen wir die Lodge – fast komplett. Ein Skibag fehlt, das auf dem Weg vergessen wurde. Ein Skidoo macht sich auf die Rückreise und liefert es um zwei Uhr früh nach. Abenteuerlicher kann ein erster Reisetag kaum sein.
Lodgeleben: Gutes Essen, Jenga und Schuh-Desaster
Die Lodge, eine rustikale Holzhütte mit Kamin, Gemeinschaftsraum und viel Charme, wird für die nächsten Tage unser Zuhause. Morgens Frühstücksbuffet, mittags und abends albanische Küche: Eintöpfe, frisches Gemüse, viel Fleisch, noch mehr Gastfreundschaft.
Abends wird gespielt. Jenga entwickelt sich zum Mannschaftssport und LK zum unbesiegbaren Champion. Die Spannung der Jenga Spiele ist kaum zu übertreffen. Tammy sorgt als DJ mit Musikbox und Handy für Stimmung in der Lodge und auch im Pistengerät.
Und auch Tammy’s Snowboard Schuhe erleben einiges in der Lodge. Merke: Innenschuhe von Snowboardboots trocknet man nicht direkt auf dem Holzofen. Teile davon verschmolzen mit dem Metall.

Powder-Playground im Niemandsland
Fünf Tage lang ist ein ganzer Bergkessel unser Spielplatz. Keine Lifte, keine anderen Skigruppen – nur wir, unsere Guides Dani und Yuri und der Snowcat.
Obwohl es während unseres Aufenthalts nicht schneit, finden die Guides jeden Tag unverspurte Abfahrten. 10 bis 15 Zentimeter Pulver der Vorwoche reichen, um breite Grinsen in unsere Gesichter zu zaubern. Lina, die lange für den DSV als Skirennläuferin an den Start ging, ist die klare Queen of Beauty Turns. Mit ihr gelingen uns super Bilder die zeigen, wie wir immer wieder aufs neue Schwünge in die unverspurten Hänge ziehen. An einem Tag steigen wir vom Drop-Off noch weiter auf und erklimmen den Maja e Bardh. Belohnt werden wir mit einer Abfahrt, die lange im Gedächtnis bleibt. Die restlichen Tage lassen wir uns von unserem „Taxi“ – dem Snowcat – gemütlich den Berg hochshutteln.

Drop-Offs mit weiblichen Pronomen
Die Cat Driver, einer davon Shokol, ebenfalls ein begnadeter Skifahrer, hat das harte Los diese Woche gezogen und fährt unseren Cat an sämtliche Drop-off Points. Teilweise auch an welche, die er noch nie angefahren ist - allerdings mit der albanischen Wildcat ist so einiges möglich. Während er unsere Powdercrew jedes Mal an die unverspurten Hänge führt, merkt man ihm deutlich an, wie gerne er selber mal mit den Skiern mitfahren würde.

Wahrscheinlich war es die Einsamkeit im Cat, oder doch die testosterongeladene Führerkabine die dazu führte, dass gewisse Drop-off Points von den Jungs nach weiblichen Körperteilen benannt wurden. Als wir Frauen davon erfahren, ist es ihnen sichtlich ein wenig peinlich. Aber noch mehr irritiert sie die Nachfrage, wo denn die Drop-offs seien die nach männlichen Körperteilen benannt wurden. Da herrschte plötzliches Schweigen. Wir helfen gerne und stehen unseren neu gewonnen Freunden zur Seite. So übernehmen wir kurzerhand die ehrenwerte Aufgabe und werden kreativ in der Namensgebung der Runs. Google Maps wird als Komplize engagiert und wenn ihr wissen wollt, welche Sehenswürdigkeit man in den Accursed Mountains unter "ara me kryp" findet, müsst ihr einfach googeln. (Wer es auf Google Maps finden will “arra” mit doppel r schreiben. Wir mussten ein wenig improvisieren, damit unsere Einträge akzeptiert wurden.)
Weitere Namensvorschläge wurden leider abgelehnt (das war dann unserem Komplizen Google wohl doch ein wenig zu viel). Schade, dieses Powder Universum hätte noch ein paar weitere kreative Namen verdient. Aber auf so einer Reise kann man nicht alle Missionen sofort erfüllen, wir brauchen sowieso einen Grund um wiederzukommen. Wir hätten noch einige Ideen für schöne Cliffs und Lines.

Abreise von Albanien zurück in den Kosovo
Nach fünf intensiven Tagen heißt es Abschied nehmen. Statt zurück über die Pferderoute, bringt uns unser Cat zu einem anderen Drop off. Wir schultern die Ski, stapfen noch ein Stück bergauf und queren einen Kamm. Auf der anderen Seite wartet der Kosovo und eine letzte lange Abfahrt ins Tal.
Unsere letzte Nacht verbringen wir wieder im Hostel Borja. Vorher gibt’s albanische Küche in einem Restaurant in Peja, dann einen Gin Tonic in einer Bar. Doch dort erleben wir einen kleinen Kulturschock: Um 22 Uhr sind wir die einzigen Frauen im Lokal. „Im Kosovo gehen Frauen nach zehn nicht mehr in Bars“, erklärt man uns. Wir lächeln, nicken, bleiben sitzen und stoßen auf eine unvergessliche Reise an.

Fazit: Balkan und Pistengeräte
War es wenig chaotisch? Für Mitteleuropäer ja. Gab es immer eine passende Lösung für alle Probleme? Auch ja! (Zitat der Jungs vor Ort: There is a Balkan solution for everything!)
War es abenteuerlich? Absolut. Würden wir es wieder machen? Sofort.
Catskiing in Albanien ist nichts für Komfortreisende, aber für alle, die Powder, Abenteuer und Geschichten fürs Leben suchen. Die Mischung aus Gastfreundschaft, Wildnis und Skispaß macht die „verfluchten Berge“ zu einem Ort, den man so schnell nicht vergisst.











